Elzevier, Familie

[206] Elzevier, Familie. Der Stammvater der Elzeviere, deren berühmte Firma 130 Jahre lang, von 1583-1712, bestand, war Ludwig Elzevier, geb. c. 1540 zu Löwen, gest. 4. 2. 1617 zu Leiden. Er war Buchhändler und »Pedell« der Leidener Universität. Zuerst taucht er um 1560 in Antwerpen als Buchbinder auf, wandte sich später, seines Glaubens wegen verfolgt, nach Wesel, dem damaligen Zufluchtsort der niederländischen Protestanten vor dem blutgierigen Alba. 1572 kehrte Elzevier, von der allgemeinen Amnestie Gebrauch machend, nach Flandern zurück und ließ sich als Buchbinder an der neuen Universität in Douai nieder. 1580 finden wir ihn als Buchbinder in Leiden; hier eröffnete er bald einen Buchladen auf der »Rapenburg« in der Nähe der Universität. 1586 erhielt er die Stelle eines Universitätspedells und erwarb 1594 das Bürgerrecht. Sein Handel muß nicht unbedeutend gewesen sein, denn 1583 schuldete er Christoph Plantin, für den er früher als Buchbinder gearbeitet, 1270 Gulden für gelieferte Bücher und mußte ihm dafür seine beiden Häuser verpfänden. – Er hat auch den Antiquariats- und Auktionshandel in größerem Maßstabe betrieben, sodaß er ganze Bibliotheken erstand und verauktionierte.

Doch schon 1583 verlegte er anscheinend selbständig, damit die Reihe der so sehr geschätzten Elzevier-Editionen eröffnend durch »J. Drusii Ebraicarum quaestionum sive quaestionum ac responsionum libri duo«. 1592 erschien sein erster eigentlicher Verlagsartikel, der von P. Merula herausgegebene Eutropius, der als Druckerzeichen einen Engel trug, der mit der rechten Hand ein Buch, mit der linken eine Sichel hielt. In den letzten Jahren seiner Wirksamkeit hat sich Ludwig Elzevier des auch von seinen Nachkommen beibehaltenen Signets des Adlers, der mit den Klauen sieben Pfeile umspannt, bedient. Die sieben Pfeile und die Devise: »Concordia res parvae crescunt«, stellen eine Anspielung auf die sieben zum Kampfe gegen Spanien vereinigten niederländischen Provinzen dar.

Zu den letzten Verlagswerken Ludwigs gehören die Origines belgiques, deren erster Band 1615, der zweite 1616 in flämischer Sprache erschien. Von 1592-1617 erschienen bei ihm im Ganzen 101 Bücher, doch hat er selbst eine Druckerei nicht besessen, sondern ließ er bei seinem Enkel Isaac, Sohn von Matthias, arbeiten; dieser hatte 1617 eine solche gekauft, veräußerte dieselbe aber 1625 an die Geschäftsnachfolger seines Großvaters für 9000 Gulden. Diese Offizin bildete die Grundlage der glänzenden Elzevierschen Druckerthätigkeit. – Seinen Sortimentshandel dehnte Ludwig bis nach[206] Antwerpen und Löwen, ja bis nach Frankreich aus; in Paris war er ein oft und gern gesehener Gast, die Frankfurter Messe hat er ebenfalls nicht vernachlässigt. In Frankfurt hatte er seine Niederlage in einem Gewölbe zusammen mit Georg Willer dem Jüngeren von Augsburg und vertrieb hier gleichzeitig die Werke französischer und niederländischer Verleger aus Paris, Leiden, Löwen, Leuwarden, Utrecht, Middelburg und Amsterdam (vergl. hierüber auch Kapp, Geschichte des Buchhandels, Seite 512 uff.). Schließlich sei noch ein Verdienst des ältesten Elzevier erwähnt, nämlich die Ersetzung des Vokallautes v durch u.

Von Ludwigs sieben Söhnen widmeten sich fünf, nämlich Matthias, Ludwig, Aegidius, Jodocus und Bonaventura Elzevier dem Berufe des Vaters (die beigefügte Stammtafel).

Matthias Elzevier verlegte die militärisch-mathematischen Schriften Simon Stevins, von denen Castramétation und Nouvelle manière de fortification um 1618 erschienen. Aegidius Elzevier beschränkte sich nur auf den Verlagsbuchhandel.

Die Offizin aber, die namentlich beteiligt ist am Ruhm der Elzeviere, ist, wie schon erwähnt, diejenige von Isaac Elzevier, Universitätsbuchdrucker in Leiden, dem zweiten Sohn von Matthias Elzevier, der durch seine Verheiratung zu einem selbständigen Vermögen gekommen war. Er begann 1617 zu drucken und zwar fast ausschließlich klassische Werke. 1618 trat er in Verbindung mit seinem Bruder und andern Mitgliedern der Familie Elzevier, neu unterzeichnend: Apud Elzeviros oder auch: Ex officina Elzevirorum. Auch das Druckerzeichen wurde geändert; es verwandelte sich in einen von einem Rebstock umschlungenen Baum (Ulme), dabei steht der Einsiedler und die Devise: »Non solus«.

1625 erwarb Isaac die orientalischen Typen des 1624 an der Pest gestorbenen Professors Thomas van Erpen (Erpenius). Für die Verpflichtung, einen Orientalisten als Korrektor zu halten, bezog er von der Universität eine ansehnliche jährliche Unterstützung.

Von den zahlreichen Drucken, die aus Isaac Elzeviers Offizin hervorgegangen, sei nur der 1623 erschienene erste Gesang der Odyssee erwähnt.

1625 trat er seine Druckerei an seinen Oheim Bonaventura und seinen Bruder Abraham Elzevier für 9000 fl. ab. Er selbst widmete sich dem Marineberuf und starb 1651.

Vom 5. Mai 1626, an welchem Tage die vereinigten Brüder von den holländischen Generalstaaten das Privilegium zur Herausgabe[207] der »kleinen Republiken« erhielten, datiert eigentlich der Weltruhm der Elzeviere. Diese Republiken bilden eine Kollektion von 59 meist auf Staaten- und Naturkunde bezüglichen Werken in 62 Bänden, von denen jedoch nur 34 auf Rechnung der Elzeviere zu schreiben sind. Die Handlichkeit, Eleganz und Korrektheit dieser Elzevier-Ausgaben läßt sie noch heute wertvoll erscheinen. Die schönsten Erzeugnisse ihrer Presse sind die Ausgaben des Livius, Tacitus, Plinius, Caesar und Virgil. Als litterarischer Beirat der Firma wird der berühmte Humanist Heinsius genannt; dieser schrieb auch die lateinischen Einleitungen und Widmungen ihrer Verlagswerke.

Seit 1629 trat ein Wechsel der Druckervignetten ein, unter teilweiser Beibehaltung der früheren; so trat an Stelle des Einsiedlers ein Büffelkopf, eine Meduse, zwei über einen Thaler gekreuzte Szepter, Guirlanden von Rosen, vier gekreuzte Palmenzweige u.s.w., mit der Unterschrift der Gesellschaft: Ex officina Elzev. etc. 1651 bezw. 1652 starben beide Brüder, nachdem sie 30 Jahre hindurch aufs strebsamste und fleißigste gearbeitet hatten.

Würdige Nachfolger ihrer Väter Bonaventura und Abraham waren des ersteren Sohn Daniel Elzevier (geb. 1626) und Johann Elzevier (geb. 1622). Sie schufen vereint von 1652-54 zu Leiden unter vielem Andern auch das berühmteste und bedeutendste Druckwerk der Elzeviere, nämlich: Thomas a Kempis, de imitatione Christi, ferner das Psalterium. 1655 trennten sich die Brüder. Johann führte das Leidener Geschäft für eigene Rechnung fort; er zeichnet sich durch die Sorgfalt aus, welche er auf die Ausstattung der aus seiner Offizin hervorgegangenen Werke verwandte, namentlich aber auch durch die Wahl der Autoren, wobei ihn weder kaufmännische Gewinnsucht, noch die eitle Sucht, der Mode zu huldigen, leiteten. Seine Frau, eine geborene Eva van Alphen, setzte das Geschäft bis 1681 fort, in welchem Jahre es ihr zweiter Sohn Abraham Elzevier, der zugleich eine juristische Praxis betrieb, übernahm, es aber so vernachlässigte, daß es nach seinem am 30. Juli 1712 erfolgten Tode für – 2000 Gulden verkauft worden sein soll.

Daniel Elzevier, Universitätsbuchdrucker zu Leiden, geb. 1616, vermochte es nicht über sich zu gewinnen, die wissenschaftliche Autorität Johanns anzuerkennen, siedelte daher 1655 nach Amsterdam über und trat daselbst mit seinem Vetter Ludwig III Elzevier, Jodocus Sohn, in Verbindung.[208]

Ludwig war 1604 in Utrecht geboren, studierte in Leiden und erwarb sich praktische Kenntnisse im Buchhandel und der Typographie. 1638 fing er an zu Amsterdam selbständig zu drucken, gelangte aber erst nach einigen Jahren, unterstützt durch Geldzuschüsse seiner Verwandten, zu einigem Ansehen. Er trat mit dem berühmten Hugo Grotius in Verbindung, druckte seit 1642 alle Werke des Cartesius und verlegte sowohl Schriften der Katholiken wie Protestanten. Durch den 1655 erfolgten Hinzutritt Daniels nahm die Offizin einen großartigen Auffschwung. Ludwig starb 1670, da er angeblich noch in Gemeinschaft mit Daniel die schöne zweibändige französische Bibelausgabe von 1669 besorgt haben soll; vorher, 1663, erschien das »Corpus juris civilis«, 2 Bde. 1663. Als Druckerzeichen führten Ludwig und Daniel einen Oelbaum, unter dem links eine Eule rechts Minerva steht, mit der Aegis in der einen und einem Bande, worauf die Devise Ne extra oleas, in der anderen Hand.

Daniels Lieblingsprojekt war eine Edition des ganzen Cicero, die er bereits mit den Epist. familiar. (Ciceronis ep. lib. VI ad fam. ut vulgo vocantur, ex rec. Graevii etc. 2 Tomi. Amst. 1677) unter Zuziehung der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit, eines Gronovius, Graevius u.a.m. begonnen hatte. Es existiert eine Ausgabe von Ciceros sämtlichen Werken in 2 Vols (Amsterdam 1661). Mit Daniel war der Ruhm der Elzeviere zu Grabe gegangen. Von den Druckwerken Daniels, deren er zwischen 1667-72 mehr als 100, von 1675-80 an 90 Werke herausbrachte, sind besonders hervorzuheben seine Ausgaben des Livius, Seneca, Tacitus, Justin, Sylvius (Op. med.), Lucian, Descartes, Curtius u.a.m., besonders aber die Prachtausgabe des Corpus juris civilis in Oktav und Folio. Es standen Daniel Elzevier sehr tüchtige Mitarbeiter zur Seite, so der Deutsche Jakob von Zetter, welcher noch bis zum Erlöschen der Firma dort blieb; der Schweizer Heinrich Wettstein, der sich später in Amsterdam als selbständiger Drucker aufthat und der Daniel 1674 bei Herausgabe des großen Lagerkatalogs, der in 7 Teilen über 20000 Werke enthielt, unterstützte. Daniels Witwe, Anna Beernick, führte anfangs das Geschäft des Gatten fort, da aber Daniels belebender Einfluß an allen Orten mangelte, verkaufte sie die Offizin. Der 1681 veranstaltete Verkauf der vorrätigen Druckwerke, Bücherbestände etc. ergab eine Summe von 120000 Gulden = 204000 Mark, wozu noch das 100000 Bände umfassende Sortimentslager eine größere Summe brachte, wodurch Daniels Familie wenigstens vor Mangel geschützt wurde. Ein großer[209] Teil des Geschäftes gelangte an den Drucker und Buchhändler Adrian Moetjens im Haag.

Von Daniels Tode 1680 bis zum Erlöschen der Elzevierischen Verlagsfirma überhaupt (1712) erschienen noch mehrere Werke aus Elzevierischen Offizinen, letztere Angabe teils echt, teils gefälscht. Die echten selbst sind von solcher Unbedeutendheit, daß sie mit früheren auch nicht den allergeringsten Vergleich aushalten.

Zu den hervorragendsten Drucken der Elzevierischen Offizinen gehören außer den schon genannten: Virgil, Terenz, die Psalmen, Buch Daniel, die ganze Bibel, Constantin Porphyrogenitus, Thorius (Hymnus tabaci 1628), Caesar (1635), Sallust, Girard (la table. 1626 und 29), Priolus (de rebus gallicis. 1669), Baudii amores (1638), Heinsii orationes (1615), Aristotelis politicor. lib. VIII (1621), J. Caesaris quae extant etc. (1661), Ciceronis ep. familiares (1642), Ciceronis opera philosophica (1642), Curtius (1664), Descartes (Principia. 1672 und 77), Descartes (Tractatus de homine etc. 1677), Descartes (Meditationes etc. 1678), Grotii epist. ad Gallos (1650), Justin (1673), Livius (1639), Lucian (Pseudosophista. 1668 und 1678), Plinius Sec. (1653), Sueton (1650), Tulpius (Observ. med. 1652).

Betrachtet man im Ganzen die Leistungen und Erfolge der Elzeviere, so kann man sie kaum anders als erstaunlich bezeichnen: sie veröffentlichten außer 2737 lateinischen Dissertationen, welche sie als Universitätsbuchdrucker in Leiden von 1654-1712 druckten, 2093 Verlagsartikel, darunter 20 deutsche (der wahrscheinlich erste deutsche Druck aus dem Jahre 1601). Ihre Buchausstattung war wahrlich keine schlechte: meist niedliches Format, Sedez oder Duodez, aber auch Quart und Folio, feines Papier, klare und reine Schriften, die Titel musterhaft gestochen und fein stilisiert, das sind die Kennzeichen Elzevierischer Drucke. Ihr Verlag war mannigfaltigster Art. Neben der Bibliothek der alten Klassiker war die Mitwelt nicht schlechter vertreten. Sie druckten Werke der schönen, namentlich französischen, Litteratur, wie nicht minder Werke der Geschichtswissenschaft, religiöse, philosophische, politische, juridische, Schulbücher. Berühmte Namen verzeichnet ihr Verlag: Erasmus, Melanchthon, Calvin, Descartes, Racine, Molière, Corneille, Balzac, Machiavelli, Hugo Grotius, Milton, Sleidan, Frossard, Brantome, Boccaccio u. v. a. (sieh auch oben). Verhältnismäßig wohlfeil waren die Preise für ihre Verlagswerke, denn für ein 500seitiges Bändchen ihrer alten Klassiker z.B. nahmen sie 1 holländischen Gulden (= 1.70 Mk.).[211]

Die Ausdehnung ihrer Geschäftsverbindungen war eine enorme, sie reichte von Leiden bis Basel, von Paris bis Kopenhagen; die Büchermessen von Frankfurt und Leipzig wurden regelmäßig von ihnen beschickt.

Genealogische Uebersicht über die Drucker und Buchhändler aus der Familie Elzevier. (Aufgestellt von Hermann Holm-Berlin.)
Genealogische Uebersicht über die Drucker und Buchhändler aus der Familie Elzevier. (Aufgestellt von Hermann Holm-Berlin.)

Quellen: Vergl. A. Willems, Les Elzevier, Brüssel 1880 (vergl. auch Kapp, Buchhandel, I. Bd. etc.); Catalogus librorum officinae Elzeverianae.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 206-212.
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