Wagner, Rudolph

[1013] Wagner (Berlin). Rudolph Wagner wurde am 19. Januar 1830 als Sohn eines Brauereibesitzers in Berlin geboren. Er besuchte das sogenannte Collége français und erwarb sich tüchtige Schulkenntnisse, besonders aber eine reine Aussprache des Französischen. Mit 18 Jahren verließ er als Primaner das Gymnasium und trat bei Emil Baensch in Magdeburg in die Lehre. Wagner eignete sich bald das Rüstzeug eines tüchtigen Sortimenters an und erwarb sich besonders tüchtige Literaturkenntnisse; er war im Verkehr mit dem sehr zahlreichen und gewählten Publikum, welches das[1013] blühende Sortimentsgeschäft »im weißen Rosse« am »breiten Wege« in Magdeburg täglich besuchte, außerordentlich gewandt und tüchtig. Nach Absolvierung seiner Militärdienstzeit trat er als Gehilfe in Mittlers Sortimentsbuchhandlung, von wo er im Sommer 1855 in das Geschäft von F. Schneider & Co. in Berlin ging. In diesen beiden Handlungen mit bedeutendem Umsatze hat Wagner sich zu einem sehr tüchtigen, sowohl für Sortiment wie Verlag brauchbaren Geschäftsmann ausgebildet. 1856 übernahm er käuflich die Firma F. Schneider & Co. und führte sie mit Eifer und Geschick bis Ende 1860 fort, in welchem Jahre er sie an Wolfgang Zierhold verkaufte.

Wagner wandte sich nun ausschließlich dem Kunstverlage zu. Das erste Werk, welches er erscheinen ließ, war »Das Jahr in Blüthen und Blättern«, illustriert von Hermine Stilke, mit Text von E. Geibel und G. zu Putlitz, in 12 Monats-Illustrationen, in Farbendruck von Stroch & Kramer ausgeführt. Dieses Werk, welches der Frau Kronprinzessin Victoria von Preußen gewidmet werden durfte, hatte einen bedeutenden Erfolg und wirkte förmlich bahnbrechend; es zeigte sowohl das Talent der geschätzten Künstlerin Hermine Stilke wie auch außerordentliches Geschick in der technischen Wiedergabe durch Farbendruck im besten Lichte und veranlaßte manche Nachahmungen. Es folgte »Eine Reise in Bildern«, mit Benutzung von Photographien entworfen von Hermine Stilke. Das Werk stellt eine Folge von 18 Zeichnungen europäischer, durch Schönheit berühmter Gegenden resp. Punkte dar, die in chromo-lithographischem Druck von Loeillot, Steinbock, Korn u.a. ausgeführt worden sind.

In bis dahin fast unerreichter Höhe trat der Farbendruck auf in dem berühmt gewordenen großen Werke: »Hildebrandt's Aquarelle, auf seiner Reise um die Erde nach der Natur aufgenommen in Aegypten, Indien, China, Japan, Manila, Amerika etc., Chromo-Facsimiles von R. Steinbock und W. Loeillott«. Eduard Hildebrandt war bekanntlich ein hervorragender Landschaftsmaler, er wurde Hofmaler und Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Auf vielen Reisen sammelte er die Vorwürfe zu seinen zahlreichen ausgezeichneten Aquarellen, von denen Kaiser Wilhelm einen großen Teil erwarb. Es gelang Wagner, die allerhöchste Genehmigung zur Vervielfältigung dieser Aquarelle des berühmten Künstlers, den man nicht mit Unrecht den Maler des Kosmos nannte, zu erlangen und als tadellose Chromo-Faksimiles herstellen zu lassen. Diese Hildebrandtschen Aquarelldrucke haben im In- und Auslande einen hochbedeutenden Erfolg errungen, sie fanden später eine Fortsetzung durch solche Blätter, welche sich auf deutsche Gegenden bezogen und nicht weniger beifällig aufgenommen wurden als die Darstellungen aus[1014] Indien etc. Es war ein hohes Verdienst Wagners um die Kunst überhaupt, daß er den Gedanken zur Ausführung brachte, diese berühmten Aquarelle, deren Originale im kaiserlichen Alleinbesitz für die Augen der Welt verschlossen waren, durch Chromo-Faksimiles der Oeffentlichkeit zugänglich zu machen; er hat hierdurch besonders aufstrebenden Künstlern sowie allen Kunstliebhabern einen wichtigen Dienst erwiesen.

Ein in seiner Art nicht weniger hervorragendes Werk sollte den Schlußstein zu der Verlagstätigkeit Wagners setzen: die berühmten »Illustrationen Adolf Menzel's zu den Werken Friedrich's des Großen, in Holz geschnitten von O. Vogel, A. Vogel, Fr. Unzelmann u. H. Müller, mit einem besondern Text von L. Pietsch (Berlin 1882)«. Bekanntlich lieferte Professor Menzel, den die »Times« den »ersten Illustrator der Welt« nannte, auf Befehl vom König Friedrich Wilhelm IV. zu der 1849 vollendeten Prachtausgabe von Friedrich's des Großen Werken 200 Illustrationen. Die Originalholzstöcke blieben dann wohlverwahrt im königl. Museum zu Berlin, und wieder war es die Firma Rud. Wagner in Berlin, welche diesen Schatz von genialen Zeichnungen einem größeren Kreise zugänglich machte; es gelang ihr, die allerhöchste Genehmigung zu erlangen, jene 200 Stöcke in einer beschränkten Zahl von Abdrücken (300) mit einem erklärenden Text besonders herauszugeben, und so entstand das schöne Werk in 4 Großquartbänden (Preis des Exemplars 300 Mk.). Diese Reproduktion bietet uns den Beweis einer kunsttechnischen Meisterschaft dar, wie sie vorher in Deutschland ganz verloren gegangen war. Professor Menzel bediente sich bei den Originalzeichnungen weder des Pinsels noch der Estampe, sondern er setzte seine bestimmten scharfen Bleistiftstriche direkt auf den Holzstock, so daß Xylograph an vielen Stellen nur mit dem Messer arbeiten konnte und seine Individualität ganz in die Menzels aufgehen mußte. Der letztere hat denn auch den Holzschneidekünstlern das ehrende Zeugnis ausgestellt, daß sie das Höchste im Faksimile-Schnitt geleistet hätten; die Holzschnitte sind auf diese Weise in gewissem Sinne die Originalzeichnungen selbst geworden und haben dadurch einen ganz besonderen künstlerischen Wert erhalten. Dazu kommt, daß die typographische Ausführung des Neudrucks unter der Aufsicht des Professors Albert Vogel in der Reichsdruckerei erfolgte, und zwar so, daß die Stöcke selbst, also keine Klischees, benutzt wurden.

Rudolph Wagner, welcher am 2. Januar 1883 starb, hatte seinen Kunstverlag bereits 1879 an Georg Stilke abgetreten, der ihn 1881 an Martin[1015] Lubarsch weiterverkaufte. Bereits zwei Jahre später ging die Firma M. Lubarsch & Co. in Berlin an Raimund Mitscher über.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1883.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 6. Berlin/Eberswalde 1908, S. 1013-1016.
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