Voß, Familie

[1011] Voß (Hamburg). Georg Voß wurde am 6. Januar 1765 zu Salzderhelden bei Einbeck geboren. Nach Absolvierung seiner Lehrzeit in dem Ernstchen Tuchgeschäfte in Braunschweig nahm er eine Stelle in dem damals zu Leipzig und Braunschweig bestehenden großen Seidengeschäfte von Dufour Gebrüder an.

Infolge eines innige Freundschaftsverhältnisses mit Jean Koch, dem Bruder der verwitweten Frau Bremer und damaligen Geschäftsführer der Bremerschen Kunsthandlung in Braunschweig, wohl der ersten und größten damals in Deutschland, erwachte in ihm eine Vorliebe für dieses letztere Geschäftsfach. In deren Geschäftslokale pflegten täglich Braunschweigs literarische Größen sich zu versammeln, ein Lessing, Ebert, Jerusalem, Campe, Mourillon, Mirabeau, der damals französischer Gesandter in Braunschweig war, u.a. Deren anregende Unterhaltung erweckte in ihm lebhaftes Interesse für Literatur und Kunst, das später, bei seiner 1783 erfolgten Versetzung in das Dufoursche Haus nach Leipzig, durch die freundschaftlichen Beziehungen zur Familie Breitkopf neue Nahrung erhielt.

Hier lernte er Friedrich August Leo kennen und mit diesem zusammen etablierte er, mit den nötigen Fonds von seinen bisherigen Prinzipalen unterstützt, am 8. April 1791 in Leipzig eine Buch- und Kunsthandlung unter der Firma Voß & Leo. Der Name der Firma (Leo war 1794 wieder ausgetreten) hat bis zum Jahre 1818 mehrfache Aenderungen erfahren. 1794 wurde sie durch den Eintritt von Chr. Gottl. Rabenhorst in Voß & Comp. geändert. Seit 1804 firmierte Georg Voß unter seinem alleinigen Namen. Am 21. März 1818 ging das Geschäft in den Besitz des Sohnes Leopold unter Aenderung der Firma in Leopold Voß, wie sie heute noch besteht, über. Durch eigene Spekulationen ins Leben gerufene, meist praktischen Zwecken dienende Verlagsunternehmen charakterisieren die Wirksamkeit von Georg Voß als Verleger. Eines seiner letzten Unternehmen war beispielsweise die Herausgabe der sämtlichen Napoleonischen Gesetzbücher, redigiert von Ehrhardt. – Idee und Plan des ersten schönwissenschaftlichen Unterhaltungsblattes in Deutschland, der Zeitung für die elegante Welt, die er 1801 unter der Redaktion des in Dessau lebenden Hofrats Spazier ins Leben rief und welche für die Journalistik eine neue Bahn brach, gehören ihm an, und schon dies allein wird ihm einen ehrenvollen Namen in der Geschichte des deutschen Buchhandels sichern. Am 17. Juli 1842 starb er.

Sein Sohn David Leopold Voß wurde am 17. Dezember 1793 zu Leipzig geboren. Im Hause stand er unter der Fürsorge einer trefflichen Mutter, außerhalb des Familienkreises genoß er[1011] des besten Unterrichts, den die Schulen von Leipzig und Dessau zu erteilen vermochten. Denn nach Dessau übersiedelte der Vater mit der Buchhandlung, als Leipzig von Kriegslasten fast unerträglich heimgesucht wurde. Als der älteste Sohn sollte Leopold Voß das Geschäft einst übernehmen und verschaffte sich die Vorbildung dazu von 1809 bei Friedrich Vieweg und dessen Schwiegervater J. H. Campe. Als er seine Lehrzeit 1812 beendet hatte, lastete auf dem Buchhandel ein so schwerer Druck, daß der junge Mann zum Warenhandel überzugehen beschloß und in das Leipziger Geschäft von Lattermann & Sohn eintrat. Da kam der große Umschwung und zündete auch in seiner Seele. Er trat in das Banner der freiwilligen Sachsen und zog mit an den Rhein. Nach Beendigung des kurzen Feldzuges nahm er als Offizier seine Entlassung.

Als sein Vater seinen Entschluß aussprach, die Stelle eines Wechselsensals anzunehmen, die ihm angeboten worden war, hatte der Sohn sich zu entscheiden, ob er Kaufmann oder Buchhändler werden wolle. Dem Wunsche der Familie und seiner eigenen Neigung folgend, gab er der Uebernahme des väterlichen Geschäfts den Vorzug. Die wissenschaftliche Literatur hat von diesem Entschluß großen Nutzen gezogen. Seine Verlagstätigkeit hat sich vorwiegend Werken zugewendet, auf deren Gediegenheit der hohe Ruf deutscher Gelehrsamkeit beruht, die aber dem Verleger selten einen Geldgewinn bringen, jedenfalls nicht den großen und schnellen Gewinn, der von populären Artikeln zu erwarten ist. Die Verzeichnisse der Verlags- und Kommissionsbücher von Leopold Voß weisen eine stattliche Reihe großer Werke nach, die im Verlage der Firma erschienen sind. Um nur einige der berühmtesten zu erwähnen, nennen wir die Werke von K. Fr. Burdach, Castrén, Choulant, Sömmering und Rudolf Wagner, die »Allgemeine Encyklopädie der Physik« von G. Karsten, die Ausgabe der sämtlichen Werke von Kant und Herbart und die beiden großen Ehrenbergschen Werke »Mikrogeologie« und »Die Infusionsthierchen als vollkommene Organismen«. Das Schöngeistige war übrigens von diesem Verlage nicht ausgeschlossen und fand seine Vertretung unter anderm in den geistvollen Schriften, die Fechner unter dem Namen »Mises« veröffentlicht hat. Erwähnt seien noch die »Allgemeine Maschinencyklopädie«, das »Chemische Zentralblatt« u.v.a. Im Jahre 1832 wurde Leopold Voß der Kommissionär der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Petersburg und knüpfte nun zahlreiche Verbindungen im russischen Reiche an, die ihn zu einem der nützlichsten Vermittler des buchhändlerischen Verkehrs zwischen Deutschland und Rußland machten. Um den deutschen Sortimentsbuchhändlern den Bezug ausländischer Literatur zu[1012] erleichtern, begründete er sein »Ausländisches Sortiment«, das später in den Besitz von Leopold Michelsen überging.

In seiner bürgerlichen Stellung wurde Voß häufig durch Ehrenämter ausgezeichnet. Unter anderem war er lange Jahre Sachverständiger für literarische Erzeugnisse. Als er 1865 nach 47jähriger selbständiger Tätigkeit seine Kraft erlahmen fühlte und sich die verdiente Ruhe gönnte, ehrten ihn die Monarchen von Sachsen und Rußland durch die Verleihung des Verdienstordens und des Annenordens dritter Klasse. Leider starb Voß bereits am 26. November 1868. Das Geschäft übernahm sein zweiter Sohn Julius Leopold Voß.

Dieser war zu Leipzig am 28. August 1833 geboren. Schon im 5. Jahre verlor er seine Mutter; 8 Jahre alt, wurde er in eine Pension nach Kleinzschocher gebracht, wo er bis 1845 verblieb. Als Alumnus kam er nach Zerbst, wo er das herzogliche Franzisceum besuchte und demnächst auf der Leipziger Thomasschule das Maturitätsexamen bestand. 1854 trat er in das väterliche Geschäft ein, ging aber bereits 1855 als Volontär nach Gratz in Aug. Hesses Buchhandlung. Seine weitere Ausbildung genoß er in Paris und Hamburg, dann trat er 1859 ins väterliche Geschäft ein, dessen Teilhaber er bereits 1862 wurde. Die streng wissenschaftliche Richtung des Verlags fand unter seiner Leitung in bisheriger Weise Fortsetzung, und das Geschäft wurde ganz im Sinne und Geiste seines Vaters von ihm weitergeführt. Nicht minder wie den Verlag ließ er sich auch die Pflege des Sortiments und die Beziehungen des Geschäfts namentlich zu Rußland angelegen sein. Andauernde Kränklichkeit jedoch veranlaßte ihn zunächst, letzteren Zweig am 15. November 1879 an Gustav Haessel abzutreten, der diesen unter der Firma Voß' Sortiment weiterführte, alsdann am 1. Januar 1882 auch den gesamten Verlag an Ernst Maaß aus Hamburg zu verkaufen, der das Geschäft nach seiner Vaterstadt verlegt hat.

Quellen: Voß, Kurze Mitteilungen über die Inhaber der Firma Voß, Leipzig v. J.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 6. Berlin/Eberswalde 1908, S. 1011-1013.
Lizenz:
Faksimiles:
1011 | 1012 | 1013

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Fräulein Else

Fräulein Else

Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.

54 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon