Reich, Philipp Erasmus

[798] Reich, Ph. E. Philipp Erasmus Reich wurde am 1.12.1717 in Laubach in der Wetterau als Sohn des gräflich solmischen Leibarztes Reich geboren. Nachdem er in Frankfurt am Main bei Franz Varrentrapp, einem der bedeutendsten Buchhändler damaliger Zeit, jedoch von einem etwas rohen Benehmen, den Buchhandel erlernt, suchte er, ausgerüstet mit guten Schulkenntnissen und einem durchdringenden Verstande, auf einer im Interesse des Geschäfts unternommenen Reise nach London, sowie durch längeren Aufenthalt in einer Stockholmer Buchhandlung durch unermüdlichen Fleiß seine Geschäftskenntnisse immer mehr zu bereichern. 1756 kam er in das Weidmann'sche Geschäft, dessen Chef, der Hofrat Moritz Georg Weidmann, 1743 gestorben war. Durch unregelmäßige Führung war dasselbe schnell zurückgekommen, hob sich aber unter Reichs einsichtsvoller und energischer Verwaltung ebenso schnell, so daß die Besitzerin, die Tochter Weidmanns, sich veranlaßt sah, ihn 1762 als Teilhaber aufzunehmen mit der kontraktlichen Bestimmung, daß das Geschäft dem Ueberlebenden zufallen sollte, worauf die Firma in M. E. Weidmanns Erben & Reich umgeändert wurde. Auf Reichs Anraten war der Meßkatalog schon 1759 angekauft, der bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz der Firma blieb.

Reich sorgte für eine würdige Ausstattung seines Verlags und ließ die schönwissenschaftlichen Werke mit Kupferstichen der besten Meister zieren. Er war nicht allein Verleger, sondern auch Freund einer Anzahl der bedeutendsten Geister, z.B. Ernesti, Weiße, Zollikofer, Oeser, Ramler, Sulzer, Lavater, Gellert, Wieland u.a., und sein Haus war der regelmäßige Sammelplatz der geistigen Elite Leipzigs. Gellert und Sulzer haben von Reich auf seinem Landgütchen zu Sellerhausen ein Denkmal erhalten: ein bekränzter Aschenkrug, dem Palmen und Lorbeeren unter einem aufgeschlagenen Buche zur Seite liegen. Die Inschrift besagt: Gellerts und Sulzers Andenken gewidmet 1781. Das Denkmal war von Professor Oeser geschaffen und in sächsischem Marmor ausgeführt. Durch seine Eigenschaften erwarb er sich ein großes persönliches Ansehen unter den Buchhändlern und sein Wort hatte eine bedeutende Geltung in allen[798] Angelegenheiten des Buchhandels, dessen Reform er mit großem und ausdauerndem Eifer seine besten Kräfte widmete.

Mit dem Fortschreiten der Literatur hatte es nicht ausbleiben können, daß neben manchen Berufenen auch eine ziemliche Zahl Unberufenener, von den anscheinend großen Vorteilen gelockt, sich in den Buchhandel einnisteten. In einer 1733 erschienenen Broschüre: »Eines aufrichtigen Patrioten unparteiische Gedanken usw.« heißt es: »Verdorbene Magistri, halb oder gar nicht studierte Studenten und Quacksalber, verlaufene Buchdruckerjungen, fallit gewordene Kaufleute, liederliche Kaufdiener, armselige Schneider, herren- und ehrlose Laquaien wollen bei der aus Noth erwählten Buchhandlung glücklich, reich und ehrlich werden«. Jeder Schwindel, der zu erdenken war, um Absatz zu erzielen, wurde damals in vollem Maße angewendet. Betrügerische Prospekte, Massenverkäufe um jeden Preis, Auktionen, Lotterien waren an der Tagesordnung, dazu der unverschämteste Nachdruck selbst der durch kaiserliche Privilegien geschützten Bücher. Als Mittel, um diesen Uebeln zu steuern, schlägt der Verfasser der patriotischen Gedanken einen innungsmäßigen Verband der Buchhändler vor.

1764 (siehe Archiv f. Gesch. d. Deutsch Buchh. Bd. XII S. 224) erschien wiederum ein Zirkular, das wahrscheinlich Reich zum Verfasser hatte, worin energisch aufgefordert wurde, nunmehr endlich dem Unwesen entgegenzutreten, und diesmal mit besserem Erfolge. Durch rastlose Bemühungen brachte es Reich trotz der heftigen Opposition von vielen Seiten dahin, daß sich in der Messe 1765 der erste Buchhändlerverein, die »Buchhandelsgesellschaft in Deutschland« konstituierte. Der Zweck derselben war, Ordnung und feste Regeln in den geschäftlichen Verkehr zu bringen, der Schleuderei und Unregelmäßigkeit in den Rabattbedingungen eine Grenze zu setzen, vor allem aber durch gemeinschaftliche Maßregeln energisch gegen den Nachdruck aufzutreten. Sechsundfünfzig Buchhandlungen, worunter die angesehendsten Firmen, waren die Begründer der neuen Kampf-Gesellschaft. An der Spitze des Vereins stand ein Sekretär, wozu Reich erwählt wurde, und er scheint dieses Amt bis zu seinem Tode bekleidet zu haben.

Reich starb hochgeehrt am 3. 12. 1787, siebzig Jahre alt. Vertragsmäßig ging die Handlung auf die ihn überlebende Gesellschafterin über, welche nunmehr das Geschäft unter der Firma Weidmannsche Buchhandlung fortsetzte (vergl. über Reichs Verlags-Unternehmungen und geschäftliche Tätigkeit den Artikel Weidmann).

Der erste Versuch, eine Korporation zu bilden, die sich über das ganze Gebiet des deutschen Buchhandels erstreckte, scheint mit[799] Reichs Tod sich im Sand verloren zu haben. Aber die einmal angeregte Idee konnte nicht wieder untergehen, und noch vor dem Schluß des Jahrhunderts trat ein zweiter Verein ins Leben, der, durch Paul Gotthelf Kummer angeregt, dauernden Bestand haben sollte (vergl. Ausführliches über Reichs Reformbestrebungen in »Archiv für Geschichte des Buchhandels Bd. 5 uff. – sowie die grundlegende Zusammenfassung dieser Vorgänge in dem von Dr. Goldfriedrich in Leipzig bearbeiteten 2. Band der Kappschen Geschichte des Deutschen Buchhandels).

Quellen: Lorck, Druckkunst und Buchhandel in Leipzig, 1879; Neues Konvers.-Lex. II 1 (um 1820). Weitere Quellen siehe oben und Börsenvereinskatalog.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 798-800.
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