Tilsit

[177] Tilsit (Tilsen, Lat. Chronopolis), eine schon an sich selbst nicht unbedeutende Stadt in Preußisch-Litthauen, an der Memel, und dadurch für den Handel sehr bequem gelegen. Ein kleiner Fluß, Tilse, von dem sie auch den Namen hat, trennt die Stadt von dem festen Schlosse, und fällt dann in die Memel, welche Pohlnisch Niemen heißt – ein Name, der in der neuesten Geschichte einen großen Ruf erlangt hat. Die Stadt, welche in einer äußerst fruchtbaren und zugleich sehr reitzenden Gegend liegt, ist nach Königsberg, von dem sie 16 Meilen entfernt liegt, eine der nahrhaftesten Städte von Ostpreußen, und faßt ungefähr 7000 [177] Einwohner, deren sie durch die Salzburger Ausgewanderten (s. Salzburg, Th. V. S. 43.), welche der König von Preußen hieher zog, eine ansehnliche Menge gewann; einen bleibenden Ruf aber hat der Ort durch den merkwürdigen Frieden erhalten, welcher hier, nach der entscheidenden Schlacht bei Friedland, am 8. u. 9. Juli 1807 zwischen dem Russischen und Französischen Kaiser und dem König von Preußen abgeschlossen wurde, dessen Inhalt in der Geschichte des traurigen Französisch-Preußischen Kriegs seinen Platz (in den Nachtr.) finden wird, und durch welchen die politische Existenz des Preußischen Staats einen so erschütternden Stoß erhielt. Merkwürdig ward der Fluß Niemen zugleich, indem auf demselben am 25. Juni in einem auf einem Flöße errichteten Pavillon eine der merkwürdigsten Zusammenkünfte, die jemahls unter gekrönten Häuptern Statt fand, hier, im Angesichte Hunderttausender von Kriegern, welche beide Ufer besetzt hatten, zwischen den beiden Kaisern gehalten wurde.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 177-178.
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