[121] Haine, die heiligen, (heilige). In der grünen Nacht der Wälder verehrten die alten Deutschen, Preußen, Kelten und Gallier ihre Götter, oder überhaupt die unsichtbare allwaltende Gottheit, deren Dasein sie ahneten, deren Stimme sie in dem Rauschen der Zweige, in dem Wehen der Wipfel zu vernehmen glaubten. Dort auf waldumkränzten Anhöhen, oder auch in tiefen, schattendüstern Thälern, in dem Ring tausendjähriger Eichen, hielten Priester und Druiden ihre Versammlungen, bereiteten ihre Opfer und Opfermahle, schnitten mit goldenen Messern das mystische Gewächs der Mistel, das auf alten Eichen und Birnbäumen ohne Wurzel emporsproßt und weissagten aus Stäbchen, die, auf den Boden gestreut, sich zu deutsamen Runenzeichen gestalteten. Aus gewaltigen Steinblöcken wurden hohe Altare errichtet, auf denen oft blutige [121] Opfer dampften, oder ein Steinkreis rings um den Malstein bildete Sitze für die Männer, die sich in der Waldeinsamkeit zum ernsten Ding versammelten. Besonders berühmt war im Alterthume der heilige Hain der Semnonen, einer Suevischen Völkerschaft, welche dorthin aus allen Gauen ihres Landes einen Abgesandten schickten, um durch Blutopfer der Gottheit zu dienen, und günstige Orakel zurückzubringen. In diesen Hain durften die Andächtigen nur gebunden gehen, und wenn Einer fiel, so wurde er auf der Erde zurückgewälzt. Heilig zumal, oft mit Blumenkränzen geschmückt und durch eingeschnittene Runen geweiht, waren die Bäume, die sich durch hohes Alter und durch Stärke ihres Stammes auszeichneten; viele derselben werden in der Geschichte der Heidenbekehrungen erwähnt; auf oder unter ihnen standen oft die Götzenbilder, und der Bekehrungseifer, der gegen die Idole wüthete, schonte auch die Bäume nicht. So fiel die Hosuseiche bei Hofgeismar, die Schwerteiche bei Borsholm in Holstein, die berühmte Göttereiche bei Romowe in Preußen, die bei Welau, welche 27 Ellen im Umfang hatte, und viele andere. In den heiligen Hainen durfte bei Todesstrafe kein Baum gefällt werden; kein Beilschall, kein profanes Gerausch störte die tiefe und erhabene Stille der Natur, das schweigsame Waldesgeheimniß, in welchem sich die unsichtbare, oder in Idolen verkörperte Gottheit barg. (S. Hertha.)
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