Johann Melchior Göze

[112] Johann Melchior Göze, ein sehr streitsüchtiger Theologe, und deßwegen den meisten seiner Zeitgenossen verhaßt. Er war 1717 geboren, ward Prediger zu Magdeburg und 1755 Pastor in Hamburg, welche Stelle er bis an seinen Tod 1786 bekleidete. Er wachte unermüdet über die Reinheit des protestantischen Lehrbegriffs nach dem strengsten Sinne der symbolischen Bücher, und witterte daher überall Ketzereien und gefährliche Anschläge gegen das Heil der Kirche. Lessing, Basedow und selbst Göthe (wegen Werthers Leiden) mußten nebst vielen Andern, die er für gefährliche Neologen ansah, mit ihm die Lanze brechen, und sahen sich nicht selten in Gefahr, von dem gewaltigen Geschrei des hitzigen Mannes überwältigt zu werden. Es fehlte ihm übrigens gar nicht an gelehrten Kenntnissen, und seine historischen und kritischen Schriften verdienen alle Achtung. Er wollte aber nun einmahl als Polemiker, beinahe wie Gottsched als Dichter, glänzen, und verlor dadurch den wahren Standpunkt aus den Augen, welcher ihm unfehlbar den Beifall seiner Zeitgenossen und die Achtung der Nachwelt verschafft haben würde.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 112.
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