Hero und Leander

[267] Hero und Leander. Wem wäre nicht das rührendste Beispiel bis in den Tod treuer Liebe, wenigstens aus Schiller's schöner Ballade »Hero und Leander« bekannt? Hero war eine reizende Priesterin der Aphrodite, und die Göttin, der sie diente, entflammte in ihrem Busen das lodernde Feuer einer eben so süßen als verderblichen Leidenschaft. Sie liebte glühend einen schönen Jüngling, Leander aus Abydos, und wurde von ihm glühend wieder geliebt. Aber die Meerenge des Hellesponts trennte die Liebenden, und die feindselige Macht der Menschen verbot ihre Verbindung, doch fanden sie sich, doch feierten sie götterselige Stunden. Wenn die stille Nacht über Land und Meer ihre Schattenflügel breitete, wenn der Silberkahn Selenens durch den blauen Ozean des Aethers schwamm, stürzte sich hoffend und getrost der Jüngling in die kühlende Fluth, seinem Gluck und seinem Stern vertrauend, und schwamm dem Felsenschlosse von Sestos zu, auf dessen Thurmzinne Hero eine weitleuchtende Fackel entzündete. Ihre Gluthumarmung, ihre heiße Liebe lohnte dem kühnen Schwimmer. Doch wo wären Erdenfreuden dauernd? Neidisch sehen die Himmlischen auf das irdische Glück. In einer grauenvollen Sturmnacht zitterte Hero der Ankunft des Geliebten entgegen, der Wind blies ihre Fackel aus – in Todesangst harrte sie bis zum Morgengrauen, da trug eine rollende Woge den Leichnam Leander's zum Strand. Vor Entsetzen starr, erblickt Hero den Geliebten, der auch[267] durch das Ungestüm der Elemente sich nicht abschrecken ließ, ihr seinen heiligen Liebesschwur zu erfüllen. Und rasch entschlossen, strebend nach der Vereinigung auch im Tode, die sie im Leben so glücklich gemacht hatte, stürzte sich Hero von dem hohen Thurme herab, und fand ihr Grab im Schooße des Meeres, da, wo ihr todter Freund zum letzten Male von ihr erblickt worden war

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 267-268.
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