Julia

[282] Julia, eine Tochter des Römischen Kaisers August, und nachher Gemahlin des Tiberius. Jugendlicher Leichtsinn und eine natürliche Abneigung vor [282] jenem steif pathetischen Betragen, das August an seiner Livia so sehr bewunderte und den Seinigen als exemplarisch anbefahl, verleitete sie zu mancher unbesonnenen Handlung, und brachte sie zuletzt an den Abgrund eines lebenslänglichen Exils, worin sie als Verwiesene auf der Insel Pandataria schmachten mußte, um ihrem väterlichen Hause kein neues Aergerniß zu geben. Aber ungeachtet ihrer unbesonnenen Liebeshändel verdiente sie doch nicht den Haß, mit welchem sie von den Ihrigen verfolgt wurde. Sie war sehr gutmüthig und menschenfreundlich, und würde an der Seite eines würdigern Gattens, als der heimtückische Tiberius war, ein braves Weib geworden sein. Höchst wahrscheinlich arbeitete auch ihre eigne Stiefmutter, die staatskluge Livia, heimlich an ihrem Untergange, um über den August desto unumschränkter zu herrschen und ihm ihren Sohn Tiberius ganz unentbehrlich zu machen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 282-283.
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