[197] Viehhöfe (cattle-yards; cours aux bestiaux; recinti pel bestiame), eingefriedete Plätze, die in Verbindung mit Laderampen und Gleisanlagen zur Ein- und Ausladung sowie zur vorübergehenden Unterbringung der mittels Eisenbahn ankommenden oder abzusendenden Tiere dienen.
I. Allgemeine Anordnung, Vorschriften.
Die V. sind, sofern sie nicht als selbständige Viehbahnhöfe (s.u.) ausgeführt werden, so anzulegen, daß der Verkehr der Tiere den übrigen Verkehr möglichst wenig stört. Unter Umständen empfiehlt sich die Anlage besonderer Wege für den Tierverkehr (Triftstraßen).
Die V. können in Schienenhöhe oder in Höhe der Fußböden der Güterwagen angelegt werden; die letztere Anordnung besitzt den Vorteil, daß die Tiere, ohne eine Rampe überschreiten zu müssen, unmittelbar in den V. bzw. in den Güterwagen getrieben werden können. Liegt der V. tiefer, so werden Rampen notwendig, denen eine möglichst flache Neigung zu geben ist.
Hierüber bestimmen die technischen Vereinbarungen des VDEV. vom Jahre 1909 für den Bau und die Betriebseinrichtungen der Haupt- und Nebenbahnen in § 55 (Laderampen) folgendes:
1. Bei Hauptbahnen: »Laderampen sind an Nebengleisen 1000 mm«, bei Nebenbahnen: »Laderampen sind den örtlichen Bedürfnissen entsprechend an Nebengleisen 1100 mm oder 1000 mm hoch über Schienenoberkante und tunlichst so anzulegen, daß von der Stirn- und von der Langseite aus verladen werden kann. Die Auffahrten erhalten zweckmäßig eine Neigung von 1 : 20, höchstens von 1 : 12.
2. Bei Stirnrampen wird zur leichteren Verladung über die Puffer hinweg die Erhöhung der Stirnmauer auf 1235 mm empfohlen.
3. Auch bewegliche Rampen sind zu empfehlen.«
Die Grundzüge des VDEV. vom Jahre 1909 für den Bau und die Betriebseinrichtungen der Lokalbahnen enthalten in § 38 (Laderampen) folgende Bestimmungen:
»1. Feste Laderampen sind bei vollspurigen Bahnen, auf welche Wagen der Hauptbahn übergehen, den örtlichen Bedürfnissen entsprechend, 1100 mm oder 1000 mm über Schienenoberkante anzulegen; bei ausschließlicher Verwendung eigenartiger Fahrzeuge und bei Schmalspurbahnen sind sie der Höhe der Wagenfußböden anzupassen.
2. Im ersteren Falle wird bei Stirnrampen zur leichteren Verladung über die Puffer hinweg die Erhöhung der Stirnmauer auf 1235 mm empfohlen.
3. Bewegliche Rampen werden empfohlen.«
Die vom Bundesrat für das Deutsche Reich erlassenen »Bestimmungen über die Verladung und Beförderung von lebenden Tieren auf Eisenbahnen« vom Jahre 1879 schreiben im besonderen vor, daß die Bahnhöfe, auf denen Vieh verladen werden soll, mit Vorrichtungen (Rampen) versehen sein müssen, die ein unmittelbares Verladen aus jedem und in jeden[197] Wagenraum derart gestatten, daß die Verladung sowohl von der Stirn- als auch von der Langseite des Wagens erfolgen kann. Die Oberfläche der festen Rampen darf keine stärkere Neigung als 1 : 8, diejenige der beweglichen Vorrichtungen keine stärkere als 1 : 3 erhalten. Die Brücken zum Oberladen zwischen Rampe und Wagen (aus Holz oder Eisen) müssen eine hinreichende Breite haben und beim Verladen von Kleinvieh an den Seiten mit Einfriedungen versehen sein, die gegen ein seitliches Abdrängen der Tiere Schutz gewähren. Auf Bahnhöfen mit regelmäßigem größeren Viehversand sowie auf den Tränkestationen oder in deren Nähe sind von den Bahnverwaltungen zur vorübergehenden Unterbringung des Viehs eingefriedete und überdachte Räume (Buchten, Bansen) herzustellen und mit Brunnen oder einer Wasserleitung sowie mit Vorrichtungen zu versehen, die das Füttern und Tränken der Tiere ermöglichen. Die Räume sind zur Trennung der Tiere verschiedener Gattungen, bzw. des Großviehs und des Kleinviehs in kleinere Abteilungen zu teilen. Der Fußboden muß so beschaffen sein, daß seine ordnungsmäßige Reinigung möglich ist.
Über die besondere Anordnung der Viehverladevorrichtungen, die je nach der Größe des Verkehrs sich von einer beweglichen hölzernen Rampe oder einer kleinen für einen Güterwagen ausreichenden festen Rampe zu größeren Viehbahnhöfen ausdehnen können, sind allgemein gültige Bestimmungen für das Deutsche Reich nicht getroffen, bis auf folgende Bestimmungen des § 24 der EBBO. vom Jahre 1904:
»1. Bahnhöfe, wo Tiere oder Fahrzeuge in größerem Umfang zu verladen sind, müssen mit festen Rampen ausgerüstet werden. Für geringen Verkehr genügen bewegliche Rampen ....« »3. Seitenrampen dürfen nicht höher als 1∙1 m und, wenn sie auch zur Verladung von Mannschaften benutzt werden müssen, nicht höher als 1∙0 m über Schienenoberkante sein.«
II. Bauliche Ausbildung.
a) Kleine und mittlere Anlagen.
Bei geringem Verkehr genügen bewegliche Rampen, d.h. tragbare oder besser fahrbare, mit Geländer versehene Ladebrücken nach Abb. 78. Vereinzelt wird auch Vieh ganz ohne Rampe verladen, wenn es auf Fuhrwerken herangeschafft wird; diese fahren mit ihrem Hinterende gegen die Langseite des Güterwagens und das Vieh geht über die wie eine Klappbrücke herabgelassene Hinterwand des Fuhrwerks.
In der Regel verwendet man feste Rampen aus Holz oder Stein. Sie werden häufig nach Abb. 79 angeordnet, wobei das Vieh über die Auffahrten an den Enden der Rampe getrieben wird. Oder die Rampe erhält einen Querschnitt nach Abb. 80.
Zur Beladung oder Entladung von mehrgeschossigen Wagen stellt man entweder eine bewegliche Rampe auf eine feste, wobei dann die feste eine obere Breite von mindestens 8 m haben sollte; oder die festen Rampen erhalten nebeneinander 2 Plattformen von entsprechender Höhenlage (Abb. 81). Die beweglichen Rampen haben zweckmäßig eine Länge von 3∙64 m, eine obere Breite von 1∙2 m, eine untere von 1∙6 m und sind mit einer Einfriedung auszurüsten. Für regelmäßigen größeren Viehversand sind Buchten oder Bansen erforderlich, um die Tiere bis zum Bereitstellen der Güterwagen bzw. bis zu ihrem Abtreiben vom Bahnhof unterbringen zu können. Die Buchten können auf der Rampenplattform, auf der Neigung oder am Fuß der Rampe angebracht werden. Welche Anordnung zu wählen ist, hängt im wesentlichen davon ab, ob und inwieweit die Rampe auch für andere Zwecke benutzt werden soll, auch davon, ob die Tiere kürzere oder längere Zeit in den Buchten verbleiben müssen. Im ersten Fall können die Buchten bis an die Kante der Rampe reichen (Abb. 82), wobei dann die gleisseitigen Einfriedungen herausnehmbar sein müssen. Diese Form eignet sich besonders für die Verladung von Kleinvieh. Oder die Buchten liegen ein Stück von der Kante entfernt (Abb. 83), dann bedarf es gegen das Entweichen der Tiere besonderer Hürden a, b. Schon diese Anordnung bietet den Vorteil, daß die Rampe auch für andere Zwecke verwendbar ist. Abb. 84[198] zeigt eine Ausbildung dieser Form für größeren Verkehr mit Gleisen auf beiden Rampenlangseiten und dem Zuweg an der Kurzseite. Befinden sich die Buchten auf der Neigung einer Rampe nach Abb. 80, so darf diese nicht steiler als 1 : 25 sein, um den Tieren das Stehen auf ihr nicht zu sehr zu erschweren.
Eine besonders zweckmäßige Anordnung zeigt Abb. 85 mit Buchten A, B, C, D, unmittelbar an der Rampenseite und Möglichkeit der Kopf- und Seitenverladung. Sollen Rampen regelmäßig auch dem Verladen von Gütern dienen, so rückt man die Buchten am besten ein Stück von ihrem Fuß ab, um den Verkehr der Güter nicht zu behindern.
Für die Bemessung der Rampenlängen ist die Zahl der gleichzeitig zu behandelnden Wagen und für diese wiederum nicht der Durchschnittsverkehr, sondern der stärkste Verkehr an einem Tage maßgebend, wobei die Viehmarkttage zu berücksichtigen sind. An Orten, wo regelmäßig große Viehmärkte stattfinden und auf Tränkestationen müssen die Rampen Viehzuglänge (375400 m) besitzen und tunlichst so gelegen sein, daß die Züge unmittelbar vorfahren können. Aus der Zahl des stärksten Verkehrs (Stückzahl) und den mittleren Ladeziffern (Stück je Wagen) für die einzelnen Vieharten kann man die Zahl der zu behandelnden Wagen überschläglich ermitteln. Nicht in allen Fällen braucht diese Wagenanzahl gleichzeitig an der Rampe Platz zu finden, sondern je nach der zur Verfügung stehenden Zeit, z.B. vom Ende des Viehmarkts bis zur Abfahrt des Zuges, können die Wagen in mehreren Gruppen gestellt werden. Als Anhalt für derartige Berechnungen kann die nachstehende Tafel dienen, wobei zu beachten ist, daß die Belade- und Entladedauer von Wagengruppen oder ganzen Zügen nicht gleich dem entsprechenden Vielfachen der Dauer für eine Wagenladung, sondern je nach der Stärke des Ladepersonals nur etwa 2080% dieses Betrages ausmachen wird. Für ganze Züge rechne man bei Großvieh mit 23, bei Kleinvieh mit 34 Stunden Entlade- bzw. Beladedauer. Zu der reinen Belade- und Entladedauer einer Wagengruppe ist dann noch ein Zuschlag von 515 Minuten für die Auswechslung der beladenen bzw. entladenen Gruppe gegen die nächste zu behandelnde Gruppe hinzuzurechnen. Für die Ermöglichung solcher Auswechslungen sind besondere Wechselgleise[199] in unmittelbarer Nähe der Rampe vorzusehen.
Die Oberflächen der steinernen Rampen sind völlig undurchlässig mit Steinen oder Klinkern mit Asphaltverguß in Gefälle zu pflastern und mit Einfallschächten zu versehen. Auf den geneigten Flächen sind Fugen quer zur Gehrichtung der Tiere vorzusehen, um diesen besseren Halt zu gewähren. Aus demselben Grunde sind auf den geneigten Teilen hölzerner Rampen in zweckentsprechenden Abständen schmale halbrunde Leisten aufzunageln.
Zur Ausrüstung der Buchten gehören die etwa 1∙4 m hohen Einfriedungen, für Großvieh lediglich aus Pfosten mit Holmen, für Kleinvieh aus Lattenwerk oder Drahtgeflecht bestehend, die Tore bei Großvieh in der Mitte der Wand, bei Kleinvieh zur Erleichterung des Hinaustreibens in den Ecken der Buchten. Zur Aufnahme des Futters und des Wassers (aus besonderen Brunnen oder Zapfständern) sind erhöhte Tröge vorzusehen. Für gute Entwässerung des völlig undurchlässig und in Neigung herzustellenden Buchtenfußbodens in Einfallschächte ist zu sorgen.
Die Größe der Buchten richtet sich nach der Art und Zahl der unterzubringenden Tiere. Rinder und Pferde werden stückweise angebunden, Kleinvieh in den Buchten frei beweglich gelassen. Die Rinderbuchten sollten eine Breite von 7 m erhalten, wobei auf jeder Seite eine Reihe Tiere Platz findet und zwischen diesen noch ein freier Gang verbleibt. Die Anbinderinge sind in Abständen von 1∙0 m anzubringen. Kleinviehbuchten erhalten die verschiedensten Grundrißformen, Gänsebuchten meist eine solche Grundfläche, daß sie eine ganze Wagenladung (rund 1000, auch 1200 Stück) aufnehmen können. Bei großen Anlagen liegen neben den Gänsebuchten besondere Gänsebäder. Schon bei mittelgroßen Anlagen werden meist besondere Futter- und Heurampen sowie Entseuchungs- oder Waschgleise in der Nähe der V. sowie besondere Dunggruben und Ladebühnen zur Verladung des Dunges vorgesehen (s. hierüber auch b) Große Anlagen). Von diesen wird der Dung mit Eisenbahn oder Landfuhrwerk abgefahren. Ein Beispiel für eine mittlere Anlage zeigen Abb. 86 und 87. Müssen größere Viehmengen längere Zeit untergebracht werden, so sind Überdachungen der Buchten gegen die Unbilden der Witterung unbedingt erforderlich.
b) Große Anlagen.
Besondere Viehbahnhöfe (cattle station, gare à bestiaux, stazione di bestiame) werden meist nur in oder bei großen Städten angelegt. Sie werden gewöhnlich mit den städtischen Schlacht- und V. zu einer Anlage vereinigt oder mindestens mit diesen durch Gleisanschluß verbunden. Auf den V. werden die Viehmärkte abgehalten. Auf den Schlachthöfen befinden sich die Großschlächtereien. Der Marktverkehr bringt es mit sich, daß ein gewisser Teil des ankommenden Viehs nach Abhaltung der Märkte sofort wieder mit der Bahn abgefahren und in verschiedenen Richtungen den eigentlichen Verbrauchsstellen zugeführt wird.
Die wesentlichen Bestandteile eines Viehbahnhofs sind folgende: Ladegleise zum Entladen und Beladen der Güterwagen, Laderampen, die sich an ihnen entlang ziehen (s. Abb. 8284),[200] Viehbuchten auf oder nahe den Rampen, Verschiebe- und Aufstellgleise, Wagenreinigungsgleise nebst Warmwasserbereitungsanlagen; hiermit unmittelbar verbunden die Anlagen des Schlacht- und V., nämlich: Hallen oder Ställe, die aus veterinärpolizeilichen Rücksichten für Groß- und Kleinvieh, im besonderen je für Pferde, Rinder, Kälber, Schweine, Hammel, Ziegen, Gänse getrennt anzulegen sind; schließlich besondere Schlachthäuser für die einzelnen Tiergattungen. Auch Wägevorrichtungen sind nicht zu entbehren.
Auf den großen Viehbahnhöfen werden die Tiere auch gemäß den veterinärpolizeilichen Vorschriften zum Teil in den Eisenbahnwagen, zum Teil auf den Rampen untersucht. Zur Unterbringung von kranken oder seucheverdächtigen Tieren ist daher auch ein besonderer Seuchenhof, bestehend aus Rampen, Buchten, Ställen und Schlachthaus, tunlichst an etwas entlegener Stelle des Viehbahnhofs anzuordnen und mit Gleisanschluß zu versehen. Für die bauliche Anordnung gilt sinngemäß auch das unter a Gesagte. Da größere Viehbahnhöfe eine erhebliche Ausdehnung erhalten (1 km Länge und mehr), ist bei der Planung der Gleisanlagen auf Übersichtlichkeit und leichte Bedienbarkeit aller Anlagen besonders zu achten. Wo es die Verhältnisse gestatten, ist der Viehbahnhof an beiden Enden an die durchgehende Strecke anzuschließen. Den Lade- und Aufstellgleisen, womöglich auch den Reinigungsgleisen ist Zuglänge (375400 m) zu geben, damit die Züge nicht zerrissen zu werden brauchen. Unmittelbare Ein- und Ausfahrt der Züge in die Ladegleise bzw. aus ihnen ist zu ermöglichen.
Die Schienen der Reinigungsgleise (auch Waschgleise genannt) sind auf kleine Betonpfeiler zu verlegen. Der Raum zwischen und neben den Schienen ist mit einer in Gefälle anzuordnenden Betondecke zu befestigen, die durch Einfallschächte in Abständen von 5060 m zu entwässern ist. Die abgeführte Jauche ist in Klärbrunnen zu leiten. Neben den Waschgleisen können die Dunggruben oder Dungrampen angelegt werden, doch finden diese häufig auch an besonderen Gleisen ihren Platz. Das in einer besonderen Anlage bereitete Warmwasser ist in unterirdischen Leitungen den Zapfständern zuzuführen, die in 1619 m Abstand zwischen je 2 Gleispaaren aufzustellen sind. Um die Reinigung der Viehwagen zu erleichtern, sind die beiden Schienen jedes Waschgleises verschieden hoch zu lagern (s. hierzu auch Abb. 86 u. 87).
Näheres über die Reinigung der Viehwagen s. unter Desinfektion, Desinfektionsanstalten, Desinfektionsapparate, Desinfektionsstationen dieses Werkes. Zwei Ausführungen von Wagenreinigungsanlagen sind ferner beschrieben in dem Werk »Das deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart«, Reimar Hobbing, Berlin 1911, Bd. I, S. 269 (Plochingen und München-Südbahnhof).
Als gute Beispiele für große Viehbahnhöfe seien der städtische Zentralvieh- und Schlachthof in Berlin, der Magerviehhof in Friedrichsfelde bei Berlin und der Schlacht- und V. in Köln erwähnt. Ersterer ist in Abb. 88 dargestellt.
Literatur: Goering und Oder, Anordnung von Bahnhöfen in Handbuch der Ingenieurwissenschaften. Leipzig 1907, 5. Teil, Bd. IV, woselbst auch Quellen für Einzelausführungen zu finden sind. Ferner Bahnhofanlagen einschließlich der Gleisanlagen auf der freien Strecke in Eisenbahntechnik der Gegenwart 1909, Bd. II. 2. umgearbeitete Auflage, der Eisenbahnbau, 3. Abschnitt.
Reuleaux.
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