Reifrock

[378] Reifrock. Dieser barokke Putz stammt aus Spanien, von wo er nach Frankreich auswanderte, um dann überall bei der Damentoilette Eingang zu finden. Obgleich jetzt für häßlich und unnatürlich erklärt, so ist doch nicht zu leugnen, daß keine Tracht zu der steifen Majestät, welche die Fürstinnen und hohen Damen der Vorzeit umgab, besser paßte als diese. Wie hätten die starren Gold- und Silberroben, die schweren Seidenstoffe, die Juwelen- und Perlenstickereien wohl je schmiegsam die schönen Frauen umwallen können? Diese Gewänder mußten, um die verdiente Bewunderung zu ernten, über dem untergebauten Gerüste des Fischbein- oder Reifrocks ausgespannt sein, ihre prachtvollen Blumen durften sich nicht in neidische Falten bergen, sondern sollten wie ein Feengarten im Kerzen- oder Sonnenlichte strahlen. Ein bedeutender Vorzug des Reifrocks war es auch, daß er nie Gemeingut werden konnte; denn außer dem großen Raume, den man haben mußte, um sich darin zu bewegen, paßte auch die Unbehilflichkeit, die er nothwendig machte, wahrlich nur zur Repräsentation und dem dolce far niente der Großen und Reichen. Für die Mittelklasse blieb der Reifrock stets nur der Putz hochfestlicher Gelegenheiten.

F.

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Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 378-379.
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