[307] Gerüste (scaffolds; échaffauds; armature) sind Tragkonstruktionen, die bei der Neuausführung von Bauwerken oder bei Erhaltungsarbeiten an diesen, vorübergehend zur Aufstellung gelangen, z.B. bei Ausführung von Gründungsarbeiten (s. Gründung), zur Herstellung des Mauerwerks bei Hochbauten, bei der Aufstellung von Eisentragwerken, bei der Ausführung von Gewölben und Bogenkonstruktionen, von hohen Erddämmen u. dgl.
Sämtliche Gerüstherstellungen kann man einteilen in feste und bewegliche (fliegende) G. Feste G. bleiben während der Dauer des Baues unverändert und werden die fertiggestellten Bauteile nur wenig oder gar nicht als Stützpunkte benutzt. Die beweglichen G. werden allmählich mit dem Fortschreiten der Bauarbeiten unter Benutzung einzelner fertiger Bauteile als Stützpunkte gehoben oder gesenkt.
Als Baumaterial der G. wird wohl in der Regel Rund- und Bauholz, nur in seltenen Fällen insbesonders bei Lehrgerüsten Schmiedeeisen benutzt (s. Lehrgerüste).
Als feste G. werden meist die Haupt-, Förder-, Versetz-, Lehr-, Aufstellungs- (Montierungs-)G. hergestellt. Die Hauptgerüste umfassen die aufzuführenden Bauwerke von allen Seiten (soweit örtliche Verhältnisse dies gestatten); sie werden errichtet, um in den entsprechenden Höhen feste Förder-, Arbeits- oder Rüstböden anbringen zu können, auf denen die Baustoffe für den nächsten Bedarf gelagert und rasch zur Verwendungsstelle geschafft werden; auf diesen Plattformen finden auch die Arbeiter einen festen Boden für ihre Tätigkeit. Die Abstände, in denen die Böden voneinander angelegt werden, sind verschieden. Bei Brücken, Pfeilern, Viadukten u.a. ähnlichen Bauwerken schwankt der Abstand zwischen 4∙0 und 8∙0 m, bei den Hochbauten richtet sich der Abstand nach den Stockwerkshöhen des Gebäudes. Die Hauptgerüste bestehen aus Reihen von senkrecht[307] stehenden Stützen (Ständer-, Lantennenreihen, auch Joche genannt), die mit wagerechten Pfetten (Streichstangen) verzapft sind; die Arbeitsböden werden durch auf die Pfetten gelegte Streckhölzer (Tragbalken) gebildet, über die die Dielen verlegt werden. Die Arbeitsböden erhalten eine Breite von 23∙5 m (Abb. 218).
Die Ständer der untersten Reihe können entweder in den Boden eingerammt oder eingegraben und festgestampft oder auf Schwellen gestellt werden (Abb. 219).
Sind für die Aufstellung der Ständer aus irgendwelchen Gründen, sei es um ein Lichtraumprofil freizuhalten oder bei schlechtem Untergrunde nur wenige Stützpunkte vorhanden, so muß man zur Anordnung von Spreng- und Hängwerken oder Gitterträgern greifen, die zur Unterstützung der oberen Ständerreihen dienen.
Gegen seitliche Verschiebungen sowie gegen die Windkräfte sind die Ständer durch Anordnung von Zangen und Andreaskreuzen zu sichern.
Fördergerüste dienen zum Transport der Baustoffe vom Erzeugungs-, bzw. Lagerplatz zur Verwendungsstelle. Die Baustoffe können wagerecht, lotrecht oder auf schiefen Ebenen gefördert werden. G. für wagerechte Förderung bestehen aus Ständern mit Kopfhölzern, auf denen Langhölzer befestigt sind, die die Förderbahn tragen. Förderbahnen für Dammschüttungen erhalten an ihren Enden die zur Verschiebung der Gleise nötigen Vorrichtungen, damit die Schüttung in annähernd wagerechten Lagen ausgeführt werden kann; G. für senkrechte Aufzüge werden nur in seltenen Fällen ganz einzelstehend hergestellt, meist werden sie mit den Förderbahnen oder Hauptgerüsten verbunden, in vielen Fällen sogar in letztere eingebaut. Solche G. erhalten oft einen viereckigen Grundriß; in der Mitte ist für den Durchgang der Lasten ein genügend großer Lichtraum zu belassen. Bei G. zur Förderung auf schiefen Ebenen werden Bahnen mit möglichst gleichmäßiger Steigung hergestellt; die Unterstützung der Förderbahnen wird durch einfache Joche bewerkstelligt; auf denen die Schwellen befestigt sind. Die Bahn kann ein oder zweigleisig ausgeführt sein, und ist bei größerer Länge im ersteren Fall mit Ausweichstellen zu versehen.
Lehrgerüste für Ziegel-, Bruchstein-, Beton- und Eisenbetongewölbe werden ausgeführt, damit der Bogen die richtige Form erhält und das betreffende Baumaterial durch eine entsprechende Zeit vollkommen in Ruhe bleibt, um abbinden zu können (s. Lehrgerüste).
Aufstellungs- (Montierungs-) G. für eiserne Brücken bestehen aus dem eigentlichen G., das in der Ebene des Untergurtes den sogenannten Unterboden und bei größeren Trägerhöhen in der Ebene der Obergurte den Oberboden für die Arbeiter zu tragen hat.
Versetzgerüste werden bei größeren Bauwerken notwendig, wenn die Mauerwerkskörper in regelmäßigem Steinverband ausgeführt und daher Steine oder Quadern von größerem Rauminhalt mittels Kranwinden versetzt werden müssen.
Die Versetzgerüste bezwecken eine entsprechende Unterstützung der Laufschwellen für den Kran und werden fest oder verschiebbar ausgeführt; bei festen G. liegen die Laufschwellen für den Kran gleichlaufend mit der Längenachse des Mauerwerks und werden durch Ständer, Büge oder einfache Sprengwerke entsprechend unterstützt. Bei Brückenpfeilern, Brückengewölben und dgl. sind zwei Versetzgerüste notwendig (für jedes Mauerhaupt eines), wobei der Nachteil entsteht, daß in der Mitte der Mauerwerkskörper nicht jeder Stein durch die Winde an seine Stelle gebracht werden kann. Dieser Übelstand wird bei verschiebbaren Versetzgerüsten vermieden. Diese[308] bestehen aus den senkrecht zur Längenachse des Bauwerkes gestellten Laufschwellen, den Laufständern mit dem Fußgestell und den Laufrollen. Wegen der größeren freien Länge der Laufschwellen sind zu ihrer Unterstützung Sprengwerke oder Gitterträger nötig, die an den Laufständern entsprechende Auflagerung erhalten. Die Bahn zum Verschieben des Versetzgerüstes wird meist an beiden Außenseiten des Hauptgerüstes hergestellt.
Bewegliche G. gelangen zur Ausführung sowohl bei Eisen- als auch Mauerkonstruktionen, die in vollkommen gleicher Ausbildung sich auf eine größere Länge erstrecken, so z.B. bei eisernen Hallen, im Tunnelbau u. dgl. Diese G. werden in Form eines rollenden Wagens auf Gleisen verschiebbar, der fortschreitenden Arbeit entsprechend ausgeführt (Abb. 220). Meist werden jedoch bewegliche G. nur für kleinere Bau- oder Erhaltungsarbeiten ausgeführt, um auf einfache Weise rasch Plattformen oder Rüstböden für Arbeiter und die von ihnen zu verwendenden Baustoffe zu schaffen; solche G. sind:
Die Bock- oder Schragengerüste bestehen aus Rüstböcken von verschiedenen Formen, die mit Streben verbunden und mit Dielen überdeckt sind. Diese G. können 25 m hoch ausgeführt werden.
Ausschuß- oder fliegende G. werden derart hergestellt, daß durch Maueröffnungen Hölzer (sogenannte Ausleger) herausgesteckt und von innen abgespreizt werden; die äußeren Enden tragen sich entweder frei oder werden mittels Bügen unterstützt. Über die Ausleger können zur Unterstützung der Dielen noch Streichstangen gelegt werden.
Häng- oder Fahrgerüste bestehen in der Regel aus einem mit Geländer versehenen Fußboden (dem Fahrstuhl) von ungefähr 0∙75 m Breite und 25 m Länge; dieser hängt an Seilen und kann mittels Flaschenzügen auf- und niedergelassen werden. Die Hänggerüste müssen möglichst leicht und mit verläßlichen Sperr- und Bremsvorrichtungen versehen sein. Die Flaschenzüge werden an starken Hölzern befestigt, die durch Öffnungen im Mauerwerk oder im Dach ausgesteckt werden, und von innen entsprechend versichert sind.
Leitergerüste werden aus lotrecht aufgestellten Leitern mittels durchgesteckter Dielen und aufgenagelter Geländerstücke gebildet. Die Leitern werden an ihrem oberen Ende an ausgesteckten Hölzern befestigt und mit Windverstrebungen entsprechend abgesteift.
Literatur: Winkler, Holzbrücken, Wien 1871. Heinzerling, Die hölzernen Brücken, Leipzig 1904, Hb. d. Ing. W., Bd. II. Melan, Der Brückenbau I. T., Leipzig und Wien 1910, Hb. f. Eisenbetonbau, 2. Aufl. Bd. II., Berlin 1911, Bd. VII., Berlin 1912. Schönhöfer, Die Haupt-, Neben- und Hilfsgerüste im Brückenbau, 2. Aufl., Berlin 1913.
Nowak.
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