Mexiko

[269] Mexiko. (Eisenbahnen.) Die Vereinigten Staaten von Mexiko grenzen im Norden an die Vereinigten Staaten von Amerika, im Süden an die mittelamerikanischen Republiken, im Osten an den mexikanischen Meerbusen, im Westen an den Stillen Ozean, sie haben einen Flächeninhalt von rd. 1,987.000 km2 und etwa 14 Mill. Einwohner.


Die Verfassung des Bundesstaates ist der der Vereinigten Staaten von Amerika nachgebildet. Er ist in 27 Staaten, darunter 2 Territorien und einen Bundesdistrikt eingeteilt.


Ein großer Teil des Landes ist ein hohes, von 2 mächtigen Gebirgen durchzogenes Tafelland, es ist reich an wertvollen Mineralien (Gold, Silber, Kupfer), in den Gebieten der subtropischen und der tropischen Zone gedeihen Tabak, Zuckerrohr, Baumwolle, Kautschuk und andere Handelsgewächse, in einzelnen Gebieten auch kostbare Bau- und Nutzhölzer. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und auch der Bau von Eisenbahnen haben früher stark gelitten unter den unruhigen politischen Verhältnissen. Während der Präsidentschaft von Porfirio Diaz (1884–1912) trat eine Beruhigung und damit eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ein, der Wohlstand des Landes hob sich und der Präsident förderte auch den Ausbau des Eisenbahnnetzes. Nach seiner Abdankung sind erneute politische Unruhen entstanden. In die Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Parteien haben die Vereinigten Staaten von Amerika eingegriffen und die Zukunft des Landes ist aufs neue unsicher geworden. Die wirtschaftliche Lage hat sich unter diesen Verhältnissen wesentlich verschlechtert und die bis dahin gesunden Finanzen sind derartig erschüttert, daß im Juli 1914 die Zinsen für die Staatsanleihen nicht mehr gezahlt werden konnten und damit der Staatsbankerott eingetreten ist. Welchen Einfluß dies auf die Entwicklung und den Bestand der Eisenbahnen haben wird, läßt sich einstweilen nicht übersehen.

Die erste Eisenbahn (von Veracruz nach Medellin, 11 km) wurde 1850 eröffnet, im Jahre 1880 waren erst 1120 km vorhanden. Von da an beginnt allmählich ein kräftiger Aufschwung, der auch darauf zurückzuführen ist, daß die Nordamerikaner bedeutende Gelder für den Bau von Eisenbahnen in Mexiko anlegten, wodurch sie sich einen wirtschaftlichen und politischen Einfluß auf das Nachbarland erwerben wollten. Der Umfang der Eisenbahnen betrug 1890: 9800 km, 1900: 14.573 km, 1910: 24.559 km, 1911: 24.717 km und Ende 1912: 25.492 km, wovon 20.447 km von der Bundesregierung konzessioniert, die übrigen kleinere Neben- und Kleinbahnen sind.

Das Eisenbahnwesen in Mexiko ist geregelt durch das Ges. vom 29. April 1899 (in Kraft getreten am 13. Mai 1899) über die Eisenbahnunternehmungen1.

Die wichtigsten Bestimmungen dieses Gesetzes sind folgende:


Die Bahnen zerfallen in 2 Klassen, in Hauptbahnen und in Nebenbahnen. Hauptbahnen sind solche, die 2 oder mehrere Staaten oder den Bundesdistrikt oder ein Territorium mit einem oder mehreren Staaten verbinden, ferner solche, die einen[269] Hafen, einen sonstigen Punkt an der Meeresküste oder die Bundesgrenze berühren oder innerhalb einer Entfernung von 100 km von der Bundesgrenze liegen. Diese Bahnen zerfallen in solche erster und zweiter Ordnung. Zu welcher Ordnung die Bahnen gehören, bestimmt der Minister der öffentlichen Arbeiten. Nebenbahnen sind solche, die 2 oder mehr Städte eines Staates oder eines Territoriums oder des Bundesdistrikts verbinden, oder Bahnen rein örtlicher Bedeutung innerhalb eines Staates.

Die Konzession wird vom Minister der öffentlichen Arbeiten erteilt. Sie muß alle wesentlichen auch sonst in Eisenbahnkonzessionen vorkommenden Bestimmungen enthalten, wird in dem Amtsblatt veröffentlicht und gewährt das Recht, die Bahn zu bauen, Telegraphen- und Fernsprechanlagen für Bahnzwecke herzustellen und diese während der Dauer der Konzession zu betreiben. Bei Erteilung der Konzession ist eine Kaution von je nachdem 150 oder 200 Dollar f. d. km zu hinterlegen. Die Konzession wird auf höchstens 99 Jahre erteilt. Nach ihrem Ablauf fällt die Bahn nebst Zubehör unentgeltlich in das Eigentum des Bundes gegen Zahlung des durch Sachverständige zu ermittelnden Wertes des Inventars und der Betriebsmittel.

Sehr eingehende Bestimmungen enthält das Gesetz über den Verfall der Konzession und das dabei einzuhaltende Verfahren.

In der Konzession werden die Höchstsätze für die Beförderung von Personen, Gepäck, Expreßgut und gewöhnliches Frachtgut sowie für Benutzung des Bahntelegraphs und für Benutzung des Bahnkörpers durch andere Eisenbahngesellschaften festgestellt. Weitere allgemeine Tarifbestimmungen enthält das Gesetz selbst. Die Tarife sind durchweg Kilometertarife. Für die Personenbeförderung bestehen 3 Klassen. Die Höhe der Tarife ist alle 3 Jahre vom Minister der öffentlichen Arbeiten nachzuprüfen. Er kann ihre Herabsetzung bis um 10% verlangen, muß aber dann der Bahn eine Vermehrung der Einnahmen verbürgen, die im Durchschnitt der letzten 5 Jahre erzielt sind. Die Einteilung der Güter in verschiedene Klassen und die allgemeinen Beförderungsbedingungen sind vom Minister zu genehmigen. Der Staat kann für gewisse öffentliche Zwecke sowie für die Beförderung von Truppen und Militärgut ermäßigte Tarife verlangen; auch sind die Postsachen und die Postbediensteten frei zu befördern.

Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz werden mit Gefängnis oder mit Geldbußen von 20 bis 2000 Dollar bestraft. Streitigkeiten über Auslegung der Konzessionen sowie über Erfüllung der den Bahnen obliegenden Verpflichtungen werden im ordentlichen Rechtsweg entschieden.

Die Eisenbahngesellschaften, einerlei ob sie in Mexiko oder im Ausland ihren Sitz haben, unterliegen den mexikanischen Gesetzen und der Aufsicht des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten.


Der Zweck dieses Gesetzes war u.a., dem Staate die nötigen Befugnisse zur Wahrung der öffentlichen Interessen auch solchen Bahnen gegenüber zu geben, die mit Hilfe von ausländischem, d.h. hauptsächlich amerikanischem Kapital gebaut waren, und tunlichst zu verhüten, daß der allgemeine Verkehr nach dem Interesse der amerikanischen Geldgeber, von denen die meisten auch in den Vereinigten Staaten im Eisenbahnwesen eine entscheidende Rolle spielten, beherrscht werde.

Dieser Zweck scheint durch das Gesetz nicht voll erreicht zu sein. Der Präsident Porfirio Diaz suchte daher nach anderen Mitteln, um den Einfluß des Staates gegenüber den Eisenbahnen zu stärken. Einen Ankauf der wichtigsten Eisenbahnen durch den Staat und Einführung des Staatsbetriebs scheint er – vielleicht auch mit Rücksicht auf die Finanzen des Landes – nicht für durchführbar erachtet zu haben. Der Staat setzte sich daher einstweilen in den Besitz der Mehrzahl der Aktien einer der größten Bahn, der Mexican Central-Eisenbahn. Durch Vereinigung dieser Bahn mit der Gesellschaft der National Railroads of Mexico nach dem Ges. vom 26. Juni 1906 wurde dann am 28. März 1908 eine neue große Gesellschaft gebildet, die National Railways of Mexico (Ferrocariles Nacionales de Mejico). Diese erhielt das Recht, weitere Bahnen zu kaufen oder in Betrieb zu nehmen. Sie betreibt jetzt ein geschlossenes, alle größeren Verkehrsmittelpunkte des Binnenlandes und die wichtigsten Hafenplätze berührendes Netz von 11.328 km Eisenbahnen, d. s. mehr als die Hälfte der Hauptbahnen. Hierzu kommen noch eine Reihe anderer Eisenbahnen, über die durch Unterstützung der Regierung, durch Erwerb von Aktien durch den Staat u.s.w. die Staatsregierung einen entscheidenden Einfluß ausübt, u.a. rund 1700 km schmalspuriger Bahnen, die dem Staat gehörige 306 km lange Tehuantepec National Railway von Puerto Mexico nach Salina Cruz. Die Gesamtlänge der auf diese Weise vom Staate beherrschten Eisenbahnen wird auf 12.654 km (Ende 1912) geschätzt. An staatlichen Unterstützungen sind den Eisenbahnen insgesamt rund 1631/2 Mill. Dollar gewährt worden2.

Das Anlagekapital der National Railways of Mexico besteht aus gewöhnlichen und Vorzugsaktien sowie aus verschiedenen Obligationen. Von den gewöhnlichen Aktien im Betrage von 74,803.467 Dollar besitzt der Staat 74,771.167 Dollar, von den ersten Vorzugsaktien im Betrage von 28∙831 Mill. Dollar 10 Mill., von den zweiten Vorzugsaktien im Betrage von 120∙349 Mill. Dollar die Summe von 30∙278 Mill. Dollar, also von dem gesamten Aktienkapital von rund 224 Mill. Dollar den Betrag von 115 Mill., d.h. weit mehr als die Hälfte, womit er die Bahn vollständig beherrscht. Von den General mortgage bonds und den Prior lien bonds sind nur geringe Beträge im Besitz des Staates.[270]

Es betrugen im Jahre 1912/13


die Einnahmen57,370.281 Dollar
die Ausgaben36,243.447 Dollar
der Überschuß21,126.834 Dollar

Dieses in sich geschlossene Eisenbahnnetz ist das bei weitem bedeutendste von Mexiko und es übt einen starken Einfluß aus auf die übrigen Bahnen, von denen die folgenden größeren, deren Werte z. T. auch in europäischen Händen sind, erwähnt werden mögen:


Die Interoceanic Railway of Mexico, zwischen Acapulco und Veracruz, einschließlich der gepachteten Linien 1698 km lang. Sie ist im Jahre 1888 begründet und wird von der Gesellschaft der National Railways of Mexico betrieben. Ihre Einnahmen betrugen 1913: 9,121.389 Dollar, ihre Ausgaben 5,866.027 Dollar.

Die Mexican Railway Company lim., 602 km lang, gegründet im Jahre 1864. Ihre Hauptstrecke (423 km) verbindet die Hauptstadt Mexiko mit dem wichtigsten Hafenplatz Veracruz. Die Einnahmen betrugen 1912: 8,715.018 Dollar, die Ausgaben 4,028.414 Dollar.

Die Mexican Northwestern-Eisenbahn von Juarez nach Tabalaoca (566 km), mit zwei kleinen Zweigbahnen im Gesamtumfang 33 km, die 1909 gegründet ist.

Die United Railroads of Yucatan, 814 km, die gebildet sind durch Zusammenschluß einer größeren Zahl kleiner Industrie- und Hafenbahnen im Staate Yucatan.

Die Southern Pacific Railway of Mexico, die 1909 an ein amerikanisches Konsortium konzessioniert und durch Zusammenlegung einer Anzahl kleinerer Bahnen gebildet ist. Sie schließt an die Southern Pacific-Bahn der Vereinigten Staaten an (s.d.), die ihr ganzes Aktienkapital von 75 Mill. Dollar besitzt. Die Hauptstrecke der Bahn (1302 km) geht von Empalone nach Guadalagara. Eine Anzahl Zweigbahnen haben eine Länge von 1113 km, das Gesamtnetz also 2415 km, wovon 1913 erst 1591 km fertiggestellt und im Betrieb waren.


Die übrigen Eisenbahnen von Mexiko sind Nebenbahnen, Kleinbahnen, Privatanschlußbahnen von geringem Umfang.

Eine vollständige Statistik über die Eisenbahnen von Mexiko gibt es nicht und über die Finanz- und Verkehrsverhältnisse gelangen nur spärliche Nachrichten in die Öffentlichkeit.

Literatur: Kupka, Die Eisenbahnen Mexikos. Arch. f. Ebw. 1908, S. 305 ff. – Russell, The seven Kings in Mexiko, in der Zeitschrift: Cosmopolitan, Juli 1907, S. 271 ff. Reseña condensada de los ferrocariles de los Estades Unides Mejicanos, 21. Dez. 1909, mit einer Karte. (Bericht dem 8. internationalen Eisenbahnkongreß im Juli 1910 vorgelegt.) Mejico 1910.

v. der Leyen.

1

Ein Auszug aus dem Gesetz (in deutscher Sprache) ist abgedruckt im Arch. f. Ebw. 1904, S. 758 ff.

2

Vgl. hierüber die amtliche englische Veröffentlichung: State Railways (British possessions and foreign countries) Nr. 287 vom 12. August 1913.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 269-271.
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Faksimiles:
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