[142] Mathilde, Markgräfin von Toskana, Markgräfin von Toskana, mit dem Beinamen der Großen, geb. 1046, war die Tochter Bonifazius III., Markgrafen von Toskana, und der Beatrix von Lothringen. Das ganze Leben dieser Heldin des Mittelalters blieb der Erhebung der Kirche und des Papstes geweiht, und sie verfolgte dieses Ziel mit der gläubigen Liebe eines Weibes und mit dem Muthe eines Mannes. Als 1054 ihr Vater starb, kam Mathilde in den Besitz der unermeßlichen Erbschaft der alten Markgrafen von Toskana und des Hauses Canossa; doch führte die Mutter, welche sich zum zweiten Male mit Gottfried dem Bärtigen von Lothringen vermählte, die Regierung bis zu ihrem Tode 1076. Mathilde war nun Gebieterin der reichsten Länder zwischen der Tiber und dem Po, und dem heiligen Stuhle zu dienen fortan ihr einziges Bestreben, obschon kein ungeziemendes Verhältniß zu Gregor VII., kein Eigennutz wie viele behaupten wollen, die Veranlassung hierzu gab. 1063 hatte sich M. mit Gottfried dem Buckligen von Lothringen vermählt; doch mit ihm, der dem Kaiser Heinrich IV. mehr ergeben war, als der Kirche, in keiner zärtlichen Ehe gelebt, bis 1076 der Tod dieses Bündniß löste. Von da an führte sie die Verwaltung des Staates allein, erbaute die prächtigsten Kirchen, Schlösser und Brücken, unterstützte Gregor VII., der gerade im heftigsten Streite mit Heinrich IV. begriffen war, nahm denselben in ihrer unüberwindlichen[142] Feste zu Canossa, unweit Reggio auf, und hier war es, wo Heinrich vor der innern Ringmauer der Burg drei Tage und drei Nächte, im Bußkleid, mit bloßem Haupte und nackten Füßen, von Frost, Hunger und Durst gepeinigt, um Gottes und des Papstes Barmherzigkeit flehen mußte, bis der letzte endlich das Wort der Gnade sprach, und den Büßenden, unter Vorbehalt weiterer Entscheidung über dieKönigswürde, in den Schooß der Kirche wieder aufnahm. Mit Unwillen sahen die deutschen Stände diese Demüthigung, und trieben den Kaiser, alle seine Kräfte aufzubieten, um die erlittene Mißhandlung zu rächen. Bald durchzog ein kaiserliches Heer das feindliche Land und lagerte vor Canossa, das jedoch allen Angriffen widerstand. Dagegen erlitt das Heer, welches Mathilde ausgerüstet hatte, den Gegenpapst Guibreto aus Ravenna zu vertreiben, den 15. October 1080 eine gänzliche Niederlage; Lucca und Siena lehnten sich gegen ihre Gebieterin auf und Heinrich verheerte 1082 Modena. Mitten in diesen Stürmen fuhr sie fort, dem Papste Hilfe an Mannschaft und Geld zu senden, verwendete zu den Kosten dieses heiligen Krieges die Kirchengüter, erfocht später einige Vortheile über das kaiserliche Heer, überfiel dasselbe im Juli 1084 bei Sorbara im Modenesischen und zerstreute es. Nachdem sie 13 Jahre Witwe gewesen, vermählte sich M. 1089 mit dem Herzoge Welf von Baiern, und verband dadurch die 2 mächtigsten Häuser Italiens und Deutschlands gegen Heinrich. Gregor VII. war im Mai 1085 gestorben; seine Nachfolger, Urban, Paskal und Gelasius II. handelten nach denselben Grundsätzen und Mathilde diente ihnen mit gleichem Eifer. Heinrich, über M.'s Verbindung mit Welf erbittert, drang bald feindlich in Baiern, bald in die markgräflichen Staaten ein, eroberte Mantua 1091 und trug die Fackel des Krieges bis in die Länder zwischen dem Po und den Apenninen. Umsonst wurde M. selbst durch die Geistlichkeit und den Adel des Landes dringend gebeten, der Gewalt zu weichen und die Hand zum Frieden zu bieten. Sie versicherte, eher sterben[143] zu wollen, als mit einem Ketzer Frieden zu schließen. Nach wechselvollem Kampfe endlich zwang sie den Kaiser (1097), Italien zu verlassen. Noch bei Lebzeiten Gregor's hatte Mathilde ihr ganzes Vermögen der römischen Kirche vermacht, dasselbe jedoch später ihrem Gemahle Welf zugesagt. Da sie inzwischen nach dem Rückzuge des Kaisers seiner nicht mehr bedurfte, erneuerte sie die erste Schenkung und widerrief die letztere. Hierdurch kam es zwischen den Gatten zum offnen Bruche, und Welf trat auf die Seite des Kaisers. Dagegen unterstützte M. Heinrich's Sohn, Konrad, und trug nicht wenig dazu bei, ihm die Krone Italiens zu verschaffen; aber ungern erduldete sie später die Beschränkung ihrer Macht, ließ ihm seine Abhängigkeit tief fühlen, und als Konrad im Juli 1101 plötzlich starb, hegte man den, jedoch unerwiesenen, Verdacht, Avienus, M.'s Leibarzt, habe ihn auf seiner Herrin Befehl vergiftet. Die von Mathilde bei Lebzeiten Gregor's VII. ausgestellte und 1102 erneuerte Schenkungsurkunde, durch welche die römische Kirche sich zu Ansprüchen auf Mittelitalien berechtigt glaubte, ward während des ganzen zwölften Jahrhunderts der Gegenstand heftiger Kämpfe zwischen den Kaisern und Päpsten. Die Absetzung und der Tod Heinrich's IV., der 1106 erfolgte, schienen M. von aller Furcht von Seiten Deutschlands befreien zu wollen. Sein Nachfolger Heinrich V. bezeigte ihr die größte Achtung, und als er 1110 nach Italien zog, leitete er mit der Markgräfin, als der mächtigsten Fürstin des mittleren Italiens, Unterhandlungen ein, nach welchen M. den König als ihren Oberherrn erkannte, dafür aber die Bestätigung ihrer Besitzungen und Rechte, so wie das Versprechen erhielt, daß dieser Nichts gegen den Stuhl des heiligen Petrus unternehmen wolle. Am 6. Mai 1111 beehrte der König Mathilden mit einem Besuche in Bibianello, und diese kluge Fürstin wußte ihn während seiner Anwesenheit so geschickt zu behandeln, daß er ihr die Statthalterschaft aller Umgegenden unter der Benennung des ligurischen Reiches überließ und sie schmeichelnd seine Verwandte, [144] ja seine Mutter nannte. Bei dieser Gelegenheit erwähnen die gleichzeitigen Schriftsteller und ihr Biograph Donizo insbesondere, daß sich M. mit dem König deutsch unterhalten habe. Im Jahr 1114 rüstete sich die Markgräfin, Mantua zu erobern, wurde jedoch während der Vorbereitungen hierzu von einer schweren Krankheit ergriffen. Schon verbreitete sich das Gerücht ihres Todes, und die Mantuaner, dieß benutzend, belagerten, eroberten und verbrannten ihr Schloß Ripalta. Sobald jedoch Mathilde genaß, war es ihr Erstes, die Rebellen zu züchtigen. Die Einnahme von Mantua sollte ihr letztes Unternehmen sein; sie starb im 69. Jahre am 24. Juli 1115. Ihre Leiche wurde in das Kloster St. Benedetto von Polirone bei Mantua gebracht, einige Jahrhunderte später aber auf Urban's VIII. Fürsorge in der Basilika des Vatikans zu Rom beigesetzt, und ihr ein ehrendes Grabmal errichtet. M. war eine Frau von unerschütterlichem Muthe und festem Willen; sie focht selbst an der Spitze ihrer Mannen, und wußte sich aus den schwierigsten und verwickeltsten Verhältnissen mit eben so viel Umsicht, als Klugheit zu ziehen. Sie galt jahrelang als Schiedsrichterin von Italien, und wurde endlich Mit-Begründerin der neuen weltlichen Kirchenherrschaft.
E. v. E.