Mecklenburg-Schwerinsche Staatsbahn

[258] Mecklenburg-Schwerinsche Staatsbahn. (Großherzoglich Mecklenburgische Friedrich-Franz-Eisenbahn.)

Geschichtliches. Unterm 8. November 1841 wurde zwischen der preußischen, der dänischen, der mecklenburgischen Regierung und den Hansestädten Lübeck und Hamburg ein Staatsvertrag wegen Herstellung einer Eisenbahn zwischen Berlin und Hamburg abgeschlossen. Dänemark war an diesem Vertrag wegen des Herzogtums Lauenburg beteiligt. Von dem Aktienkapital übernahmen das Großherzogtum und Hamburg je 11/2, Mill. Taler. Die Berlin-Hamburger Bahn wurde 1846 eröffnet und erfuhr durch die 1873 eröffnete Nebenstrecke von Wittenberge über Dömitz in Mecklenburg nach Lüneburg eine Erweiterung. Durch Staatsvertrag vom 19. Dezember 1883 hat die mecklenburgische Regierung, die damals noch nicht im Besitz eigener Bahnen war, dem Übergang des Berlin-Hamburger Eisenbahnunternehmens in das Eigentum des preußischen Staates zugestimmt (vgl. den Art.: Berlin-Hamburger Eisenbahnen. Bd. II, S. 233 ff.).

Die Mecklenburgische Eisenbahn-Aktiengesellschaft, deren Statut unterm 10. März 1846 landesherrlich bestätigt worden ist, hat in den Jahren 1847–1850 die Bahnstrecke Hagenow-Schwerin-Bützow-Rostock mit Abzweigungen nach Wismar und nach Güstrow eröffnet. Es trat nunmehr ein längerer Stillstand in der Entwicklung der Eisenbahnen ein und erst in der ersten Hälfte der Sechzigerjahre schritt die großherzogliche Regierung dazu, auch den östlichen Teil des Großherzogtums an die bestehenden Bahnen anzuschließen. Es wurde die Strecke Güstrow-Neubrandenburg-Strasburg i. Uckermark gebaut, u.zw. als rein großherzogliche Bahn und zu Lasten der großherzoglichen Kasse, der Renterei. Ihr folgte Ende der Sechzigerjahre die Strecke Kleinen-Lübeck im nordwestlichen Teil des Großherzogtums. Als durch Vertrag vom 20. April 1870 die großherzogliche Regierung auch die mecklenburgische Bahn käuflich erwarb, befand sie sich im Besitz eines zusammenhängenden Eisenbahnnetzes von 322 km, das als »Großherzogliche Friedrich-Franz-Eisenbahn« von einer Direktion in Schwerin verwaltet wurde.

Dieser Zustand dauerte aber kaum 3 Jahre. Wirtschaftliche sowie andere besondere Umstände ließen eine Wiederveräußerung rätlich erscheinen.

Durch Vertrag vom 2. April 1873 gingen die Eisenbahnen auf die Mecklenburgische Friedrich-Franz-Eisenbahngesellschaft (Aktiengesellschaft) über.

Mit der sodann einsetzenden Gesundung und fortschreitenden Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse machte sich bald in den verschiedenen Teilen des Landes das Bedürfnis nach weiterem Ausbau des Eisenbahnnetzes geltend, so daß in rascher Folge eine größere Anzahl kleinerer, selbständiger Eisenbahnunternehmen entstand. Nicht zum wenigsten trug hierzu bei, daß den Unternehmern aus allgemeinen Landesmitteln eine nicht unerhebliche Beihilfe, im Durchschnitt 20.000 M. f. d. km und fast durchweg als verlorene Beiträge, zu den Herstellungskosten gewährt wurde.

Ende des Jahres 1889 gab es 9 verschiedene Unternehmungen. Die Unzuträglichkeiten, die sich aus solcher Zersplitterung ergaben, veranlaßten die großherzogliche Regierung, zur besseren Förderung der wirtschaftlichen und Verkehrsinteressen des Landes den Erwerb der einheimischen Privatbahnen für den Staat anzustreben. Der größere Teil der Bahnen ging 1890, der Rest 1894 in den Besitz der großherzoglichen Regierung über. – Der weitere Ausbau des Eisenbahnnetzes wurde unverzüglich in Angriff genommen.

Auch erfolgte 1903 die Eröffnung der in Gemeinschaft mit der königlich dänischen Staatseisenbahnverwaltung ins Leben gerufenen Dampffährenverbindung Warnemünde-Gjedser mit 4 Dampffähren, wodurch die Oberführung ganzer Eisenbahnzüge ermöglicht wurde.

Die Länge der Haupt- und Nebenbahnen betrug 1915 1093∙78 km, die der dem öffentlichen Verkehr dienenden, nebenbahnähnlichen Kleinbahnen 83∙61 km und die Länge der dem öffentlichen und nichtöffentlichen Verkehr dienenden Anschlußbahnen 38∙10 km, so daß sich die Gesamtlänge aller Bahnen auf 1215∙04 km stellt. Dazu kommt die vorerwähnte Eisenbahnfährlinie über die Ostsee[258] nach Gjedser mit 42 km Länge1. Von der mecklenburgischen Staatsbahn liegen im Gebiet des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz 88∙91 km, der Hansestadt Lübeck 9∙51 km und des Königreichs Preußen 1∙85 km.

Finanzielle Verhältnisse. Während die alte Großherzogliche Friedrich-Franz-Eisenbahn für Rechnung der rein landesherrlichen Kasse (der Renterei) gebaut oder erworben und auf deren Gefahr betrieben wurde, ist die Verstaatlichung in den Jahren 1900 und 1904 für Rechnung des Landes erfolgt. Demgemäß sind die für den Erwerb der Bahnen und ihren Ausbau erforderlich gewordenen und noch erforderlich werdenden Anleihen (insbesondere die mecklenburgischen Landeskonsols) auf den Kredit der Landessteuerkasse gegründet.

Das in dem mecklenburgischen Staatseisenbahnunternehmen angelegte Kapital belief sich am 31. März 1913 auf rd. 148,560.000 M., dem Eisenbahnschulden im Gesamtbetrag von rd. 99,050.000 M. (darunter 78,000.000 M. 31/2%ige Konsols) gegenüberstanden. Neben dem Anlagekapital kommen als Aktiva noch in Betracht ein von der Verwaltung aus eigenen Einnahmen angesammelter, in Wertpapieren festgelegter Sicherheitsfonds im Buchwert von 10,245.000 M. sowie ein Betriebsfonds von 1,540.000 M.


Die große Spannung zwischen dem Anlagekapital einschließlich der Fonds einerseits und der Eisenbahnkapitalschuld anderseits ist z. T. darauf zurückzuführen, daß das von den Privatbahnen übernommene und in der fortgeführten Statistik beibehaltene Anlagekapital um rd. 17,570.000 M. den bei der Verstaatlichung gezahlten Preis übertraf, zum größeren Teil aber darauf, daß die Staatseisenbahnverwaltung die von ihr erzielten Betriebsüberschüsse im wesentlichen zu ordentlichen und außerordentlichen Schuldabtragungen, zu erheblichen, das Anlagekapital erhöhenden Erweiterungen und Verbesserungen des Unternehmens sowie zur Ansammlung der genannten Fonds verwendet hat. Dazu kommt, daß zu den Kosten der neuerbauten Strecken nicht unwesentliche, die Eisenbahnverwaltung nicht belastende Beihilfen aus anderen öffentlichen Mitteln geleistet worden sind.


Vermögen und Etat der mecklenburgischen Staatseisenbahn sind von den sonstigen Etats der staatlichen Verwaltungen und ihrem Vermögen vollständig getrennt. Schon in den der Verstaatlichung voraufgegangenen Verhandlungen mit dem Landtag (den Ständen) wurde vereinbart, daß ein Sicherheitsfonds zu schaffen sei, aus dem Fehlbeträge auszugleichen seien, soweit zeitweilig die Jahreseinnahmen zur Bestreitung der Betriebsausgaben und der durch den Etat bewilligten einmaligen Ausgaben, der Verzinsung der jeweiligen Eisenbahnkapitalschuld sowie zur Zahlung der Annuität von 960.000 M. sich als unzureichend erweisen sollten.


Dem Sicherheitsfonds fließen neben seinen eigenen Zinsen zu: 50% des aus dem Abschluß der jährlichen Hauptrechnung sich ergebenden Überschusses und gegebenenfalls auch noch die anderen 50%, wenn und soweit sie nicht zur Befriedigung der Bedürfnisse des außerordentlichen Etats verwendet werden. Der Fonds soll bis zur Höhe von 10% der jeweiligen Eisenbahnkapitalschuld anwachsen, bis dahin sollten Verwendungen aus ihm nicht anders als zur Ausgleichung der vorangegebenen Jahresbedürfnisse stattfinden. Eine solche Ausgleichung ist bisher nicht erforderlich geworden, vielmehr hat der Fonds in stetigem Anwachsen bereits Ende März 1912 die festgesetzte Höhe nicht nur erreicht, sondern bereits überschritten, so daß seit dieser Zeit Zuwendungen an ihn bis auf weiteres nicht mehr stattfinden.


Im übrigen ist an dem ursprünglichen Abkommen zwischen der großherzoglichen Regierung und den Ständen, die Überschüsse der Eisenbahnverwaltung für andere Zweige der Landesverwaltung nicht in Anspruch zu nehmen, in jüngerer Zeit nicht mehr festgehalten worden. Die finanziell günstige Entwicklung der Staatseisenbahn und der Bedarf anderer Zweige der Staatsverwaltung hat dahin geführt, daß zurzeit jährlich 350.000 M. aus den Überschüssen der Eisenbahnverwaltung an die allgemeine Landessteuerkasse zur Befriedigunganderer Bedürfnisse abgeführt werden.

Bahnbeschreibung. Die erheblichsten Höhen liegen im östlichen Teil des Landes und es kommen dort auf der Hauptbahnstrecke Lübeck-Strasburg i. Uckermark als stärkste Steigung 1 : 100, auf der Nebenbahnstrecke Ludwigslust-Neubrandenburg als stärkste Steigung 1 : 70 vor.

Krümmungshalbmesser von nur 400 m kommen vereinzelt auf Nebenbahnen vor, auf der Hauptbahnstrecke Warnemünde-Neustrelitz findet sich eine Krümmung mit einem Halbmesser von 600 m. Im übrigen sind die Krümmungsverhältnisse nicht ungünstig.

Zweigleisig ausgebaut sind Strecken in einer Gesamtlänge von 134∙2 km.

Die größte Brücke ist die Warnowbrücke bei Niex mit einer Öffnung von 65 m und 2 Öffnungen von je 18 m Lichtweite.

Im ganzen bestehen 17 Anschlüsse, darunter 9 an das preußische Eisenbahnnetz, 1 durch die Dampffähren an die dänische Staatsbahn[259] 1 an die Lübeck-Büchener Bahn und die übrigen an kleinere Privat- und Kreisbahnen.

Verkehr. Die Verkehrsdichte ist nur mäßig. Mecklenburg ist in der Hauptsache ein Landwirtschaft treibendes Land. Größere industrielle Unternehmungen, soweit sie nicht mit der Land- und Forstwirtschaft zusammenhängen, sind nur wenige vorhanden.

In dem Rechnungsjahr 1. April 1912/31. März 1913 sind insgesamt auf den Haupt-, Neben- und Kleinbahnen 8,538.837 Personen befördert worden. Die Gepäckbeförderung belief sich auf 21.394 t.

Betriebsergebnisse. Die Gesamteinnahme des Eisenbahnbetriebs im Rechnungsjahre 1912/13 belief sich auf 22,902.168 M., davon kamen


auf den Personen- und
Gepäckverkehr9.722.834 M.
auf den Güterverkehr11,243.871 M.
auf sonstige Einnahmen1,935.463 M.
dazu kommt die Einnahme aus
dem Fährenverkehr649.219 M.
Einnahme der gesamten
Verwaltung23,551.387 M.
Die Ausgaben stellten sich
insgesamt auf17,501.465 M.
Überschuß 6,049.922 M.

Durch den Überschuß ist das durchschnittliche Anlagekapital des Rechnungsjahres mit 4∙12%, die noch bestehende Eisenbahnkapitalschuld aber mit 6∙16% verzinst worden. Diese Zahlen stellen sich auf 5∙01% und 7∙49%, wenn von den Betriebsausgaben die Beträge für erhebliche Erweiterungen und Neubeschaffungen abgesetzt werden.

Organisation der Verwaltung. Nach der Organisationsverordnung vom 29. Januar 1890 (mit Nachträgen) erfolgt die zentrale Verwaltung und Leitung der »Großherzoglichen Friedrich-Franz-Eisenbahn« unter der Oberaufsicht des großherzoglichen Ministeriums des Innern durch die großherzogliche Generaldirektion.

Zur beirätlichen Mitwirkung in Eisenbahnverkehrsfragen ist ein Landeseisenbahnrat errichtet (s. Beiräte).

Für die Zwecke der Bahnunterhaltung ist die Bahn in 7 Bauinspektionen, denen höhere Techniker vorstehen, eingeteilt.

Die Aufsicht über das Maschinenwesen liegt der Maschineninspektion ob, der 3 Hauptreparaturwerkstätten unterstellt sind. Für die Überwachung des äußeren Betriebsdienstes besteht ein Betriebstechnisches Bureau.

Personal. Die Zahl der Beamten betrug Ende März 1913 2880, die Zahl der ständigen Arbeiter belief sich auf 3433. Die Verhältnisse der Beamten sind im wesentlichsten durch die Verwaltungsorganisation und durch das Gesetz, betreffend das Disziplinarverfahren gegen Be amte und ihre Versetzung in den Ruhestand vom 29. April 1909, geregelt (vgl. Ztg. d. VDEV. 1915, Nr. 40).

Ehlers.

1

Auch die kgl. preußische Staatseisenbahnverwaltung hat nach dem Ankauf der Berlin-Hamburger Bahn ihren Eisenbahnbesitz innerhalb des Großherzogtums auf Grund von mit der großherzoglichen Regierung abgeschlossenen Staatsverträgen erweitert, u.zw. durch Erbauung der Bahn von Hagenow über Wittenburg bis zur Landesgrenze und von Rostock über Ribnitz bis zur Landesgrenze. Die großherzogliche Regierung hat sich den Ankauf dieser beiden Bahnstrecken vorbehalten. Die Gesamtlänge der dem preußischen Staat gehörigen, im Großherzogtum gelegenen Bahnen beträgt 157∙93 km.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 258-260.
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