Zent, die

[1683] Die Zênt, plur. die -e, ein nur noch in Franken und Oberdeutschland übliches Wort, so wohl die Gerichtsbarkeit, als auch den Gerichtsbezirk zu bezeichnen. In dem letztern Falle sagt man z.B. in der Zent angesessen seyn, in dem Gerichte. In Ansehung der Gerichtsbarkeit aber, kommt es vornehmlich in folgenden Fällen vor: 1. eine jede Gerichtsbarkeit, daher man selbige an einigen Orten in die hohe und niedere Zent abtheilet. 2. Am üblichsten ist es von der höhern, oder peinlichen Gerichtsbarkeit, welche vermuthlich zu verstehen ist, so fern die Zent absolute und allein gebraucht wird. 3. Im engsten Verstande wird in manchen Gegenden noch ein Unterschied gemacht, unter den Hals- oder Fraisgerichten und der hohen Zent, da denn die letztere nur die vier Fälle, Mord, Diebstahl, Brand und Nothzucht unter sich begreifft.

Anm. Aus der Geschichte der mittlern Zeiten ist bekannt, daß die Fränkischen Könige zu besserer Handhabung der Gerechtigkeit die Gauen oder Grafschaften in Centenas, und diese wieder in Decanias theilten, d.i. in Bezirke von hundert und von zehn[1683] Familien, oder nach andern von so viel Dörfern; und daher sind die meisten bewogen worden, das Deutsche Wort Zent von Centena abzuleiten. Andere lassen es von dem Deutschen Worte zehen abstammen, und erklären es von einem untern Bezirke, oder einer Decanie, zumahl da diese im Angelsächsischen Tethinge, die Centena aber Hundreda genannt wurde. Allein, da die Decanie vermuthlich nur eine untere Gerichtsbarkeit war, Zent aber gemeiniglich von der obern gebraucht wird, so scheinet die erste Ableitung wahrscheinlicher. Indessen, wenn man bedenkt, daß das Wort auf eine so schwankende Art gebraucht wird, und oft einen jeden Gerichtsbezirk, er sey groß oder klein, bedeutet, so kann es gar wohl seyn, daß beyde Wörter mit der Zeit in dem Deutschen Worte Zent zusammen geflossen sind. Es kommt noch dazu, daß die ursprünglichen Centenae und Decaniae mit der Zeit sehr vielen Veränderungen ausgesetzet seyn mußten, zumahl da anfänglich jede Familie für sich allein auf ihrem Grund und Boden wohnte, wie noch in einigen Niedersächsischen Gegenden üblich ist, nach und nach aber, um der gemeinschaftlichen Sicherheit Willen, sich mehrere in Dörfer versammelten, da denn die Gerichtsbezirke sehr verändert, und bald erweitert, bald aber auch verenget werden mußten. Übrigens muß man dieses Wort und die dadurch bezeichnete Sache nicht mit der Send verwechseln, welches im Oberdeutschen die geistliche Gerichtsbarkeit bedeutet, und von Synodus abstammet, S. dieses Wort. Da Zent nur noch allein im Oberdeutschen üblich ist, so gilt solches auch von den folgenden Ableitungen und Zusammensetzungen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1683-1684.
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