[268] Nicht ohne Bedeutung für den Werth dualistischer Politik war die Frage, auf welches Maß von Sicherheit im Innehalten dieser Linie wir bei Oesterreich rechnen konnten. Wenn man sich die Plötzlichkeit vergegenwärtigte, mit welcher Rechberg in der Verstimmung über den Mangel an Folgsamkeit der Mittelstaaten mit denselben gebrochen und sich mit uns ohne und gegen sie verbündet hatte, so konnte man die Möglichkeit nicht abweisen, daß ein Mangel an Uebereinstimmung mit Preußen in Einzelfragen ebenso unerwartet zu einer neuen Schwenkung führen könnte. Ueber Mangel an Aufrichtigkeit habe ich bei dem Grafen Rechberg nie zu klagen gehabt, aber er war, wie Hamlet sagt, spleenetic and rash in einem ungewöhnlichen Grade; und wenn die persönliche Verstimmung des Grafen Buol über unfreundliche Formen des Kaisers Nicolaus mehr als über politische Differenzen hingereicht hatte, die österreichische Politik in der Linie der bekannten Schwarzenberg'schen Undankbarkeit (Nous étonnerons l'Europe par notre ingratitude) dauernd festzuhalten, so durfte man sich der Möglichkeit nicht verschließen, daß die sehr viel schwächeren Bindemittel zwischen dem Grafen Rechberg und mir von irgend welcher Fluthwelle weggeschwemmt werden könnten. Der Kaiser Nicolaus hatte zu dem Glauben an die Zuverlässigkeit seiner Beziehungen zu Oesterreich viel stärkere Unterlagen als wir zur Zeit des dänischen Krieges. Er hatte dem Kaiser Franz Joseph einen Dienst erwiesen, wie kaum je ein Monarch seinem Nachbarstaat gethan, und die Vortheile der gegenseitigen Anlehnung im monarchischen Interesse der Revolution gegenüber, der italienischen und ungarischen so gut wie der polnischen von 1846, fielen bei dem Zusammenhalten mit Rußland noch schwerer in das Gewicht als bei dem mit Preußen 1864 möglichen Bunde. Der Kaiser Franz Joseph ist eine ehrliche Natur, aber das österreichisch-ungarische Staatsschiff ist von so[268] eigenthümlicher Zusammensetzung, daß die Schwankungen desselben, denen der Monarch seine Haltung an Bord anbequemen muß, sich kaum im Voraus berechnen lassen. Die centrifugalen Einflüsse der einzelnen Nationalitäten, das Ineinandergreifen der vitalen Interessen, welche Oesterreich nach der deutschen, der italienischen, der orientalischen und der polnischen Seite hin gleichzeitig zu vertreten hat, die Unlenksamkeit des ungarischen Nationalgeistes und vor allem die Unberechenbarkeit, mit welcher beichtväterliche Einflüsse die politischen Entschließungen kreuzen, legen jedem Bundesgenossen Oesterreichs die Pflicht auf, vorsichtig zu sein und die Interessen der eignen Unterthanen nicht ausschließlich von der österreichischen Politik abhängig zu machen. Der Ruf der Stabilität, welchen die letztere unter dem langjährigen Regimente Metternichs gewonnen hatte, ist nach der Zusammensetzung der Habsburgischen Monarchie und nach den bewegenden Kräften innerhalb derselben nicht haltbar, mit der Politik des Wiener Cabinets vor der Metternich'schen Periode gar nicht und nach derselben nicht durchweg in Uebereinstimmung. Sind aber die Rückwirkungen der wechselnden Ereignisse und Situationen auf die Entschließungen des Wiener Cabinets für die Dauer unberechenbar, so ist es auch für jeden Bundesgenossen Oesterreichs geboten, auf die Pflege von Beziehungen, aus denen sich nöthigen Falls andere Combinationen entwickeln ließen, nicht absolut zu verzichten.
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