[423] 6S. Gertrudis, V. Abbat. (15. al. 17. Nov.) Diese hl. Abtissin Gertrud, eine Schwester der hl. Mechthildis, aus dem edeln Geschlechte der Hackeborn zu Eisleben geboren im J. 1264, kam in einem Alter von 5 Jahren in das Benedictinerinnen-Kloster zu Rodersdorf (urbis Rodardae)61, wo sie erzogen wurde und dann auch ihre Gelübde ablegte. »Sie wurde von Gott besonderer Erleuchtungen gewürdiget und war in einer fast beständigen Ekstase. Sie schrieb mehrere Bücher in lateinischer Sprache, unter denen ihre Revelationes und die Insinnationes divinae pietatis die berühmtesten sind. Ihre letzte Krankheit war nicht irgend ein Körperleiden. sondern Liebesschmerz zu Jesus. Sie starb im J. 1334. und Gott verherrlichte ihr Grab durch viele Wunder.« So die Bollandisten (Jan. I. 442). Ausführlicher finden wir ihr Leben bei Butler (XVI. 471). aus welchem wir obiger Skizze Folgendes beifügen. Der Geburtsort der Heiligen war Eisleben (Islebia) in Obersachsen. wo 200 Jahre später (1483) die Wiege jenes Augustiner-Mönches stand, der sich zum »Reformator« der Kirche Gottes aufwarf, durch dessen Lehre aber bald hernach allen christlichen Lebensentfaltungen. die wir in der hl. Gertrud bewundern. in Mittel-und Norddeutschland auf lange Zeit der Todesstoß gegeben wurde. Wann die hl. Gertrud ihre Gelübde ablegte, läßt sich nicht bestimmen; Abtissin wurde sie nach dem röm. Brevier in ihrem 30 Lebensjahre (also im J. 1294. wie auch bei Butler, Lechner und Andern angegeben ist), und zwar zuerst im Kloster Rodersdorf. im folgenden Jahre aber zu Helpede oder Helfde (Elpedianum). Die lateinische Sprache hatte sie vollständig erlernt und besaß eine ungewöhnliche Kenntniß der heil. Schrift, deren Vorschriften und Geheimnisse sie in sich einlebte, wobei sie aber nicht ihrem Privatgeiste, sondern dem heil. Geiste folgte, der in der [423] katholischen Kirche beständig lebt und wirkt. Das heil. Altarssacrament, das Leben und Leiden unseres Herrn war der Gegenstand ihrer fortwährenden Betrachtung, und wenn sie von diesen heil. Geheimnissen redete, bewegte sie Alle, die sie hörte, zu denselben Empfindungen. Einst wurde sie einer Vision gewürdigt, in welcher sie das unendlich anbetungswürdige Antlitz des Erlösers in himmlicher Klarheit schaute. Aber dafür war ihr auch die Welt gekreuriget und sie der Welt; sie züchtigte ihren Leib und brachte ihn in die Dienstbarkeit des Geistes durch Wachen, Fasten und Bußwerke. Sie suchte und verlangte nur nach der göttlichen Liebe, weßhalb sie alle zeitliche Ehre und Hoheit um Jesu willen in aller Demuth dahingab und von sich selbst zu sagen pflegte, unter alten Wundern, die der Herr gewirkt habe, scheine ihr eines der größten, daß Er sie ertrage. Natürlich war sie beflissen, auch ihre zeitlichen Obliegenheiten als Oberin mit allem Eifer zu erfüllen, indem sie die demüthige Dienerin aller Schwestern war und für aller Bedürfnisse in geistlicher und leiblicher Hinsicht mütterlich sorgte. Die seligste Jungfrau Maria konnte und mußte in einem solchen Leben als Vorbild und beständige Zuflucht sich erweisen. weßhalb sie nie unterließ, sich dieser unserer Mutter und Schutzfrau aufs Eifrigste zu empfehlen. Sie sah im »Mariendienste« lediglich eine Pflicht gegen Jesus, ihren Sohn, unsern Erlöser, während man später Lästerungen gegen die heil. Jungfrau als das »reine Wort« pries. Auch die armen Seelen im Reinigungsorte vergaß sie nicht, und rief den gerechten Gott um Barmherzigkeit und Gnade für sie unablässig an. Das Erste und Höchste aber, was sie anstrebte, war »sich selbst gänzlich abzusterben und in Gott versenkt zu werden, damit sie keine andere Verrichtung mehr habe, als Ihn unadlässig zu lieben und zu vollbringen, was die Liebe auflegt.« Auch empfahl sie Allen, die dem andächtigen Leben sich widmen wollen, »sich zuweilen einen Tag zu wählen, an welchem sie dem Lobe Gottes und der Danksagung für seine Gnaden unablässig obliegen, um die Mängel zu ersetzen, die sich bei den täglichen Erhebungen des Herzens zu Gott beimischen.« Der Heimsuchung des heil. Geistes genießen oder entbehren, aus dem Leidenskelche des Heilandes trinken oder mit ihm verklärt seyn, mit Freude oder Trübsal heimgesucht werden, war für sie eins und dasselbe, weil sie vollkommen in Gottes heil. Willen ergeben war. Ueber ihr Todesjahr schwanken die Nachrichten; am gewöhnlichsten wird das J. 1334 als solches angegeben, womit auch der Umstand übereinstimmt. daß sie 70 Jahre alt geworden seyn und 40 Jahre das Amt einer Vorsteherin bekleidet haben soll. Im röm. Brevier wird ihr Feßt ritu duplici am 15. Nov. begangen. Das Mart. Rom. hat ihren Namen am 15. u. 17., Migne (Dict. iconogr.) dagegen am lg. Nov. Mehrere Wunder bezeugten, wie kostbar ihr Tod vor dem Herrn gewesen. Ihre Gebeine sollen in dem Hausschatze von Braunschweig-Lüneburg aufbewahrt sich befinden. In Eisleben scheint man ihr Andenken gänzlich vergessen zu haben. (But. XVI. 471 ff.)
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