Akkordlohn

[112] Akkordlohn (pay by the piece; salaire à la pièce; cottimo), Stück- oder Werklohn, Entlohnung des Arbeiters nach der Arbeitsleistung, im Gegensatze zum Zeitlohn (Stunden-, Tag-, Wochenlohn), bei dem die Vergütung nach der Arbeitszeit ohne Rücksicht auf die geleistete Arbeitsmenge erfolgt.

Beim Zeitlohn ist der Verdienstbetrag gleich dem Produkt aus dem Lohnsatz für die Zeiteinheit und der zur Arbeit aufgewendeten Zeit. Hierbei hat der Arbeiter im allgemeinen keine Veranlassung, besonders angestrengt zu arbeiten, da er dadurch seinen Verdienst nicht aufbessert. Es ist allerdings unter einfachen Verhältnissen möglich, dem tüchtigeren und fleißigeren Arbeiter einen höheren Zeitlohn zu bewilligen, als seinen minder tüchtigen oder minder fleißigen Genossen. Dieses Auskunftsmittel versagt aber z.B. in großen Betrieben wegen der Schwierigkeit gerechter Abschätzung der Tüchtigkeit und des Fleißes vieler Arbeiter, ferner überall dort, wo die Arbeiterschaft stark wechselt u.s.w. Unter solchen Verhältnissen wird der Arbeiter seine Arbeitskraft zu schonen trachten, während dem Arbeitgeber an ihrer möglichsten Ausnutzung gelegen ist. Der Zeitlohn hat sich bis jetzt als vorherrschendes Lohnsystem in der Landwirtschaft erhalten.

Beim Stück- oder Werklohn wird der Widerstreit zwischen den Interessen des Arbeitgebers und jenen der Arbeitnehmer besser ausgeglichen. Die Zahlung seitens des Arbeitgebers steigt und fällt mit dem Wert der Leistungen der Arbeiter, die sich anderseits für erhöhte Anstrengung durch besseren Verdienst belohnt sehen. Dies weckt den Erwerbstrieb und hebt den Eifer des Arbeiters. Überall, wo es sich um zähl- und meßbare, gleichmäßig sich wiederholende Einzelleistungen handelt und wo im Gewicht, im Ausmaß und in der Zahl der gewonnenen, bearbeiteten oder beförderten Arbeitsstücke ein[112] Maßstab für die erfolgte Leistung liegt und eine Nachprüfung der fertigen Arbeit möglich ist, sind die Voraussetzungen zur Bezahlung nach der Leistung gegeben. Der Stück- oder Werklohn entstammt der Hausindustrie und der Bergarbeit. Im 19. Jahrhundert gewann er in der Großindustrie immer mehr Ausdehnung und herrscht in dieser gegenwärtig derart vor, daß nach Dr. E. Schwiedland in der Großindustrie jetzt 90% aller Arbeiten gegen Werklohn, nur 10% gegen Zeitlohn verrichtet werden.

Der Ermittlung des Stücklohnes liegt der durchschnittliche Satz des Zeitlohnes und die mittlere Zeitdauer, die ein Arbeiter mittlerer Leistungsfähigkeit bei mittlerem Fleiße für die Einzelleistung benötigt, zu gründe. Nötigenfalls wird zur Ermittlung des Stücklohnes eine Probearbeit vorgenommen. Der Vorteil für den fähigeren oder fleißigeren Arbeiter liegt darin, daß er in gleicher Zeit mehr Arbeitsstücke (Raum-, Gewichtseinheiten) fertigstellt und daher mehr verdient als der mindere Arbeiter. Eine Änderung der Stücklöhne hat nur dann zu erfolgen, wenn sich die Grundlagen der Preisermittlung wesentlich verschoben haben; so sollte beispielsweise eine Herabsetzung der Stücklöhne eintreten, wenn verbesserte Arbeitseinrichtungen (Werkzeuge, Arbeitsmaschinen) die Arbeit erleichtern oder beschleunigen; anderseits wird eine Erhöhung der ortsüblichen Zeitlöhne die Stücklöhne steigern.

Handelt es sich um Arbeiten, die ein einzelner Arbeiter allein besorgt, so spricht man von Einzelakkord. Bei größeren Arbeiten, die von einem Arbeiter nicht fertiggestellt werden können, sondern mehreren Arbeitern zu gemeinsamer Ausführung überwiesen werden müssen, liegt ein sogenannter Gruppenakkord vor. Der hierbei verdiente Betrag wird unter die einzelnen Arbeiter der Gruppe im Verhältnisse der Zeitlöhne der beteiligten Arbeiter verteilt. Die Leistungen jedes einzelnen werden am gerechtesten bezahlt, wenn zu einer Gruppe nur Arbeiter gleicher Leistungsfähigkeit vereint werden.

Die Beschleunigung der Arbeit sowie die daraus sich ergebende bessere Ausnützung der vorhandenen Anlagen und verhältnismäßige Verringerung der Regiekosten ist wohl der wichtigste Beweggrund für die Einführung des Stück- oder Werklohnes, wodurch oft die erzeugte Menge in der gegebenen Zeit verdoppelt wurde. Durch die Schnelligkeit der Arbeit wird aber ihre Güte gefährdet, weshalb Stück- oder Werklöhnung gemieden wird, wo es auf besondere, tadellose Leistung ankommt. In der Schwierigkeit einer gerechten Festsetzung der Stücklohnpreise, die vom Unternehmer häufig derart gedrückt wurden, daß der Arbeiter um die Prämie für besonderen Fleiß geprellt wurde, sieht Schmoller die Hauptursache, daß selbst sehr hochstehende Arbeiter den Stücklohn grundsätzlich und dauernd oder doch zeitweise bekämpft haben, wobei weiters behauptet wurde, daß der Stücklohn zu einer mißbräuchlichen Verbilligung der Arbeit führe, die Arbeitszeit verlängere, die Arbeit gefährlicher mache, die Zahl der Beschäftigungslosen vermehre, den geringeren Arbeitern die Arbeitsgelegenheit nehme, große Unterschiede im Verdienste der Arbeiter schaffe, daß er überhaupt die besondere Form der kapitalistischen Erzeugung sei. Trotzdem gibt auch Marx zu, daß der Stücklohn die Individualität, das Freiheitsgefühl, die Selbständigkeit und Selbstkontrolle der Arbeiter entwickle. Der Kampf der höherstehenden Arbeiter gegen eine gerecht gehandhabte Stücklohnverrechnung hat in den letzten Jahrzehnten sehr nachgelassen. Schloß vergleicht die Forderung einer allgemeinen Beseitigung der Stücklöhne mit der einer Aufhebung der Maschinenarbeit. Wörishoffer betont, daß der unbefangene deutsche Arbeiter überwiegend den höheren Verdienst des fleißigeren, begabteren und geschickteren Arbeiters als richtig und gerecht empfinde. Indem die Stücklöhnung die Leistung erhöht, erzieht sie zur wirksamen Arbeit und zur zweckmäßigen Ausgestaltung der Arbeitsweise des einzelnen Mannes. Schmoller sieht den Hauptwert des Stücklohnwesens darin, daß es teils durch Erziehung, teils durch Auslese wesentlich den neueren rührigen flinken Arbeiterschlag geschaffen hat, daß es im ganzen die Löhne und die Lebenshaltung gehoben hat, wenn es auch oft in mißbräuchlicher Anwendung zu ungesundem Oberarbeiten und zu Lohndruck geführt hat. Ein Mittel, den Nachteilen der Stücklöhnung vorzubeugen, sieht Schwiedland in der Verkürzung der Arbeitsdauer in dem Maße, als die Arbeitstunden wirksamer ausgenutzt werden, also einer Kürzung der Arbeitszeit. Auch können die Lohnsätze durch Verabredung der Arbeiter mit den Arbeitgebern in allen Betrieben derart bemessen werden, daß der Arbeiter auch bei halbwegs ruhiger Arbeit bestehen könne (Tarifvertrag). Anderseits glaubt man, dem Familienleben und der Gesundheit des Arbeiters mit Einführung des freien Sonnabend-Nachmittag einen größeren Nutzen zu erweisen, als mit der Kürzung der täglichen Arbeitszeit, und empfiehlt: angestrengte Arbeit, gründliche Erholung.

Die Ermittlung der Verdienstbeträge ist weder im Stücklohn noch im Zeitlohn in jeder Beziehung einwandfrei. In den letzten Jahren wurden daher verschiedene Prämienlohnsysteme [113] eingeführt, die die Vorteile der Stück- und Zeitlöhnung miteinander verschmelzen und dem Arbeiter einerseits eine sichere Mindesteinnahme und anderseits einen Mehrverdienst (Prämie) nach Fleiß und Anstrengung gewährleisten wollen. Den Arbeitern wird ein bestimmter Stunden- oder Taglohn, auch bei Lohnfortgewährung in Urlaubsfällen u. dgl. zugesichert; die Stückpreise werden aber so bemessen, daß flinke Arbeiter um etwa 25% mehr in einer Zeiteinheit zu verdienen vermögen. Bei einer anderen Prämienlöhnung wird dem Arbeiter neben dem Stücklohn noch ein Zuschlag gewährt, wenn er eine bestimmte Zeitersparnis erreicht. Diese Entlohnungsart ermöglicht dem Arbeitgeber in Fällen einer vorübergehenden Arbeitsanhäufung mit seinem gewöhnlichen Arbeiterstande das Auslangen zu finden. Nach Halsey wird dem Arbeiter ein Teil des Zeitlohnes, den er dem Arbeitgeber durch fleißige Arbeit erspart, vergütet. Nach Rowan wird der Verdienstbetrag für jede ersparte Stunde um 1/10 aufgebessert. Nach Roß wird für jede Arbeit ein Grundpreis festgestellt; es wird bloß der Zeitlohn ausbezahlt, sobald er höher als der Grundpreis ist; sonst erhält der Arbeiter den halben Unterschied zwischen Grundpreis und Zeitlohn als Prämie. Ähnliche Systeme sind die von Schiller, Emerson, Jacobs u.a.m.

Auch werden Zeit- und Stücklohn durch Prämien ergänzt, die für Ersparnisse an Arbeitsstoffen u. dgl. oder für sonstige besondere Erfolge ausgesetzt werden. S.Prämien (Ersparnisprämien).

Bei den Eisenbahnen wurde die Einführung der Arbeit nach Stück- oder Werklohn (Akkordarbeit, Verdingarbeit) in der mannigfaltigsten Weise und fast in allen Dienstzweigen versucht und ist vielfach auch beibehalten worden.

Beim Eisenbahnbau ist bei den meisten Arbeitsgattungen Akkordarbeit fast ausschließlich üblich, u. zw. fast immer als Gruppenakkord, den der Bauunternehmer (bei Regiebau der Bauherr) mit den Arbeitern schließt: z.B. bei Erd- und Felsarbeiten, Beton- und Mauerungsarbeiten, Sicherung der Böschungen und anderen Nebenarbeiten, bei Eisenkonstruktionen (Gruppenakkord nach der Zahl der Nieten) u.s.w.

Bei der Bahnunterhaltung eignen sich gewisse Oberbauarbeiten, dann die Erhaltung der Dächer, der Anstriche der Hochbauten u.s.w. zur Verdingung an Unternehmer und Handwerker. Ferner werden gewisse Oberbauarbeiten an kleine Unternehmer (»Akkordanten«) oder auch an Arbeiterrotten verdungen. Der VDEV. faßte im Jahre 1893 in Straßburg den Beschluß: »Die Verdingung der Oberbau-Erhaltungsarbeiten an Arbeiterrotten empfiehlt sich nur bei strenger Aufsicht- und Überwachung und auch nur für fest abgegrenzte Leistungen, die leicht überwacht, gemessen und verrechnet werden können, wie vollständige Gleisumbauten, Einzelauswechslungen von Schienen und Schwellen, Hebung längerer Gleisstrecken, Gewinnung, Beifuhr und Einbringen von Bettung, Abbinden und Legen von Weichen und Kreuzungen, Auf- und Abladen von Oberbauteilen. Bei allen nicht begrenzten Arbeiten verdient die Taglohnarbeit den Vorzug. Auf sehr verkehrsreichen Strecken und auf Bahnhöfen mit lebhaftem Verschiebedienste, wo häufige Störungen vorkommen, empfiehlt sich die Taglohnarbeit für alle Ausbesserungsarbeiten«. Auch die Technikerversammlung zu Straßburg 1910 kam auf Grund eines sehr eingehenden Berichtes zu einem ähnlichen Ergebnisse, wobei noch besonders hervorgehoben wurde, daß sich die Verdingung der regelmäßigen Gleisunterhaltung, also Anheben, seitliches Rücken, Unterstopfen der Schwellen, Wiedereinbringen der Bettung und ihre Entwässerung nicht empfehle, insbesondere nicht für Staatsbahn Verwaltungen, die den Schwankungen des Arbeitsmarktes nicht folgen und nicht am Anfange des Winters Arbeiterentlassungen in großer Zahl vornehmen können.

Im Zugförderungs- und Werkstättendienste ist die Stücklohnvergütung bei der Kohlenbewegung und beim Putzen der Lokomotiven eingeführt, insbesondere aber in den Haupt- und Nebenwerkstätten bei Herstellung von Ersatzstücken und Wiederherstellungs- und Ausbesserungsarbeiten an Lokomotiven und Wagen. In den Eisenbahnwerkstätten macht die Stücklohnarbeit nicht selten mehr als 75% der Gesamtarbeit aus. Bei gewissen Ausbesserungsarbeiten muß von der Vergebung im Stücklohn wegen Schwierigkeiten in der Feststellung des Preises abgesehen werden. Andere Ausbesserungen sind mit so vielen kleinen Arbeiten verbunden, daß ihre Vorschreibung allein schon viel Zeit erfordert, die der Werkmeister zweckmäßiger mit der Aufsicht und Übernahme der Arbeiten ausnutzen kann. Auch für besonders genaue Arbeiten, wie für jene der Werkzeugmacher, Feinmechaniker und Modelltischler wird besser der Zeitlohn gezahlt. Weit wichtiger als die eigentliche Stücklöhnung ist jedoch gegenwärtig im Zugförderungsdienste das Prämienwesen, s. Prämien (Ersparnisprämien).

Im Betriebsdienste ist die Verdingarbeit – vielfach in Verbindung mit Prämiensystemen – ebenfalls, jedoch nicht so allgemein wie in anderen Dienstzweigen eingeführt, weil man die[114] einzelnen Arbeiten nicht zu schätzen vermochte; weil man ferner fürchtete, daß die Betriebsicherheit dadurch gefährdet werden könne. Nur bei einzelnen Stations- und Abfertigungsarbeiten fand der Akkord größere Verbreitung, am meisten beim Verladen und Entladen der Stückgüter, weniger bei den Verschiebearbeiten, bei denen Prämien für besondere Leistungen vorkommen. Dagegen werden weniger wichtige Arbeiten vielfach an Unternehmer oder Bahnbedienstete verdungen. Die An- und Abfuhr der Güter wird in größeren Städten an Unternehmer (Rollfuhrunternehmer, Güterbeförderer) zu bestimmten Preisen vergeben, hauptsächlich um eine Stauung der Güter in den Schuppen zu vermeiden, die sich leicht ergibt, wenn die einzelnen Empfänger die Güter nicht sofort beziehen. Die Abfertigung und Besorgung des Gepäcks (Verwiegen, Bekleben, Verladen u. dgl. m.) wurde bestellten Unternehmern oder Bahnbediensteten verdungen. Verschiedene kleinere Arbeiten, wie das Reinigen der Diensträume, das Waschen der Handtücher werden meist verdungen, u. zw., wo es sich um umfangreiche Arbeiten handelt, an besondere Unternehmer, sonst meist an Frauen und Witwen von Bahnarbeitern. Ein Teil dieser Arbeiten ist bei den meisten Bahnverwaltungen des VDEV. verdungen; in manchen Fällen haben die Staatsbahnverwaltungen die bei den ehemaligen Privatbahnen bestandene Verdingung gewisser Arbeiten an eigene Bedienstete aufgegeben; dies geschah jedoch nicht so sehr aus wirtschaftlichen Gründen, als vielmehr deshalb, weil die besonderen sozialpolitischen Anforderungen, die an Staatsbetriebe gestellt werden, dies rätlich erscheinen ließen.


Eine umfassende Anwendung der Akkordarbeit war bei der Rheinischen Eisenbahn eingeführt, wobei man nach vielerlei Versuchen zu einem wirtschaftlich brauchbaren Systeme des A. gelangte. Im Jahre 1866 wurde nach Fenten ein Prämienakkordsystem für Wagenbewegung auf dem Zentral-Güterbahnhof Köln eingeführt. Es wurden aus den bisherigen Kosten an Maschinen (75 M. per Tag), Verschiebern, Pferden und Wagenschiebern die Kosten jeder Wagenbewegung auf 40 Pf. für den beladenen Wagen ermittelt und angenommen, daß der leere Wagen die Hälfte des beladenen koste. Jeder Wagen wurde sowohl in Ankunft als im Abgang in Anrechnung gebracht. Als zulässige Ausgabe wurde für den beladenen Wagen 36∙7 Pf., für den leeren 15 Pf. bestimmt. Von dem nach Abzug der Maschinenkosten und Löhne verbleibenden Reste wurden 40% an das Personal verteilt, 10% fielen in den Reservefonds für Ausfälle, Beschädigungen u.s.w. und 50% erhielt die Eisenbahn. Der Akkord wurde 1871 eingestellt, jedoch 1874 mit anderen Sätzen wieder aufgenommen. Gleichzeitig wurden in Köln auch Ladeprämien eingeführt. Die zulässige Ausgabe wurde mit 35 Pf. für eine Tonne Stückgutbewegung festgesetzt, wobei nur die Arbeiter, nicht die Beamten (Lademeister) eingerechnet wurden. Das Ladegut wurde einmal, das Umladegut doppelt in Anrechnung gebracht. Von den nach Abzug der Arbeitslöhne sich ergebenden Beträgen wurden 40% unter das Personal verteilt. Durch die gesteigerten Löhne und veränderten Arbeiterverhältnisse stieg in wenigen Jahren der Preis für die Güterbewegung von 35 Pf. auf 90 Pf., der Gewinnanteil von 40 auf 60%. Diese Akkorde fanden auf verschiedenen Stationen Nachahmung, häufig aber mit schlechterem Erfolg, da man bei der Feststellung der Akkordpreise die örtlichen Verhältnisse nicht genügend berücksichtigte. 1869 wurde in Köln eine Wagenausnutzungsprämie für eine durchschnittlich 30% übersteigende Ausnutzung der Tragfähigkeit der Stückgutwagen eingeführt. Von 1866–1869 erwuchs der Rheinischen Eisenbahn auf dem Zentral-Güterbahnhofe ein Reingewinn von 85.791 M. An Prämien waren gezahlt 65.190 M. Die Wagenausnutzung steigerte sich in kurzer Zeit von 30 auf 50% der Tragfähigkeit. Durch die hohen Prämien stellte sich der Lohn der Güterladearbeiter dem Lohn der industriellen Arbeiter annähernd gleich. Es bildete sich ein fester geschulter Arbeiterstamm, der befähigt und gewillt war, so gut als möglich zu arbeiten und Ladefehler, Beschädigungen u.s.w. zu vermeiden.

Diesen Vorteilen stellten sich folgende Nachteile gegenüber: Neben den Akkordarbeiten wurden Arbeiten im Taglohne ausgeführt, wodurch die Kontrolle über die Verwendung der Arbeiter unmöglich wurde. Ferner waren die Beamten an den Prämien beteiligt, aber ihre Gehälter kamen nicht auf den Akkord in Anrechnung. Dies führte zu dem Streben, Arbeiter durch Beamte (Lademeister, Aufseher etc.) zu ersetzen, so daß trotz der durch Verminderung der Arbeiterzahl scheinbar sich ergebenden Minderausgabe die Arbeiten teurer wurden. Der Hauptfehler aber lag darin, daß die Akkordsätze nicht nach einer Arbeitsleistung berechnet waren, die man billigerweise zu fordern berechtigt war, sondern daß die Sätze sich nach den bisherigen Ausgaben richteten. Bei der Wagenbewegung war irrtümlich angenommen, daß die Kosten im Verhältnis zur Wagenzahl steigen und fallen. Weiter war die Verteilung des Gewinnes für die Bediensteten schwer verständlich, was zu Mißtrauen Veranlassung gab.

Für ein brauchbares Akkordwesen ergaben sich nach Fenten folgende Grundsätze:

1. Die Akkordsätze müssen den billigen Anforderungen an die Leistungen der Arbeitskräfte entsprechen. Nur über das Maß billiger Anforderungen hinausgehende Leistungen dürfen prämiiert werden. 2. Die Akkordarbeit muß den Vorteil der Eisenbahn und jenen des Publikums gleichmäßig wahren. 3. Es darf unter keinen Umständen Taglohn und Akkord nebeneinander laufen. 4. Die Aufstellung der Leistungen und die Berechnung des Gewinnanteiles muß den Bediensteten verständlich sein. 5. Die Abrechnung muß in kurzen (monatlichen) Zeiträumen geschehen, damit das Interesse an der Arbeit stets rege gehalten werde. 6. Die Verrechnung muß einfach und sicher sein.

Die Akkordsätze wurden nun in der Weise ermittelt, daß man die Zeitwerte für die verschiedenen Arbeiten den örtlichen Verhältnissen entsprechend feststellte und den örtlichen Gehalt- und Lohnverhältnissen entsprechend in Geldwerte umsetzte. Taglohnarbeit neben Akkordarbeit war vermieden. Für die Folgen der Fehler und Versäumnisse hatte die Station aufzukommen. Die Rechnungen wurden monatlich durch die Station vorgelegt und noch im Laufe des Monats die Überschüsse ausbezahlt.

Dieses Akkordsystem hatte mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dagegen wurden hauptsächlich folgende Gründe laut:[115]

1. Die Arbeiten auf den Stationen seien so verschieden, daß eine richtige Schätzung nicht tunlich sei. 2. Die Beamten würden sich verlocken lassen, über ihre Kräfte zu arbeiten, sich Krankheiten zuziehen, ja sogar sich und ihre Untergebenen leichtsinnigerweise Gefahren aussetzen. 3. Das Personal auf den Stationen würde auf eine so geringe Zahl herabgedrückt, daß bei steigendem Verkehre, bei Erkrankungen etc. den Verwaltungen Verlegenheiten erwachsen können.

Dem ersten Einwurfe wurde dadurch Rechnung getragen, daß die örtlichen Verhältnisse genau berücksichtigt wurden. Die zweite Behauptung fand ihre Widerlegung in der Statistik über Erkrankungen und Verletzungen. Daß das Personal auf eine möglichst geringe Zahl herabgedrückt wird, ist Zweck des Systems. Verlegenheiten aber können dadurch den Verwaltungen nicht erwachsen, wenn für Vertretung bei Erkrankungen, Beurlaubungen, an Ruhetagen u.s.w., für den Ersatz abgehender Beamten und für die notwendige Personalvermehrung bei steigendem Verkehre zweckmäßig gesorgt wird.

Der Erfolg des Akkordwesens war für beide Teile befriedigend.

Die Akkordarbeit wurde nach der Verstaatlichung 1880 aufgehoben (nach Fenten).

Seither haben aber auch die preußischen Eisenbahnen wieder ähnliche Lohnsysteme für Güterbodenarbeiter eingeführt. Bei dem System mit abgestuftem, gewährleistetem Lohnsatz und gleichmäßiger Verteilung des Überschusses bilden die im Stücklohn arbeitenden Güterbodenarbeiter eine »Arbeitergemeinschaft«. Der Verdienst für die von den Mitgliedern ausgeführten Arbeiten wird der Gemeinschaft gutgeschrieben. Die Verteilung auf die einzelnen erfolgt dann derart, daß jeder Mitarbeiter zunächst als gewährleistetes Mindesteinkommen den ihm nach der Lohnordnung zustehenden Tagelohn erhält. Der nach Abzug des Gesamttagelohnverdienstes dann noch verbleibende Oberschuß wird auf die Mitglieder dann im Verhältnis der geleisteten Lohntagewerke gleichmäßig verteilt.

Weiter kommt auf Güterböden das alte Kölner Verfahren vor. Hierbei werden die Stückarbeiten wieder von der »Arbeitergemeinschaft« ausgeführt, an deren Spitze ein von der Eisenbahnverwaltung ernannter Obmann steht. Die Verwaltung teilt die Arbeiten in Gruppen ein und bestimmt die Gruppenführer. Für die Berechnung des Verdienstes ist der Begriff des »Leistungstagewerkes« eingeführt. Er bezeichnet das Produkt aus der Tonnenzahl der bewegten Güter und einem Zeitwert (Bruchteil von Tagewerken), der von der Eisenbahndirektion bei jeder Dienststelle besonders für die verschiedenen Beschäftigungsarten (Versand, Empfang, Umladung etc.) festgesetzt wird.

Bei dem sog. neuen Kölner Verfahren sind für die Stücklohnarbeit die Arbeiter in Gruppen eingeteilt. Dies erfolgt durch die Eisenbahnverwaltung, ebenso die Ernennung der Gruppenvorarbeiter. Wie in vorstehender Weise werden die »Leistungstagewerke« berechnet. Von diesen werden die wirklich geleisteten Arbeitstage abgezogen. Der Oberschuß, die »Mehrtagewerke« werden besonders vergütet, u. zw. erhält jeder Arbeiter für seine Mehrtagewerke den Durchschnittslohn vergütet, der von der Eisenbahnverwaltung zu Beginn des Etatsjahres allgemein festgesetzt wird.

Schließlich kommt noch das sog. Hamburger Verfahren vor. Hierbei bilden alle im Stücklohn beschäftigten Arbeiter eine Gesellschaft (BGB. § 705) unter dem Namen »Güterbodengemeinschaft«, an deren Spitze ein Vorstand (Obmann und Beisitzer) steht. Der Vorstand wird in einer Hauptversammlung gewählt. Die Arbeiter arbeiten in Gruppen unter je einem Vorarbeiter, der von dem Dienstvorsteher bestimmt wird. Der Gesamtverdienst der Gemeinschaft ermittelt sich aus den von der Verwaltung festgesetzten Stückpreisen und der Menge der bewegten Gütertonnen und wird auf die Mitglieder im Verhältnis der geleisteten Tagewerke verteilt. Die Gemeinschaft kann nach Bedarf Hilfsarbeiter (bis zu 1/3 der Mitgliederzahl) beschäftigen und hat sie selbständig zu lohnen (Schwarze).

Auch die Holländische Staatsbahn, die Niederländische Zentralbahn und die k. k. priv. Südbahn haben ähnliche Stationsakkorde eingeführt.

Literatur: G. Schmoller, Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, II. Teil, Leipzig 1904. – Marx, Kapital, I. Bd., 5. Aufl., 1903. – Schloß, Methods of industrial remuneration, 3. Aufl., 1898. – L. Bernhard, Handbuch der Löhnungsmethoden (Bearbeitung d. vor.), Leipzig 1906. – Dr. E. Schwiedland, Lohnformen und Lohnhöhe, Rundschau für Technik und Wirtschaft 1910. – B. Schwarze, Das Lohnwesen in amerikanischen Werkstätten, Glasers Annalen 1910. – Beschlüsse der Jahresversammlung des VDEV., Straßburg 1878 und der Technikerversammlung in Straßburg 1910. – Fenten, Wie ermittelt man die zur Güterbewegung auf den Güterschuppen erforderlichen Arbeitskräfte?, Zeitung des VDEV. 1904. – A. v. Löhr, Beteiligung des Personales am Geschäftsgewinn bei den Dänischen Staatsbahnen, Österr. Eisenbahnzeitung 1903, 1904, 1906. – Beteiligung des Personales der Italienischen Staatsbahnen an den Betriebsersparnissen, Österr. Eisenbahnzeitung 1910.

v. Enderes.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 112-116.
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