Gehörsinn

[363] Gehörsinn ist die Fähigkeit, Gehörsempfindungen zu haben, Geräusche, Töne, Klänge zu percipieren. Das Gehörsorgan ist die Ohrschnecke, in der die Grundmembran sich befindet, deren Fasern auf die verschiedenen Tonhöhen abgestimmt sind (»Schneckenclaviatur«, Resonanzhypothese – HELMHOLTZ). Der Reiz für die Gehörsempfindungen besteht in longitudinalen Luftschwingungen, die durch schallerregende Körper hervorgerufen werden. Periodischen Sehwingungen entspricht ein Klang, nicht periodischen ein Geräusch; einer einfachen »Sinusschwingung« entspricht eine einfache Tonempfindung. Von der Amplitude der Schwingungen ist die Intensität der Gehörsempfindung, von der Schwingungszahl (oder-Dauer) die Tonhöhe, von der Schwingungsform die Klangfarbe abhängig. Einzel- und Zusammenklänge gehören zu den »intensiven Vorstellungen« (WUNDT, Gr. d. Psychol.5, S. 114). »Der Einzelklang ist eine intensive Vorstellung, die aus einer Reihe regelmäßig in ihrer Qualität abgestufter Tonempfindungen besteht. Diese Elemente, die Teiltöne des Klangs, bilden eine vollkommene Verschmelzung, aus welcher die Empfindung des tiefsten Teiltones als das herrschende Element hervortritt. Nach ihm, dem Hauptton, wird der Klang selbst in Bezug auf seine Tonhöhe bestimmt. Die Übrigen Elemente werden als höhere Töne die Obertöne genannt.« Sie werden alle zusammen als »Klangfarbe« aufgefaßt, welche nach der Anzahl, Lage und relativen Stärke der Obertöne variiert (l.c. S. 115). Alle Teiltöne befinden sich in bestimmten regelmäßigen Abständen vom Haupt- oder Grundton. Der »Zusammenklang« ist eine »intensive Verbindung von Einzelklängen« (l.c. S. 117), eine »unvollkommene Verschmelzung, in der mehrere herrschende Elemente enthalten sind« (ib.). Aus der »Superposition der Schwingungen innerhalb des Gehörapparates« entstehen die »Differenztöne« (1., 2., 3., 4... Ordnung). Daneben können auch »Summationstöne« entstehen; mit den Differenztönen zusammen heißen sie »Combinationstöne« (l.c. S. 118 f., Grdz. d. phys. Psychol. II5, C. 10, 12). Vgl. HELMHOLTZ, Lehre von den Tonempfind.4; STUMPF, Tonpsychol.; LIPPS, Gr. d. Seelenleb. C. 21; EBBINGHAUS, Gr. d. Psychol. I, 263 ff., 308 ff., 323 ff.; KÜLPE, Gr. d. Psychol. S. 36, 99, 105 ff., 112 ff., 161 ff., 289 ff., 327 f., 388 ff., 398 f.; PREYER, Seele d. Kind. S. 49 ff. Vgl. Schwebungen, Harmonie.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 363.
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