[1229] Versezungszeichen. (Musik)
Sind solche, die den Noten vorgesezt werden, wenn sie höher oder tiefer, als ihre Stelle anzeigt, oder als die Tonleiter des Tones, aus dem das Stük geht, erfodert, genommen werden sollen. In unserm angenommenen Notensystem haben nur die Töne c d e f g a h, durch alle Octaven ihre eigenen Noten. Alle übrige höhere oder tiefere Töne werden durch Versezungszeichen, die diesen Noten vorgesezt werden, angezeiget. Sie sind entweder zufällig und stehen unmittelbar vor der Note, die erhöhet oder erniedriget werden soll; in diesem Fall bestimmen sie die veränderte Höhe oder Tiefe der einzigen Note, vor welcher sie stehen, oder höchstens aller derer, die in einem Takt auf der nämlichen Stufe stehen, wenn nämlich kein anderes Zeichen, wodurch ihre Geltung wieder aufgehoben wird, vorhergehet: oder sie werden am Anfange des Stüks neben den Schlüssel gestellet, und gelten alsdenn durchs ganze Stük1. Sie sind folgende:
a) Erhöhungszeichen.
1) das Kreuz, oder Doppelkreuz, welches einen halben Ton2 erhöhet.
2) +das einfache Kreuz, welches die Stelle des vorhergehenden bey solchen Tönen vertritt, bey denen ein vorausgesezet wird, oder die in der Vorzeichnung schon ein haben.
b) Erniedrigungszeichen.
1) b, das Be, oder das runde Be, welches einen halben Ton erniedriget.
2) b, deutlicher bb, das große oder zweyfache Be, welches statt des vorhergehenden b nur solche Töne um einen halben Ton erniedriget, die schon ein b in der Vorzeichnung haben.
c) Das Wiederherstellungs- oder Wiederrufungszeichen.
das vierekigte Be, oder Be quadrat, welches sowol die in der Vorzeichnung durch erhöhten Töne um einen halben Ton erniedriget, als auch die durch b erniedrigten um einen halben Ton erhöhet. In diesen Fällen zerstöhrt das bey einer oder etlichen auf einander folgenden nämlichen Noten eines ganzen Takts die Vorzeichnung, wenn seine Geltung nicht vorher durch das oder b derselben wieder aufgehoben wird. Es wird aber auch vor solche Noten gesezt, die kurz vorher ein oder b, das nicht in der Vorzeichnung befindlich ist, gehabt haben, und hebt alsdenn die Geltung derselben wieder auf, indem es den natürlichen Ton der Tonleiter wiederherstellet.
Es ist nicht gar lange, daß man sich in dieser lezten Absicht des auch nach einem + oder b b bediente, und dadurch das oder b der Vorzeichnung wieder herstellete. Dieses war der Eigenschaft des [1229] Wiederherstellungszeichens vollkommen gemäß; aber es verursachte, zumal den Ungeübteren, einige Verwirrung im Spielen. Man hat daher nach der Zeit für gut befunden, die durch + zufällig erhöhten, und durch b b erniedrigten Töne, durch das und b der Vorzeichnung wiederherzustellen. Im Grunde streitet dieses wieder die Eigenschaft des Erhöhungs- und Erniedrigungszeichens, es fällt aber deutlicher in die Augen, und ist bey unserer Einrichtung der Versezungszeichen, da das zu mehreren Absichten gebraucht wird, der ersten Art vorzuziehen.
Die Alten bedienten sich ohne Ausnahm des zum Erhöhen, und des b zum Erniedrigen, auch da, wo unser angebracht wird. Sie sezten zum z.B. vor Es ein wenn es E, und vor Fis ein b, wenn es F werden sollte. Unstreitig ist diese Bezeichnung wegen ihrer Simplicität der unsrigen vorzuziehen: Auch bedeutete in ihren Bezifferungen das allezeit die große, und das b die kleine Terz, statt daß aus einer natürlichen Folge unserer Einrichtung die große Terz bald durch bald durch und die kleine ebenfalls bald durch b, bald durch angezeiget werden muß. Es ist zu verwundern, wie man diese simple Art hat verlassen, und dafür die unsrige, die durch die verschiedene Bedeutung des so zusammensezt ist, hat einführen können. Dieses sollte eigentlich niemals etwas anders als ein Wiederherstellungszeichen der Vorzeichnung, wenn dieselbe durch zufällige Kreuze oder Bees zerstöret gewesen, vorstellen.
1 | S. ⇒ Vorzeichnung. |
2 | Meistentheils sollte dieses der kleine halbe Ton seyn, nämlich der Unterschied zwischen der großen und kleinen Terz. Auf unsern Clavieren und Orgeln, wo dieser kleine halbe Ton in andern Umständen zu klein, und daher unbrauchbar seyn würde, kommt statt dessen oder vor. Die Erhöhung des einfachen Kreuzes sollte ebenfalls nur betragen, weil bey diesem Kreuz allezeit ein durch erhöhter Ton vorausgesezt wird: es ist daher falsch, wenn einige sagen, daß das + einen ganzen Ton erhöhe, weil es unsinnig seyn würde von C in +Cis oder von F in + Fis überzugehen. Gleiche Bewandniß hat es mit den Erniedrigungszeichen. Von einem durch erhöhten Ton zu seiner kleinen Secunde, wie von c nach d, von f nach g etc. ist allezeit ein großer halber Ton; desgleichen von einem durch b erniedrigten Ton zu seiner kleinen Untersecunde, als von nach g, von nach f etc. |