[716] 7S. Hilarion, Abb. (21. Oct.) Dieser hl. Abt Hilarion, dessen Leben der hl. Hieronymus beschrieben hat, war in dem Flecken Tabatha, fünf Meilen südlich von Gaza in Palästina, im J. 291 von heidnischen Eltern geboren. Dieselben mußten vermöglich gewesen seyn; denn sie schickten ihren Sohn, als er die Jünglingsjahre erreicht hatte, zu den Studien nach Alexandria. Hier lernte er zugleich mit der Grammatik auch die Wissenschaft des Heils kennen und empfing die heil. Taufe. Von jetzt an war sein Sinn ganz dem Himmlischen zugekehrt; weder an dem rasenden Treiben auf dem Circus, noch an den blutigen Kämpfen der Arena, noch an den Ausschweifungen des Theaters fand er mehr Gefallen. Er lebte mitten in der volkreichen und vergnügungssüchtigen Stadt, so lange sein Beruf es verlangte, als Einsiedler, mit Gott vereint und in sich gekehrt. Da drang der Ruf des großen hl. Antonius zu ihm; er wollte ihn sehen und kennen lernen. Zwei Monate lang hielt er sich bei ihm auf und empfing Unterricht im geistlichen Leben. Von seinem Beispiele angetrieben, änderte er sein Kleid und beschloß Einsiedler zu werden. Um das J. 307 begab er sich in die Heimat zurück, wo inzwischen seine Eltern gestorben waren. Bereits hatten einzelne Gleichgesinnte sich an ihn angeschlossen. Sogleich gab er das ihm zugefallene Erbtheil zur Hälfte seinen Brüdern und zur Hälfte den Armen; für sich behielt er nichts. Dann begab er sich in die Wüste von Majuma42, die auf der einen Seite vom Meere, auf der andern von Sümpfen begränzt war, wo er ein ganz außerordentliches Büßerleben anfing. Räuber, welche ihn in seiner Einöde fanden, fragten ihn, was er thun würde, wenn ihn die Räuber überfielen. Der 18jährige junge Mann erwiderte: »Ein armer und von Allem entblößter Mensch fürchtet keine Räuber.« »»Aber sie können dir das Leben nehmen,«« entgegneten sie. »Wohl war, aber ich fürchte sie doch nicht, weil ich stets zu sterben bereit bin.« Seine Kleidung, seine Lebensweise, seine Nahrung, Alles verrieth die äußerste Abtödtung. Die Haare schnitt er sich jährlich nur einmal, um Ostern, und legte seinen Rock nur ab, wenn er gänzlich abgenützt war. Sechs Jahre lang bestand seine ganze Kost in fünfzehn Feigen, die er nach Sonnenuntergang genoß. Ost, namentlich wenn er Versuchungen zu überwinden hatte, aß er drei bis vier Tage gar nichts. Fühlte er sich sehr entkräftet, so nahm er einige dürre Feigen und etwas Kräutersaft. Dabei arbeitete er sehr streng, aber stets unter Gebet und Lobgesang, entweder im Garten oder auf freiem Felde, oder er flocht, wie die ägyptischen Mönche, Körbe. Einen großen Theil der heil. Schrift wußte er auswendig und machte täglich einige Stellen aus derselben zum Gegenstand seiner Betrachtungen. Seine Zelle glich mehr einem Grabe als einer Wohnung. Sie war etwas länger als er groß war, so daß er darin liegen konnte, aber nur vier Schuh breit und fünf hoch. Von seinem 21. bis zum 24. Jahr, begann er täglich nur eine Handvoll Linsene die er in kaltes Wasser tauchte, zu genießen; drei folgende Jahre genoß er nur trockenes Brod mit Salz und Wasser. Weiterhin aß er bis in sein 31. Jahr nur wilde Kräuter und ungekochte Wurzeln; dann bis in sein 35. Jahr nahm er täglich sechs Unzen Gerstenbrod und etwas nicht in Oel gekochtes Gemüse; von da an gebrauchte er auch etwas Oel dazu. Vom 64. bis 80. Jahr aß er endlich gar kein Brod mehr, sondern machte sich aus Mehl und kleinhacktem Gemüse [716] sein Mahl. Dieser seiner Mäßigkeit und Abtödtung wird das hohe Alter, welches er erreichte, zugeschrieben. Aber auch schwere Versuchungen, harte Kämpfe hatte er zu bestehen. Oefter war seine Seele mit tiefer Betrübniß, wie mit einem düstern Nebel, umhüllt. Zu solchen Zeiten kam es ihn schwer an zu beten; aber da er trotzdem nicht nachließ, so verscheuchte die Gnade, in welcher er wirkte, bald wieder alle Finsterniß von ihm. Die höllischen Truggebilde, die ihn von allen Seiten umringt und bedroht hatten, stoben dann auseinander. Eine große Zahl Schüler, die sich um ihn versammelten, ehrten und liebten ihn als ihren Lehrmeister und Vater. Wunder aller Art gaben zu erkennen, daß Gott mit ihm sei. Kranke wurden durch ihn geheilt, Betrübte getröstet, Besessene erlöst. Die Mittel, welche er hiebei anwendete, waren die nämlichen, welche die kathol. Kirche heute noch gebraucht: Gebet, Weihwasser, Kreuzzeichen, Handauflegung. Sein erstes Wunder wirkte er an einer Frau von Eleutheropolis, welche wegen Unfruchtbarkeit von ihrem Manne mißhandelt worden war; sie erhielt auf sein Gebet die Gnade, im folgenden Jahre Mutter zu werden. Bald darauf heilte er drei Kinder des Präfecten Elpidins zu Gaza durch die Anrufung des Namens Jesu von einer tödtlichen Krankheit. Auf den Ruf dieser Wunder erfolgte natürlich großer Volkszulauf. Auch die Zahl seiner Schüler wurde größer, und dieser Umstand nöthigte ihn, wenigstens einigermaßen für deren Nothdurft zu sorgen und Besitzungen zu erwerben. Ueber Beides wurde er sehr betrübt. Täglich vergoß er Thränen und gedachte mit unglaublicher Sehnsucht seiner frühern Einsamkeit. Als ihn eines Tages die Brüder fragten, warum er bekümmert sei, sprach er (Oct. II. 144): »Weil ich wieder in die Welt zurückgekehrt bin und schon in diesem Leben meinen Lohn empfange. In ganz Palästina, weit und breit, meinen die Leute, wie ihr sehet, ich sei etwas; unter dem Vorwande des Klosters besitze ich für die Bedürfnisse der Brüder Land und Geräthschaften.« Dieses störte seine Ruhe und hinderte ihn auch an der vollkommenen Ausübung der evangelischen Armuth. Er entschloß sich also, seinen Aufenthalt zu andern und ging nach Aegypten. Vierzig von ihm ausgewählte Brüder begleiteten ihn, die Andern alle hätten mitgehen mögen. Hier besuchte er namentlich den Berg des hl. Antonius, sowie verschiedene Klöster, ging dann wieder zurück nach Alexandria und von da in die Oase. Durch die göttliche Vorsehung war er der Ermordung durch Soldaten des Kaisers Julian nahe bei Alexandria glücklich entgangen. (Vgl. S. Hesychius10). Nach Verlauf eines Jahres schiffte er sich nach Sicilien ein. Auch hier verbreitete sich bald der Ruf seiner Heiligkeit, und er verließ deßhalb mit seinem Schüler Hesychius10, der ihm bis hieher nachgereist war, auch diesen Aufenthalt wieder, um sich zu Epidaurus (heut zu Tage Ragusa vecchia) in Dalmatien niederzulassen. Hier wirkte er, nach dem Zeugnisse des hl. Hieronymus, eines seiner größten Wunder. Die Stadt war nämlich bei Gelegenheit des Erdbebens im J. 365 in Gefahr, vom Meere überfluthet zu werden. Man lief zu dem Heiligen und führte ihn aus Ufer, als wäre er ein Damm, den die Wogen nicht überschreiten könnten. Hilarion machte drei Kreuze mit der Hand in den Sand, und sieh, plötzlich hielten die Fluthen inne und wälzten sich lawinenartig ins gewohnte Bett zurück. »So erzählt man,« sagt der hl. Hieronymus, »bis auf diese Stunde in Epidaurus und in der Gegend ringsum; Mütter machen ihre Kinder frühzeitig mit dem Wunder bekannt, damit das Andenken an dasselbe auf die Nachwelt gelangen möge.« Bald darauf änderte indessen der Heilige seinen Wohnsitz aufs Neue und schiffte sich nach Cypern ein, wo er seinen Aufenthalt zwei Meilen von Paphos nahm. Auf dieser Insel lebte er noch fünf Jahre; aber er begab sich weiter landeinwärts, wo eine vereinsamte, unfruchtbare und gebirgige Gegend war. Nur Obstbäume, von deren Frucht übrigens der Heilige nie aß, und frisches Wasser gab es. Eines Tages traf er einen Mann, welcher am ganzen Leibe gichtkrank war, vor der Thüre seines Gärtchens liegen. Er fragte (Oct. II. 146) seinen Schüler Hesychius, wer es wäre. »Es ist der gewesene Verwalter des Herrn,« gab dieser zur Antwort, »dem unser Gärtchen gehört, und der nicht weit von hier eine Villa hat.« Da weinte Hilarion und sprach: »Im Namen unseres Herrn Jesu Christi steh auf und wandle.« Noch hatte er diese Worte nicht vollendet, als der Kranke sich gesund fühlte und aufstand. Auch folgender Zug aus seinem Leben dürfte hier eine Stelle finden. Der Heilige war ein sehr vertrauter Freund des hl. Bischofs Epiphanius3.[717] Kurze Zeit vor ihrem Tode wollten sie sich nochmal sehen. Beim Mittagessen reichte Epiphanius, von welchem die Einladung ausgegangen war, dem heil. Manne etwas Geflügel. »Verzeih mir, mein Vater,« sprach Hilarion, »seit ich dieses Kleid trage, hab' ich nie mehr Geschlachtetes gegessen.« »Und ich,« erwiderte Epiphanius, »habe, seit ich dieses Kleid trage, Niemanden zur Ruhe gehen lassen, der gegen mich etwas hatte, und nie mich selbst zur Ruhe begeben, bevor ich mit Andern versöhnt war.« Der hl. Hilarion, welcher die schweren Versuchungen seines Freundes in dieser Hinsicht wohl kannte, gestand ihm nach den Bollandisten (Maj. III. 39) gern den Preis höherer Tugend zu. Obgleich aber der Heilige lange Zeit in Palästina zugebracht hatte, hat er doch nur Einmal die heil. Stätten besucht und nur einen Tag in Jerusalem zugebracht. In seinem 80. Jahre schrieb er mit eigener Hand sein Testament, in welchem er seinem Schüler und Freund Hesychius ein Evangelienbuch, eine Kapuze, einen zwilchenen Rock und einen Mantel – Alles von seinem vor ein paar Tagen verstorbenen Diener Zananus – vermachte. Bald darauf erkrankte er, und die Schwäche seines Leibes nahm so überhand, daß alle natürliche Wärme aus demselben entwich, und er außer dem immer noch regen Tastsinn kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Doch redete er noch mit offenen Augen. In seiner letzten Stunde überkam ihn noch eine Furcht vor Gottes Gericht. Er beruhigte sich aber bald und sagte: »Zieh hin, meine Seele, warum fürchtest du dich? Siebenzig Jahre beinahe hast du deinem Erlöser gedient, und der Tod sollte dir schrecklich seyn?« Kaum hatte er so geredet, als er den Geist aufgab, ungefähr 84 Jahre alt, im J. 371 oder 372. Hesychius brachte seinen Leichnam heimlich nach Palästina, um ihn im Kloster von Majuma zu bestatten. Sowohl hier als auf der Insel Cypern blieb sein Andenken im Segen. Auf seine Fürbitte ereigneten sich an beiden Orten große Wunder; doch größere immerhin in seinem Gärtchen zu Cypern, wahrscheinlich weil dieses sein Lieblings-Aufenthalt war. Dargestellt wird er als Einsiedler, mit einem Felle bekleidet und einen Drachen neben sich, weil er nach Menzel (Symb. I. 211) einen Drachen tödtete oder mit dem Kreuzzeichen verjagte. Nach Andern verbrannte er einen Drachen auf einem Holzstoße. Wahrscheinlich ist auch dieser hl. Hilarion gemeint, wenn es bei Menzel (Symb. I. 334) heißt, daß er am Geruche eines Menschen die jedesmalige Sünde desselben erkannte, oder Symb. II. 222, daß Pferde im Wettlaufe siegen, wenn man sie mit Wasser aus dem Kruge des hl. Hilarion besprengt. – Sein Name findet sich auch im Mart. Rom. am 21. Oct., an welchem Tage er auch im röm. Brevier sub ritu simpl. vorkommt. (But. XV. 384.)
Heiligenlexikon-1858: Hilarion, S. (2) · Hilarion, S. (1) · Hilarion Britannus (16) · Hilarion, S. (3) · Hilarion, S. (6) · Hilarion, S. (5) · Hilarion, S. (4) · Hilarion ab Jaiols (15) · Hilarion (12) · Hilarion (11) · Hilarion (10) · Hilarion (13) · Hilarion (9) · Hilarion (8) · Hilarion (14)
Buchempfehlung
In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro