[203] AMAZŎNES, um, Gr. Ἀμάζωνες, ων, (⇒ Tab. XII.)
1 §. Namen. Den Namen sollen diese kriegerischen Weiber von dem α privat. und μαζὸς, die Brust, haben, weil sie allen Mägdchen gleich nach ihrer Geburt die rechte Brust abgebrannt, damit sie ihnen hernachmals im Fechten keine Hinderung geben könnte. Diod. [203] Sic. lib. II. c. 45. Cf. de Pinedo ad Steph. Byz. in Ἀμαζόνες. Einige hingegen leiten ihn von ἅμα, mit einander, und ζάω, ich lebe, her, weil sie bey einander ohne Männer gelebet. Serv. ad Virgil. Aen. I. v. 496. Noch andere wollen, daß er von dem α privat. und μάζα, das Brod, herkomme, weil sie ohne dergleichen von Eydexen, Schildkröten, u. d. gl. Zeuge gelebet. Eustath. apud. Becm. de Orig. L. L. p. 221. So wollen auch einige sie von dem ebräischen Worte Amaz, stark, mannhaft, benannt wissen. Wendel. ap. eumd. p. 222. Lateinisch nennen sie einige Vnimammas, Tatianus ap. Serv. ad Virg. Aen XI. v. 648. in der scythischen Sprache aber sollen sie Aeorpata geheißen haben, welches von Aeor, ein Mann, und pata, tödten, so viel, als Weiber heißt, welche die Männer umbringen. Herodot. lib. IV. p. 253. Unter uns haben einige solchen aus der alten deutschen Sprache hergeleitet, und gewollt, er sey aus Am Majats Koni zusammen gezogen, da Koni so viel, als eine Frau, und Majats der mäotische Sumpf heiße, da es denn so viel bedeute, als eine Frau, die an der mäotischen See gewohnet. Gundlingiana P. III. pag. 276. Andere haben gemeynet, es sey aus Ambod, welches allerhand Krieges- und Hausgeräth bezeichnet, und Koni entstanden, da denn Ambodskoni so viel als eine Frauensperson bedeutet, die mit den Waffen umgehen könne. Cleffel. Antiq. German. pag. 73. Vieler andern zu geschweigen.
2 §. Herkunft. Sie selbst gaben sich für des Mars Töchter aus, Iustin. lib. II. c. 4. und andere hielten sie hernach insonderheit für Tochter des Mars und der Harmonia, einer der Naiaden; Apollon. lib. II. v. 992. & Pherec. ap. Schol. ad eumd. l. c. wogegen noch andere nur eine und die andere derselben für des Mars Töchter angeben. Vorst. ad Iust. l. c. Sicherer aber werden sie nur für gemeine scythische Weiber gehalten, deren Männer unter der Anführung des Ylinus und Skolopilus sich bey Kappadocien, in klein Asien, niedergelassen haben, und endlich insgesammt im Kriege umgekommen sind. Iustin. l. c. [204]
3 §. Unterschied. Sie werden nicht unfüglich in dreyerley Arten getheilet, nämlich in die asiatischen, die insonderheit an dem Flusse Thermodon herum wohneten, deren Hauptstadt und königliche Residenz Themyscira war. Diod. Sic. lib. IV. c. 16. So dann in die sarmatischen, welche auch die scythischen genannt werden, Pompon. Mela de situ orbis lib. III. c. 4. und endlich in die libyschen, oder africanischen, welches die ältesten unter allen gewesen seyn sollen. Diod. Sic. lib. III. c. 52.
4 §. Lebensart. Sie bildeten in Asien und Africa besondere Königreiche, indem sie ihre eigene Königinn hatten, nach einigen, kein Mannsvolk unter sich litten, sondern sich, damit doch ihr Geschlecht nicht untergienge, zu gewissen Zeiten an die Gränzen ihrer Länder begaben, da denn das Mannsvolk aus den benachbarten Landschaften sich einfand, und sie nach ihrem Willen bedienete. Wenn sie darauf niederkamen, so behielten sie die Mägdchen bey sich, brannten ihnen auf obgedachte Art die rechte Brust weg, unterrichteten sie im Laufen, Jagen, Reiten, Schießen, und dergleichen Kriegesübungen, bis sie geschickt waren, die Waffen zu führen. Diod. Sic. L. II. c. 46. Iustin. L. II. c. 3. §. 11. Die Knaben aber brachten sie um, oder gaben sie, nach andern, ihren Vätern zurück; Iornand ap. Bernegg. ad Iustin. l. c. oder, da sie auch, nach noch andern, ihre eigenen Männer hatten, so lähmeten sie denselben doch gleich in der Kindheit dergestalt Arme und Beine, daß sie keine Waffen führen, wohl aber zu geringen und sonst knechtischen Diensten geschickt blieben; Diod. Sic. lib. II. c. 45. wie denn die in Africa allerdings ihre Männer gehabt haben, die aber alles das in der Haushaltung thun mußten, was anderwärts den Weibern obliegt; wogegen sie das thaten, was sonst der Männer Verrichtungen sind. Zuförderst wurden diese durchaus zu keinen Kriegeshändeln gezogen, oder auf einige Weise zur Verwaltung des Regimentes, oder zu andern Geschäfften gelassen, woher sie Gelegenheit nehmen können, das Weiberjoch vom Halse zu [205] schütteln Id. lib. III. c. 53. Die sarmatischen hatten ebenfalls ihre Männer, mit denen sie zugleich in den Krieg giengen, brannten indessen aber doch ihren Mägdchen die Brüste auch ab, und führeten sie von erster Kindheit zu lauter Kriegesverrichtungen an. Es durfte keine von ihnen eher heurathen, als bis sie einen Feind erleget hatte. Mela l. c. Diese sollen eben Sauropatides geheißen haben, weil sie die σαύρας, oder Eydexen zu stoßen und zu essen gewohnt gewesen. Steph. Byz. in Ἀμαζόνες.
5 §. Tracht und Waffen. Sie giengen mit der rechten Seite bis unter die Brust bloß: das übrige aber war mit der Kleidung bedecket, doch gieng ihnen auch diese nicht weiter, als bis unter die Knie, Vid. Nummus XVII. in Scena Troica Lud. Smids, & Curt. lib. VII. c. 5. §. 27 wobey denn die Königinnen Wehrgehenke auch wohl von Golde trugen. Virg. Aen. I. v. 492. & ad eum Taubm. l. c. Sie bedieneten sich, die africanischen insonderheit, der Lanzen, Schwerter und Pfeile: statt der Harnische aber bedecketen sie sich mit großen Schlangenhäuten. Diod. Sic. lib. III. c. 54. Doch führeten auch die asiatischen ihre Lanzen, Curt. l. c. und die sarmatischen insonderheit ihre Bogen und Pfeile, Mela lib. III. c. 4. wobey die Bipennes, oder Streitäxte, Vetus Schol. ad Stat. Theb. XII. v. 526. und die Peltä, Barth. ad eumd. l. c. v. 528. beynahe für ganz eigene Waffen und Rüstungen der Amazonen gehalten werden. Uebrigens waren sie insgesammt gewohnt, so wohl zu Fuße, als auch zu Pferde, zu fechten; wie denn Myrina allein deren bis 2000 unter ihrem Heere hatte. Diod. Sic. l. c.
6 §. Bekannteste Heldinnen derselben. Diese sind: Ocyale, Dioxippe, Iphinome, Xanthe, Hippothoe, Otrere, Antioche, Laomache, Glauce, Agave, Theseis, Hippolyte, Clymene, Polydora, Penthesilea, Hygin. Fab. 163. Aella, Philippis, Prothoe, Eriböa, Celäno, Eurybia, Phobe, Deianira, Asteria, Marpe, Tekmessa, Alcippe, Menalippe, Antiope, Diod. Sic. lib. IV. c. 16. Marpesia, Lampedo, Orithyia, Thalestris, Iustin. lib. II. c. 4. Smyrna, Tan. Fab. ad[206] Iustin. l. c. Sinope, Voss. ad eumd. l. c. Myrina, Mitylene, Cyme, Pitane, Priene, Diod. lib. III. c. 55. Tragia, Isokratia, Theba, Palla, Cöa, Cönia, Steph. Byz. in Θηβαΐς. und Anäa. Id. in Ἀναία.
7 §. Thaten. Die africanischen Amazonen brachten zuerst die Insel Hesperien unter ihre Gewalt, worauf sie sich noch viel andere africanischen Nationen unterwürfig machten, und in dem tritonischen See ihre Hauptstadt erbaueten. Diod. Sic. lib. III. c. 53. Hierauf griffen sie, in die 32000 stark, unter ihrer Königinn Myrina, die Atlanteen an, eroberten die Stadt Cercene, und macheten alles erwachsene Mannsvolk darinnen nieder, das andere aber nebst dem Weibesvolke führeten sie gefangen weg, worauf sich denn die andern, aus Furcht einer gleichen Begegnung, gutwillig ergaben. Weil nun diese Atlanteen an den Gorgonen, auch einer dergleichen weiblichen Nation, ihre steten Feindinnen hatten, so griffen sie, auf dieser Veranlassen, selbige an, und erlegeten sie in einer harten Schlacht, worinnen sie denn zugleich auf die 3000 gefangen nahmen. Id. ib. c. 54. Indem sie aber diese etwas unachtsam verwahreten, so wurden sie von ihnen im Schlafe mit ziemlichem Verluste angegriffen, doch erholeten sie sich auch bald wieder, und macheten alle Gefangenen vollends nieder. Hierauf machete sich Myrina nach Aegypten, und stiftete mit dem Horus, der Isis Sohne, Freundschaft, schlug die Araber, bemächtigte sich Syriens, und empfieng von den Ciliciern ihre Geschenke, die sie dafür in ihrer Freyheit ließ. Von da gieng sie gegen den Berg Taurus, unterwarf sich dasige Nationen, und ließ endlich den Fluß Caicus das Ende ihrer Züge seyn. Sie erbauete dabey die Städte Myrina, Cymen, Pitaneus und Priene, deren erstern sie also von sich, wie den andern von ihren Heerführerinnen die Namen gab. Auch eroberte sie die Insel Lesbus, worinnen sie die Stadt Mitylene erbauete, und ihr den Namen von ihrer Schwester gab. Sie widmete dabey die Insel Samothrace [207] der Cybele, und wurde endlich in einer Schlacht mit dem Mopsus und Sipylus erleget. Da auch die Thracier die übrigen Amazonen dieser Gegend allzusehr belästigten, so machten sie sich wieder nach Libyen zurück, woselbst sie endlich insgesammt von dem Herkules aufgerieben worden. Id. ib. c. 55. Was aber die asiatischen Amazonen anbelanget, so errichteten sie ihr Reich, als ihre Männer größten Theiles in dem Kriege auswärts geblieben waren, räumeten die übrigen vollends aus dem Wege, und griffen darauf, ihre Männer zu rächen, diejenigen an, welche sie erleget hatten, die sie auch glücklich schlugen, und zum Frieden zwangen. Ihre beyden Königinnen hießen Marpesia und Lampedo, von denen eine zu Hause blieb, die andere aber außerhalb Krieg führete. Sie brachten dabey einen großen Theil von Europa unter sich, eroberten viele Städte in Asien, erbaueten daselbst die Stadt Ephesus, und giengen größten Theils mit einem großen Raube wieder nach Hause. Indem aber solcher Gestalt Marpesia in Asien sehr schwach blieb, so wurde sie von den benachbarten Feinden überfallen, und mit allen den Ihrigen aufgerieben. Ihr folgete ihre Tochter Orithyia, die sich dergestalt furchtbar machte, daß auch Euristheus dem Herkules anbefahl, als eine vermeyntlich unmögliche Sache, ihm deren Waffen zu holen. Er überfiel also diese unversehens mit 9 Schiffen der tapfersten Leute; und weil Orithyia mit einem Heere auswärts Krieg führete, so war es ihm ein leichtes, die Antiopa, die damals zu Hause regierete, zu überwinden, wobey er deren Schwestern, Menalippe und Hippolyte, gefangen bekam. Als Orithyia darauf zurück kam, so verstärkete sie sich mit des Sageus, Königes der Scythen, Hülfe, und überzog damit die Athenienser, um zuförderst die Hippolyte, welche Theseus mit weggeführet, und geheurathet hatte, wieder zu befreyen. Allein, ehe es noch zum Treffen kam, entzweyete sie sich mit des Sageus Völkern, die sich denn von ihr absonderten, und also den Atheniensern Gelegenheit gaben, sie in [208] die Flucht zu schlagen. Jedoch leisteten indessen erwähnte Scythen ihr so fern Schutz, daß sie sicher wieder in ihr Reich zurück kommen konnten. Dieser Orithyia folgete Penthesilea, welche dem Priamus nach Troja zu Hülfe gieng, allein mit den meisten ihrer Leute in solchem Kriege umkam. Da sie also sehr geschwächet waren, so erhielten sie sich zwar kümmerlich, vollends bis auf Alexanders des Gr. Zeiten, bey welchem noch deren Königinn Thalestris einen Besuch abstattete, worauf sie nach und nach insgesammt vollends vergangen. Iustin. lib. II. c. 4. Die scythischen Amazonen sollen von den asiatischen abstammen. Denn, als die Griechen einsmals in einem Kriege mit ihnen drey Schiffe voll gefangen mit wegnehmen wollten, sollen sie sich ihrer Feinde bemächtiget, und sie insgesammt umgebracht haben. Weil sie aber nicht wußten, wie sie das Schiff regieren sollten, so ließen sie es treiben, wo es hinkäme. Da sie nun endlich an das Ufer des möötischen Pfuhls anländeten, so stiegen sie aus, und stießen ungefähr auf eine Heerde Pferde, die auf der Weyde waren. Dieser bemächtigten sie sich, und streiseten damit auf die Scythen, welche sie erst insgesammt für Männer ansahen. Allein, da sie einige von ihnen gefangen bekamen, und sahen, daß es Weiber waren, so sucheten sie solche auf ihre Seite zu bringen, welches denn endlich auch angegangen. Weil sie aber unter den andern scythischen Weibern nicht bleiben wollten, so beredeten sie ihre Männer, sich mit ihnen anders wohin zu begeben, da sie denn mit ihnen nach Sarmatien zogen. Hier setzeten sie ihre vorige amazonische Lebensart so ferne fort, daß sie mit ihren Männern zugleich jageten, in den Krieg zogen, und was dergleichen mehr gewesen, auch das Gesetz beybehielten, daß keines von ihnen heurathen dürfte, sie hätte denn vorher einen Feind erleget, daher manche unter ihnen, aus Ermangelung der Gelegenheit, dem Gesetze nachzukommen, eine alte Jungfer bleiben müssen. Herodot. L. IV. sect. 110. sqq.[209]
8 §. Wahre Beschaffenheit. Daß es jemals Amazonen gegeben, leugnen einige allerdings, Strabo L. XI. p. 504. und andere glauben, daß sie Männer gewesen, welche lange Kleider getragen, die Bärte abgeschoren, und die Haare aufgeknüpfet gehabt, und also für Weiber angesehen worden. Palæphat. de Incredib. c. 33. Jedoch, da so viele glaubwürdige Geschichtschreiber ihrer Meldung thun, so sind sie so schlechterdings nicht in Zweifel zu ziehen, ob wohl sonst auch viel fabelhaftes in den Erzählungen von ihnen mit unterläuft. Es sind davon mit mehrern nachzusehen Goropius Becanus in seinen Amazonicis und Peter Petit in seiner Dissertation von den Amazonen.
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