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[380] In die Hitze des Culturkampfes fiel ein Besuch des Königs Victor Emanuel in Berlin, September 1873. Ich hatte durch Herrn von Keudell erfahren, daß der König eine Dose mit Brillanten, deren Werth auf 50–60000 Franken, ungefähr auf das sechs- bis achtfache des bei solchen Gelegenheiten üblichen, angegeben wurde, hatte anfertigen lassen und dem Grafen Launay zur Ueberreichung an mich zustellen lassen. Gleichzeitig kam es zu meiner Kenntniß, daß Launay die Dose mit Angabe des Werthes seinem Hausnachbarn, dem bayerischen Gesandten Baron Pergler von Perglas, gezeigt hatte, der unsern Gegnern in dem Culturkampfe persönlich nahe stand. Der hohe Werth des mir zugedachten Geschenkes konnte also Anlaß geben, dasselbe in Verbindung zu bringen mit der Anlehnung, welche der König von Italien von dem Deutschen Reiche damals erstrebte und erlangte. Als ich dem Kaiser meine Bedenken gegen die Annahme des Geschenkes vortrug, hatte er zunächst den Eindruck, als ob ich es überhaupt unter meiner Würde[380] fände, eine Portraitdose anzunehmen, und sah darin eine Verschiebung der Traditionen, an welche er gewöhnt war. Ich sagte: »Gegenüber einem solchen Geschenke von durchschnittlichem Werthe würde ich auf den Gedanken der Ablehnung nicht gekommen sein. In diesem Falle aber hätte nicht das fürstliche Bildniß, sondern hätten die verkäuflichen Diamanten das für die Beurtheilung des Vorgangs entscheidende Gewicht; mit Rücksicht auf die Lage des Culturkampfes müßte ich Anknüpfungspunkte für Verdächtigungen vermeiden, nachdem der den Umständen nach übertriebene Werth der Dose durch die nachbarlichen Beziehungen von Perglas constatirt und in der Gesellschaft hervorgehoben worden sei.« Unter meinen Argumenten in der Discussion befand sich auch die Frage: Würden Ew. M.z.B. dem Fürsten Gortschakow eine theure Dose geben? Der Kaiser antwortete: Sie haben Recht, nehmen Sie die Dose nicht. Etwa ein Jahr darauf bei unserm Besuch in Petersburg fragte mich S.M.: Was kann ich nur dem Fürsten Gortschakow geben, er hat schon alles, auch Portrait, vielleicht eine Büste? Ich sondirte den Fürsten vertraulich und erhielt sofort die Antwort: Laß Er mir (russicismus) eine tüchtige Dose geben mit guten Steinen. Ich melde dieß Sr. M. etwas beschämt über meinen Mangel an Menschenkenntniß; wir lachten beide und Gortschakow bekam seine Dose. Nachdem ich meine Auffassung durch Herrn von Keudell zur Kenntniß des Grafen Launay gebracht hatte, wurde der Dose ein sehr hübsches und ähnliches Portrait des Königs substituirt mit dieser an meinen Annunziatenorden erinnern den eigenhändigen Unterschrift:


Al Principe Bismarck. Berlino 26. Settembre 1873.

Affezionatissimo cugino

Vittorio Emanuele.


Der König behielt jedoch das Bedürfniß, mir einen verstärkten Ausdruck seines Wohlwollens zu geben durch ein dem ursprünglich beabsichtigten im Werthe analoges, aber nicht verkäufliches Geschenk, und ich erhielt als Zugabe zu der schmeichelhaften Unterschrift des Portraits eine Alabastervase von ungewöhnlicher Größe und Schönheit, deren sichere Verpackung und Beförderung bei der überstürzten Räumung meiner Amtswohnung, zu der mein Nachfolger mich nöthigte, nicht ohne Schwierigkeit war.

Quelle:
Bismarck, Otto Eduard Leopold: Gedanken und Erinnerungen. Stuttgart 1959, S. 380-381.
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