Varrentrapp, Familie

[1077] Varrentrapp. Die Familie Varrentrapp entstammte einem alten freien westfälischen Bauerngeschlecht, das an dem schon 837 urkundlich vorkommenden Bache Farnthrapa ein Gehöft »auf der Varrentrapp« in der Nähe von Herzkamp besaß. Ein Zweig der Familie Varrentrapp blühte bis 1730 auf dem Gute Varrentrapp, ein anderer nahm seit 1622 seinen Aufenthalt in der Stadt Hattingen und war noch 1714, oder wenn man die Frankfurter Abzweigung mitrechnet, bis 1775 dort begütert. Von dem Hattinger Zweige der Familie erwarben 1681 Konrad und 1685 sein Bruder Heinrich Abraham Varrentrapp das Bürgerrecht in Frankfurt a. M., wo die Nachkommenschaft Heinrich Abraham Varrentrapps in einem[1077] Zweige noch heute lebt. Uns interessiert hier vor allem das jüngste von Heinrich Abrahams zwölf Kindern, sein Sohn Franz Varrentrapp. Dieser wurde am 30. November 1706 in Frankfurt geboren und erlernte bei seinem Onkel Gleditsch in Leipzig den Buchhandel. 1731 wurde Varrentrapp Frankfurter Bürger und ließ sich in dem Hause »zu Ellfeld«, an der Ecke der Buch- und Münzgasse, als Buchhändler nieder. In der Folge spielte er als Buchhändler in Frankfurt eine große Rolle und übte auf Reformen im Buchhandel und auf das Zeitungswesen in seiner Vaterstadt und in ganz Deutschland einen zwar indirekten, aber wesentlichen und nachhaltigen Einfluß aus. 1732 erhielt Franz Varrentrapp ein Privileg, für zehn Jahre den »Frankfurter Rats- und Stadtkalender« drucken zu dürfen, woraus ihm später ein Prozeß mit den Erben des Alt-Achatius von Clerff erwuchs, dessen früheres Privileg noch nicht abgelaufen war.

Varrentrapp begründete den Ruf seines Namens durch die Herausgabe eines französischen Blattes in Frankfurt, des »Avant-Coureur«, das seit dem 26. April 1734 viermal wöchentlich erschien und bald über den größten Teil Europas Verbreitung fand. Der gute Erfolg mit dem »Avant-Coureur« veranlaßte Varrentrapp, seit 1741 ein deutsches Blatt erscheinen zu lassen, dessen vollständiger Titel ursprünglich: »Frankfurtische Berichte von vorstehender Kaiserwahl und -Krönung, wie auch von denen Staats-, Kriegs- und Friedensangelegenheiten in- und außerhalb Europas« lautete.

Einen bedeutenden Raum in den Unternehmungen Varrentrapps nahm der Nachdruck guter und aufsehenerregender Bücher ein, wodurch er in zahlreiche Prozesse verwickelt wurde. Was Varrentrapps Namen in Buchhändlerkreisen seinerzeit am bekanntesten gemacht hat, war eine von ihm ins Leben gerufene Einrichtung, die zwar schon im Keim erstickt wurde, die aber doch ein Bild von der großen Bedeutung des Nachdrucks zu jener Zeit gibt. Es ist dies der Hanauer »Bücher-Umschlag« von 1775, eine speziell für Nachdrucke, die auf den großen Messen überhaupt nicht verkauft werden durften, vom Erbprinzen zu Hessen-Kassel, regierenden Grafen zu Hanau, privilegierte Nachdruckermesse. In dem Katalog dieses Hanauer Bücherumschlags, der von Varrentrapp bearbeitet war, heißt es zwar in der Einleitung, daß man nur gerechte, das heißt privilegierte Nachdrucke auf dieser Nachdruckermesse zulassen, sich hingegen besonders scharf gegen ungerechte Nachdrucke wenden wollte. Der Katalog zeigt jedoch deutlich, daß viele der angeführten Bücher ungerechte Nachdrucke waren.[1078]

Nachdem Franz Varrentrapp seine Buchhandlung zu einer der ersten Deutschlands unter seinem Einflusse hatte heranwachsen sehen, schloß er, fast achtzigjährig, am 18. September 1786 in Frankfurt die Augen. Wie er von seinen Zeitgenossen beurteilt wurde, zeigt eine Notiz über seinen Tod in einer der angesehensten damaligen Zeitschriften. In dem von Bibra herausgegebenen »Journal von und für Deutschland« wurde im zweiten Bande des Jahrgangs 1786 & 262 bemerkt:

»Die Menge in seinem Verlag erschienener Werke, deren verschiedene mit einer in Deutschland seltenen typographischen Schönheit glänzen, und seine gründlichen Kenntnisse in verschiedenen Fächern der Gelehrsamkeit, worin er den ersten Stiftern des Buchhandels wenig nachstand, nebst der Weltkenntnis und Lebensart, die ihn in jüngeren Jahren auch bei Personen von den ersten Klassen aller Stände beliebt und angesehen machten, verdienen seinem Namen einen Platz unter den merkwürdigen Verstorbenen.«

Um 1776 war es zwischen Franz Varrentrapp und seinem Sohn Johann Friedrich Varrentrapp zu Differenzen gekommen, die den letzteren veranlaßten, mit seinem Schwager Wenner das väterliche Geschäft zu verlassen und unter der Firma »Varrentrapp Sohn & Wenner« in der Buchgasse in Frankfurt eine eigene Buchhandlung zu gründen. Jetzt lag die Druckerei des alten Varrentrapp oft unbenutzt, da er das Drucken als freie Kunst betrachtete und sich keinem Zunftzwang unterwerfen wollte.

Zunächst war mit der Buchhandlung Varrentrapp Sohn & Wenner keine Druckerei verbunden; diese wurde aber später eingerichtet und machte dem Namen Varrentrapp alle Ehre. Nach Franz Varrentrapps Tode erschien bei der neuen Firma nach wie vor der »Frankfurter Schematische Staats-Kalender«; 1808 wurde ihr ein Privileg für den Druck und Vertrieb des neuen Judenstättigkeitsgesetzes vom Fürstprimas Karl von Dalberg ausgestellt; auch große wissenschaftliche Werke, wie z.B. die Soemmeringschen sämtlichen Werke, wurden von ihr gedruckt und verlegt. Im April 1778 gaben sechs Gießener Professoren, nämlich Höpfner, Nebel, Diez, Böhm, Klevesahl und Köster, zusammen den ersten Band einer »Deutschen Enzyklopädie oder allgemeinen Real-Wörterbuchs aller Künste und Wissenschaften von einer Gesellschaft Gelehrten« im Verlage von Varrentrapp Sohn & Wenner heraus. Diese Enzyklopädie war ein sehr großes Unternehmen und nach dem Zedlerschen Universallexikon von 1702 das erste und einzige deutsche Lexikon in jener Zeit. Bald schloß sich eine größere Anzahl von Bearbeitern an.[1079] Schon 1781 erschien der fünfte Band, sodaß die Göttingischen Gelehrten Anzeigen von jenem Jahre besonders hervorheben, wie große Mühe Verleger und Verfasser sich gäben, um die Herausgabe des Werkes möglichst zu beschleunigen, das denn auch 1804 in siebzehn Bänden vollendet wurde.

Die alte Varrentrappsche Buchhandlung wurde 1811 geteilt. Johann Friedrich Varrentrapp und sein Sohn Franz behielten Sortiment und Verlag, während Joh. Friedr. Wenner Druckerei und einen Teil des Verlags übernahm. Franz Varrentrapp junior war am 29. März 1776 geboren und erlernte den Buchhandel im väterlichen Geschäfte, das er 1814 nach dem Tode seines Vaters auf eigene Rechnung übernahm. Ueber seine Tätigkeit als Antiquar gibt seine Vorrede zu dem 1821 von ihm herausgegebenen Catalogus librorum, der auf beinahe 400 Seiten eine Menge seltener Werke anpreist, Aufschluß. In dem Vorwort heißt es:

»Die Bemühungen meines vor mehr als dreißig Jahren entschlafenen Großvaters, die geschätztesten und seltensten Bücher und Kunstwerke mit Eifer, Geld- und Zeitaufwand zu sammeln, sind seitdem ununterbrochen fortgesetzt worden. Der beständige Ankauf solcher einzelnen Werke und ausgezeichneter Bibliotheken veranlaßte bis zum Jahre 1808 eine Reihe von Auktionen, welche die Aufmerksamkeit des In- und Auslandes auf sich zog; die bekannten Nachteile der Auktionen für Käufer und Verkäufer erzeugten aber alsdann den Entschluß, in den Jahren 1809 und 1813 zwei große wissenschaftlich geordnete Verzeichnisse wohlfeiler Bücher, zusammen 580 Seiten stark, herauszugeben. In derselben äußeren Form übergebe ich hier das Verzeichnis der lateinischen, griechischen und orientalischen Bücher, welche ich jetzt zu verminderten Preisen abzugeben habe. Meine Manuskripte, worunter sich einige von einem Alter von tausend Jahren befinden, sind nicht hierin aufgenommen.«

Der Varrentrappsche Verlag war noch immer einer der bedeutendsten in Deutschland. Franz Varrentrapp wurde verschiedentlich in Reformkommissionen der Buchhändler gewählt; in einer solchen trat er sehr energisch gegen den Nachdruck, also gegen die einstmaligen Bestrebungen seines Großvaters auf. Franz Varrentrapp starb am 7. November 1831; seine Witwe führte die Buchhandlung unter dem Beistand ihres Schwagers, des Professors Konrad Varrentrapp, noch bis zu ihrem 1834 erfolgten Tode fort, dann wurde das Geschäft verkauft. Der Verlag war 1845 im Besitze[1080] von Philipp Krebs. Heute erinnert in Frankfurt nichts mehr an die berühmte Firma.

Quellen: von Arnswaldt, Aus der Geschichte der Familie Varrentrapp, Frankfurt a. M. 1908.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 6. Berlin/Eberswalde 1908, S. 1077-1081.
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