[605] Kirchengang heißt die hin und wieder noch herrschende, aber in den größern Städten fast gänzlich verschwundene Gewohnheit, nach welcher der erste Ausgang einer Wöchnerin, sei es nun eine bestimmte Zeit nach ihrer Niederkunft, oder sobald sie wieder in Besitz von Kraft und Gesundheit ist, ein Kirchenbesuch sein muß, um Gott im vereinten Gebet mit der Gemeinde für die glückliche Niederkunst zu danken und das neugeborene Kind seiner väterlichen Huld und Güte anzuempfehlen. Die jedenfalls durch das jüd. Gebot von dem Reinigungsopfer unter den Christen entstandene Sitte hat das Gute, daß sie in einem besonders wichtigen Lebensverhältnisse den höhern Rücksichten der Religion auf eine würdige Weise genügen heißt und der Mutter die höhere Bedeutsamkeit ihres Berufs vor die Augen führt. Nach den Kirchengesetzen soll die Wöchnerin den Kirchgang zwar erst 40 Tage oder sechs Wochen nach der [605] Niederkunft halten, doch geschieht er auch früher, wenn es die Gesundheit gestattet.