Gegend

[439] Gegend. (Mahlerey)

Es scheinet, daß dieses Wort einen besondern Theil einer Landschaft ausdrüke, der sich durch einen eigenen Charakter unterscheidet. Man sagt eine wilde, rauhe, einsame Gegend. Die Landschaft würde aus mehrern Gegenden bestehen können; die Gegend selbst aber würde blos aus ihren einzeln Theilen, als Felsen, Bäumen, etc. bestehen.

Von den Gemählden, die man Landschaften nennt, würden also nur diejenigen den Namen der Gegenden tragen, die eingeschränkte, und blos dergleichen einzele Scenen vorstellen, die wir Gegenden nennen, als Wasserfälle, von Felsen eingeschlossene Plätze und dergleichen: diejenigen aber, die weitere Aussichten, von verschiedenen. Gründen vorstellen, würden den Namen Landschaften in besonderm Sinn behalten. In diesem Sinn würde man sagen, Berghem, Teiniers, Waterloo, haben meistentheils Gegenden; Breügel, Claude Lorrain, Swaneveldt, haben meistentheils Landschaften gemahlt.

Gegenden, wenn sie gut gewählt und mit gehöriger Kunst gemahlt sind, haben etwas stark anziehendes: und in der leblosen Natur ist nichts, das uns intressanter vorkömmt. Jede Gegend ist einsam; aber bey diesem allgemeinen Charakter kann eine große Verschiedenheit des Empfindsamen statt haben. Es giebt fürchterliche, schrekliche, melancholische, fantastische, reizende, bezaubernde Gegenden. Eine gemahlte Gegend kann demnach mancherley und große ästhetische Kraft haben. Wer etwa eine kleine sittliche Scene vorstellen will, und dazu eine dem Charakter des Stüks gemäße Scene ausgesucht hat, der kann dadurch Gemählde von großer Kraft erhalten.

Die Kenntnis seltsamer, intressanter und wol charakterisirter Gegenden, dienet auch zu der Gartenkunst; weil die Anbringung solcher Scenen den Gärten die größte Schönheit giebt1.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 439.
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