Lohnwesen

[124] Lohnwesen. Lohn (wages; salaire; paga) ist die endgültige Abfindung (Vergütung) für die Leistung des Arbeiters (s.d.). Diese Abfindung besteht entweder in der Hergabe an Lebensmitteln, Kleidung oder Wohnung an den Dienstverpflichteten (Naturallohn), in barem Gelde (Geldlohn) oder in der Verbindung beider Löhnungsformen. Im Eisenbahnwesen beschränkt sich die Abgeltung der Arbeitsleistungen in der Regel auf den Geldlohn. Von Naturallohn wird nur soweit die Rede sein[124] können, als in einer Anzahl von Fällen den Arbeitern freie Berufskleidung und mietfreie Wohnungen überwiesen werden.

Der Geldlohn ist entweder ein Zeitlohn oder ein Stücklohn, je nachdem der Lohnberechnung die geleistete Arbeitszeit oder die hergestellte Arbeitsmenge zu gründe gelegt wird. Es findet sich auch eine Vermischung beider Löhnungsformen. (Wegen der Unterschiede dieser Lohnarten s. »Akkordlohn« und »Arbeiter«, Abschnitt E, »Arbeitslöhnung«.)

Die Höhe des Lohnes der Eisenbahnarbeiter richtet sich im wesentlichen nach dem Arbeitsangebot an den einzelnen Orten. Die Eisenbahnverwaltungen zahlen daher nicht Einheitslöhne für den gesamten Bereich des Unternehmens, sondern die Lohnsätze sind verschieden hoch nach den Teuerungsverhältnissen der Orte bemessen. Das gilt sowohl für den Zeitlohn als auch für den Stücklohn. Aber auch für die an demselben Orte beschäftigten Arbeiter pflegen die Lohnsätze verschieden hoch bemessen zu werden, je nachdem es sich um gewöhnliche Tagelohnarbeiter oder um Handwerker oder andere geschulte Arbeiter (Professionisten) handelt. Weiter übt auf die Höhe des Lohnes vielfach auch die Höhe der Anforderungen einen Einfluß aus, die an die Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit der Arbeiter gestellt werden müssen; es gilt dies namentlich für die im Eisenbahnbetriebe tätigen Arbeiter. Solchen Betriebsarbeitern, die vielfach zu Hilfsbeamtendiensten herangezogen werden, wird teils ein höherer Lohnsatz bewilligt, teils erhalten sie zu dem Lohnsatze gewöhnlicher Eisenbahnarbeiter eine Lohnzulage. Zulagen zum regelmäßigen Lohnsatze pflegen vielfach auch für besonders schwierige, anstrengende oder angreifende Arbeiten gewährt zu werden. Endlich sind bei einer großen Anzahl von Eisenbahnverwaltungen die Löhne der Arbeiter auch noch nach dem Beschäftigungsalter abgestuft. Bei einer Anzahl von Eisenbahnverwaltungen bestehen genaue Staffeln, nach denen die Arbeiter mit zunehmendem Beschäftigungsalter im Lohne derart aufsteigen, daß sie nach einer gewissen Zeit, z.B. 15, 12 oder 10 Jahre nach dem Eintritt bei der Eisenbahn einen Höchstlohn erhalten, über den hinaus eine Steigerung nicht mehr stattfindet.

Bei diesen Verschiedenheiten der Lohnregelung kann, zumal die wichtigste Grundlage der Lohnbemessung, der ortsübliche Arbeitslohn, erst recht große Unterschiede zeigt, eine Gegenüberstellung der Lohnverdienste der Arbeiter bei den einzelnen Eisenbahnverwaltungen zu keinem irgendwie vergleichbaren Ergebnis führen, dies um so weniger, als die Merkmale von Beamten und Arbeitern bei den Eisenbahnverwaltungen sich nicht decken. Überdies sind die ziffermäßigen Angaben, die von den Eisenbahnverwaltungen über die Lohnverdienste ihrer Arbeiterschaft in den Jahresberichten gemacht zu werden pflegen, nicht nach gleichen Gesichtspunkten ermittelt und aufgestellt.

Ein nicht geringer Teil der Eisenbahnarbeiterschaft wird nach der Natur des Eisenbahnverkehrs nicht nur an den Werktagen, sondern auch an den Sonn- und Festtagen beschäftigt. Diese Arbeiter erhalten zumeist, namentlich bei den Staatseisenbahnen, eine Löhnung für alle Tage des Monats, also auch für diejenigen Tage, an denen sie nach dem Dienstplane Ruhe haben. Auch sonst pflegen größere Eisenbahnverwaltungen den Lohn in verschiedenen Fällen von Dienstbehinderung oder Dienstbefreiung fortzuzahlen. So wird zumeist den Arbeitern der Lohn für die Dauer der notwendigen Abwesenheit fortgewährt bei der Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten, Teilnahme an den Sitzungen der Arbeiterausschüsse, Wahrnehmung gerichtlicher u.s.w. Termine, Todesfällen in der Familie, militärischen Übungen und sonstigen dringenden persönlichen Anlässen. Auch wird den mehrjährig bei der Eisenbahn beschäftigten Arbeitern vielfach alljährlich ein Erholungsurlaub bewilligt, ohne daß eine Kürzung des Lohnes für die Urlaubstage eintritt. Dagegen wird in Krankheitsfällen der Lohn nicht weiter gezahlt, da alsdann die Leistungen der Krankenkassen eintreten.

Während die Beamten ihre Zeit dem Dienste, auch ohne besondere Vergütung, voll widmen, also unter Umständen auch eine außergewöhnliche Tätigkeit unentgeltlich übernehmen müssen, wird der Arbeiter der Regel nach durch seinen Lohn für die regelmäßige Arbeitszeit entschädigt. Wird er darüber hinaus in Anspruch genommen, so wird, sofern der Arbeitsvertrag nichts anderes bestimmt, ihm dafür eine besondere Vergütung zu zahlen sein. Diese »Überstundenvergütung« ist in der Regel etwas höher als der auf eine Stunde entfallende gewöhnliche Lohn bemessen. Unter den Begriff von Überstunden fallen nicht nur die zeitlichen Mehrleistungen an den Werktagen, sondern bei einer Anzahl von Bahnverwaltungen auch die Dienstleistungen von nicht ständig angenommenen und daher nicht regelmäßig auch an Sonn- und Festtagen gelöhnten Arbeitern.

Unter den Begriff des Lohnes im weiteren Sinne fallen noch eine Reihe wandelbarer Gebühren, die dem Arbeiter neben der eigentlichen Lohnvergütung bei besonderen, im Eisenbahnwesen[125] begründeten Arbeitsvorgängen oder aus besonderen Anlässen gewährt werden. Es kommen hierbei in Betracht die Aufwandsentschädigungen bei Dienstleistungen außerhalb des ständigen Dienstortes, die namentlich für die im Zugbeförderungs- und Zugbegleitungsdienst beschäftigten Arbeiter von Bedeutung sind, ferner einmalige Zulagen zum Lohn als Anerkennung für verdienstvolle Einzelleistungen, sparsamen Materialverbrauch u. dgl., sowie für langjährige zufriedenstellende Tätigkeit. Auch können zu diesen Gebühren die Vergütungen gerechnet werden, die den Arbeitern als Ersatz für die Unkosten gezahlt werden, die ihnen bei einem auf dienstlicher Veranlassung beruhenden Wechsel des Dienstortes erwachsen (Umzugsentschädigungen).

Die Auszahlung des Lohnverdienstes ist aus Rücksichten auf die Wirtschaftsführung der Arbeiter verschieden geregelt. In der Arbeiterbevölkerung ist der Wunsch nach wöchentlicher Lohnzahlung ziemlich weit verbreitet. Wöchentliche Zahlungen erfordern aber im Eisenbahnwesen namentlich mit Rücksicht darauf viel Zeit- und Arbeitsaufwand, daß die Eisenbahnarbeiterschaft nur zum Teil in geschlossenen großen Arbeitsstätten tätig ist. Es sind aus Erwägungen solcher Art vielfach halbmonatliche Lohnzahlungen eingeführt. Dabei ist von einer Anzahl von Eisenbahnverwaltungen die Maßnahme so getroffen, daß eine eingehende Lohnrechnung nur monatlich aufgestellt, dem Arbeiter aber freigestellt wird, sich zwischenzeitlich eine Abschlagszahlung geben zu lassen. Als Löhnungszeitraum gilt alsdann in der Regel der Kalendermonat, so daß also der Arbeiter am Monatsende die Hauptzahlung und in der Mitte des Monats, soweit er es wünscht, eine Abschlagszahlung erhält. Die Auszahlung der Löhne geschieht in der Regel auf Grund von Lohnlisten, die der unmittelbare Dienstvorstand ausfertigt und die vorgesetzte Dienststelle überprüft. An die Streckenwärter werden die Löhne vielfach durch Bedienstete ausbezahlt, die zu diesem Zwecke die Strecke bereisen.

Art und Höhe des als Entgelt für die übernommene Arbeitsleistung zu gewährenden Lohnes und der sonst etwa dem Arbeiter zuzubilligenden Vergütungen, Zeitpunkt und Formen der Lohnzahlung u. dgl. bilden einen Teil der mit dem Arbeiter bei Übernahme seiner Dienstverpflichtung zu treffenden Vereinbarung. Für die Form, durch die diese Vereinbarung gegenüber den Eisenbahnarbeitern beurkundet wird, sind gesetzliche Bestimmungen und Landesgebrauch maßgebend. Bei einer Reihe von Eisenbahnverwaltungen wird das Lohnverhältnis der Arbeiter zur Verwaltung durch besondere Ordnungen, die sog. Lohnordnungen geregelt. Diese Ordnungen geben im allgemeinen eine übersichtliche Zusammenstellung alles dessen, was für den Arbeiter bei der Beurteilung seines Lohnverhältnisses von Wichtigkeit ist. Sie treffen demgemäß Bestimmung über die Festsetzung des Lohnes, seine Berechnung und Zahlung, das Lohndienstalter, die Vergütung von Überstunden und Sonntagsarbeit, die besonderen Lohnzuschläge bei auswärtiger Beschäftigung, Belohnungen, Fortbezug des Lohnes bei Arbeitsversäumnis, über Stücklöhne u. dgl. Ferner enthält die Lohnordnung den ordentlichen Lohntarif, aus dem der Arbeiter die Höhe des ihm zustehenden Lohnsatzes und, soweit das im Lohnsystem begründet ist, die Höhe der ihm neben dem Lohn gebührenden Zulagen, die Vergütungssätze für Stücklohnarbeit und sonstige Angaben entnehmen kann, die ihn in den Stand setzen, seinen Lohnverdienst nachzuprüfen. Die Lohnordnung wird dem Arbeiter entweder persönlich ausgehändigt oder aber so bei der Beschäftigungsstelle ausgelegt, daß der Arbeiter sie ohne Inanspruchnahme von Amtsstellen einsehen kann.


Bei der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft ist am 1. Oktober 1912 in allen Fahrzeugwerkstätten endgültig ein neues Verfahren für die Lohnberechnung der Handwerker und Handarbeiter eingeführt worden. Es wird im Gegensatz zu dem früheren Stückpreisverfahren kurz als Stückzeitverfahren bezeichnet. Die Lohnreform erstreckte sich auf mehr als 80.000 Personen. Vor der Lohnreform bestand in den Werkstätten der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft ein Stückpreisverfahren, das dem in Privatwerken gebräuchlichen Verfahren nachgebildet war. Die vorkommenden Arbeiten waren in möglichst viele Einzelstücke zerlegt und jedes Einzelstück war mit einem Stückpreis bewertet. Der Stückpreis war bestimmungsmäßig so zu bilden, das die durchschnittliche Zeit, die ein Arbeiter auf die Ausführung eines Stückes zu verwenden hatte, mit dem Durchschnittsverdienste zu vervielfachen war, den ein Arbeiter gleicher Fachrichtung zu verdienen pflegte. Die Stückpreise waren für jede Eisenbahnwerkstätte besonders festgesetzt, während für die Zerlegung der Arbeiten in Einzelstücke einheitliche Grundsätze aufgestellt waren. Die Zahl der Stückpreise betrug über zehntausend. Der Stückpreis wurde für jede ordnungsmäßig geleistete Arbeit vergütet; irgendwelche Beschränkung des Höchstverdienstes, der sich nach Fleiß und Geschicklichkeit der Arbeiter mehr oder minder günstig stellte, war nicht zulässig. Tatsächlich haben mitunter geschickte Arbeiter, sei es bei geringerem, sei es bei höherem Beschäftigungsalter, sehr hohen Verdienst erzielt, während sich für die Hauptmasse der Arbeiterschaft ein ungefähr gleicher Durchschnittsverdienst ergab.

Dieses Verfahren befriedigte die Arbeiterschaft der staatlichen Betriebe immer weniger, namentlich drängten die Arbeiter, die schon längere Zeit in der Beschäftigung bei der Eisenbahnverwaltung standen, immer mehr auf Lohnsteigerung mit dem Hinweise, daß der Verdienst zwar für jüngere Leute ausreiche, für sie aber nicht zulange. Eine zeitgemäße, den Wünschen der Arbeiterschaft entsprechende Umgestaltung[126] des Stückverfahrens wurde in dem neuen Stückzeitverfahren so gefunden, daß einmal der Arbeiterschaft ein Anreiz, durch Fleiß und Geschicklichkeit die Höhe ihres Einkommens günstig zu beeinflussen, in vollem Umfange erhalten bleibt und daß zweitens das Lohneinkommen jedes Arbeiters staffelmäßig mit zunehmendem Beschäftigungsalter sich erhöht.

Zu den Grundzügen des neuen Verfahrens gehört zunächst die vollständige Beseitigung des Stückpreises. Keine Arbeitsausführung wird noch nach einem Preise vergütet. Vielmehr wird jede Arbeitsausführung nach Zeit (Stückzeit) bewertet. Grundsätzlich wird für j e d e im Stückverfahren auszuführende Arbeit eine Zeit bestimmt. Da sich die Arbeiten gleicher oder ähnlicher Art häufig wiederholen, wird ein für allemal eine Normalzeit festgesetzt. Sie wird auf Grund von Probearbeiten nach der Dauer bemessen, die von Arbeitern mittlerer Leistungsfähigkeit zur ordnungsmäßigen Herstellung der Arbeiten gebraucht wird. Da es sich meistens um Reparaturarbeiten handelt, die häufiger als Neuarbeiten schwanken, so wird die Dauer der Probearbeit um ein Fünftel verlängert, so daß mithin ein Arbeiter mit Fleiß und Geschicklichkeit in einer Arbeitsstunde etwa 1∙2 Stückstunden oder in der täglichen neunstündigen Arbeitszeit etwa 10∙8 Stückstunden leisten kann. Die Zeitbemessung ist nicht in allen Werkstätten gleich, da die Eisenbahnwerkstätten auch nicht annähernd mit gleich leistungsfähigen Werkzeugmaschinen, Laufkranen, Schiebebühnen u.s.w. ausgerüstet sind, die zur Herbeischaffung der Materialien zu machenden Wege ungleich groß sind u.s.w.

Der zweite wesentliche Bestandteil des neuen Stückverfahrens ist die Lohnstaffel. Die Stückzeit ist von den Lohnverhältnissen gänzlich unabhängig; sie wird sachverständig nach dem tatsächlichen durchschnittlichen Zeiterfordernis für die Arbeitsausführung bemessen. Die Lohnstaffel soll erstens den örtlichen Teuerungsverhältnissen Rechnung tragen, zweitens aber das planmäßige Aufsteigen der Arbeiterschaft im Lohneinkommen bis zu einem bestimmten Beschäftigungsalter sicherstellen. Aus diesem Grunde sind für die einzelnen Werkstätten, u.zw. je besonders für die Handwerker (Klasse A), für die handwerksmäßig ausgebildeten Handarbeiter (Klasse B) und für die anderen Handarbeiter (Klasse C) Lohnstaffeln festgesetzt.

Ein dringender Wunsch der Arbeiterschaft bestand darin, daß in allen Werkstätten der Eintritt in die Lohnstaffel mit einem für alle Werkstätten gleichen Lebensalter beginnen und ebenso die Erreichung des höchsten Staffelsatzes mit einem gleichen Lebensalter möglich sein solle. Beides ist im neuen Verfahren erreicht. Als Beginn des Lohndienstalters, d.h. als Zeitpunkt des Einrückens in die Lohnstaffel, rechnet die Vollendung des 18. Lebensjahres und, wenn ein Arbeiter später in die Beschäftigung bei der Eisenbahnverwaltung eintritt, der Tag des Eintritts, wobei aber den Werkstättenämtern freisteht, bereits anderweitig tätig gewesenen Arbeitern nach dem Grade ihrer Leistungsfähigkeit bis zu 7 Jahren dieser Tätigkeit anzurechnen. Den höchsten Staffelsatz erreicht allgemein die Klasse A 20 Jahre, die Klasse B 15 Jahre und die Klasse C 12 Jahre nach dem Beginn des Lohndienstalters.

Die Staffel besteht aus Stundenlohnsätzen derart, daß schon der unterste Staffelsatz dem jungen Arbeiter ein Einkommen ermöglicht, wie er es nach den örtlichen Teuerungsverhältnissen beanspruchen kann. Der Lohnsatz erhöht sich staffelmäßig tunlichst von Jahr zu Jahr, der Regel nach um 1 Pf., je nach den Umständen auch um 2 Pf. für die Stunde bis zum Höchstsatze. Nach dem neuen Verfahren steigt jeder Arbeiter, genau so wie der Beamte in seinem Gehalte, in der Lohnstaffel auf, sofern nicht – ebenfalls wie bei den Beamten – Untüchtigkeit oder Unfleiß dem Aufsteigen im Einzelfalle entgegenstehen.

Für die gruppenführenden Vormänner wurden Zulagesätze eingeführt, die zu dem ihrem Beschäftigungsalter entsprechenden Staffellohnsatze hinzutreten.

Die Stückzeit wird dem jungen Arbeiter mit einem geringeren Lohnstaffelsatze als dem älteren Arbeiter bezahlt. Dabei ist es aber allen Arbeitern ermöglicht, den ihrem Staffelsatze entsprechenden Verdienst durch fleißige und geschickte Arbeit zu erhöhen. Leisten sie die Arbeit in kürzerer Zeit, als die festgesetzte Stückzeit beträgt, so erzielen sie Zeitgewinn, der ihnen nach ihrem Staffelsatze vergütet wird.

Ein nach den gleichen Grundsätzen eingerichtetes Stückzeitverfahren ist am 1. April 1914 für die Arbeiter aller übrigen Dienstzweige der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft und der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen eingeführt worden, soweit darin überhaupt Stückarbeiten vorkamen; es gilt dies namentlich für zusammenhängende Bahnunterhaltungs-, Güterboden- und Maschinenschuppenarbeiten.

Bei den österreichischen Staatsbahnen wird nach der Lohnordnung von 1913 zwischen ständigen, nicht ständigen und Aushilfsarbeitern unterschieden. Ständige Arbeiter sind jene, die dem Bedarfe der schwächsten Arbeitszeit des Jahres genügen. Nicht ständige Arbeiter sind jene, die für die Dauer größeren Arbeiterbedarfs zur Verstärkung der ständigen Arbeitsrotten aufgenommen werden; sie werden vor den ständigen Arbeitern von einer allfälligen Verminderung des Arbeiterstandes betroffen. Aushilfsarbeiter werden nur im Bau- und Bahnerhaltungsdienste für ganz bestimmte Zwecke, wie Schienenneulagen, Behebung von Elementarschäden, Schneeräumung u.s.w. aufgenommen.

Eine weitere Einteilung erfolgt nach Alter und Geschlecht, u.zw.: Erwachsene Arbeiter über 18 Jahre, jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren und weibliche Arbeiter.

Nach der Beschäftigung werden Arbeiter ohne Handwerk (Profession) von Handwerkern (Professionisten) unterschieden.

Die Arbeiter im Bahnerhaltungs- und Stationsdienst erhalten ausschließlich, jene im Werkstättendienst zumeist reinen Zeitlohn.

Die Anstellung der Arbeiter erfolgt mit dem Grundlohn oder Anfangslohn. Unter Grundlohn wird der für verschiedene Arbeitsgruppen festgesetzte Mindestlohn verstanden. Anfangslohn ist der dem einzelnen Arbeiter beim Eintritte individuell zugemessene Lohn. Der Grundlohn wird für die einzelnen Arbeitsorte oder Arbeitsstrecken festgesetzt und schwankt beispielsweise im Bereiche der Staatsbahndirektion Wien zwischen K 2∙40 und 3 K.

Handwerker erhalten bei der Aufnahme einen provisorischen Lohn, mindestens in der Höhe des Grundlohnes, und haben vor der Erreichung des endgültigen Anfangslohnes eine Probezeit von zwei Wochen bis zu 3 Monaten zurückzulegen. Der Lohn der Aushilfsarbeiter richtet sich lediglich nach Angebot und Nachfrage.

Für gewisse Beschäftigungen sowie besondere Arbeiten sind Lohnzuschläge vorgesehen, die den[127] vorgenannten Grundlöhnen entsprechend zwischen 10 und 40 h schwanken.

Der Lohn ist für eine tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden bemessen. Leistungen über dieses Maß hinaus werden in einzelnen Dienstzweigen besonders vergütet, wobei den Überstunden ein um 25% höherer Lohn zugrunde gelegt wird. Mit diesem Lohn werden auch Arbeiten an Sonn- und Festtagen vergütet. Der Lohn ist für einen bestimmten Ort bemessen. Wird ein Arbeiter außerhalb dieses Bereiches, in dem er ständig arbeitet, verwendet, so wird der Lohn je nach den Umständen um 25, 50, ja sogar 100% erhöht. Den ständigen Arbeitern mit 3–10jähriger Dienstzeit werden jährlich 3, jenen mit mehr als 10 Dienstjahren 6 Urlaubstage gewährt, an denen sie ihre normale volle Löhnung erhalten. Lohnvorrückungen erfolgen ausschließlich nur mit Halbjahrsbeginn, d.i. mit 1. Jänner und 1. Juli oder 26. Dezember und 26. Juni für die Arbeiter des Bahnerhaltungsdienstes. Ein Anspruch auf Lohnvorrückung besteht nicht, sie wird aber fast ausnahmslos gewährt und beträgt für im Taglohn stehende Arbeiter ohne Handwerk alle 3 Jahre 10 h, für Handwerker 20 h für den Tag.

Die Entlohnung der Werkstättenarbeiter erfolgt im allgemeinen gleichfalls nach der Lohnordnung vom Jahre 1913. Nur in den Werkstätten im Bereiche der letztverstaatlichten Bahnen (Nordbahn- und Nordwestbahndirektion, Direktion für die Linien der Staatseisenbahngesellschaft und böhmische Nordbahn) besteht Akkordentlohnung. In den Werkstätten der Direktion für die Linien der Staatseisenbahngesellschaft und der Nordwestbahn ist ein Stückpreisverfahren eingeführt. Bei ersterer werden die Einheitspreise erst nach längerer Beobachtungsdauer festgestellt, während welcher Zeit sie gleichsam als freie Vereinbarung zwischen Arbeitsnehmer und Werkstättenleitung als sog. 0-Akkorde (d.h. als noch nicht mit einer Nummer in das Akkordpreisverzeichnis aufgenommene) in vorläufiger Geltung stehen. Erst wenn mit der gebotenen Sicherheit ein Schluß auf die im Durchschnitt aufzuwendende Arbeitszeit gezogen werden kann, wird ein 0-Akkord als »feststehender« in das Akkord Preisverzeichnis aufgenommen. Nach dem Akkordsystem der Nordbahndirektion werden für Neuerzeugnisse, wie Dreharbeiten, Schmiedearbeiten u.s.w., fixe Stücklöhne, für Reparaturen und Montierungsarbeiten Pauschalakkorde bezahlt. Dabei ist den Akkordarbeitern in allen Fällen nicht etwa der Grundlohn, wie dies sonst bei Akkorden üblich ist, garantiert, sondern je nach der Wertschätzung der Arbeitsleistung der 1∙-, 1∙9-, 2- und 2∙1fache und für einzelne Arbeiter und Partien sogar der 2∙2fache Grundlohnverdienst. Allerdings sind die Grundlöhne niedrig (2–4 K) bemessen.

Literatur: W. Hoff, Das Stückzeitverfahren in den Werkstätten der preußisch-hessischen Staatseisenbahngemeinschaft. Ztg. d. VDEV. 1913, Nr. 12. – O. Riedel, Der Eisenbahner im Arbeitsverhältnis. Berlin 1913. – Stapff, Die neue Lohnordnung der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft. Ztg. d. VDEV. 1914, Nr. 9. (S.a. »Akkordlohn«.)

Hoff.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 124-128.
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