Thomas Morus (107)

[546] 107Thomas Morus (More), (6. al. 7. Juli), Kanzler von England und Martyrer, im J. 1480 zu London geboren, war der Sohn eines Richters der Königsbank. Er pflegte von Jugend auf mit Erfolg die Wissenschaften, und verband mit dem Studium der lebenden und todten Sprachen, wie es sein Zeitalter mit sich brachte, das der humanistischen Wissenschaften. Er schwankte eine Zeit lang, ob er in's Kloster gehen solle oder nicht. Später verheirathete er sich, und führte ein musterhaftes Familienleben. Seine politische Thätigkeit lassen wir hier bei Seite und erwähnen nur, daß er als der treueste, in allen Geschäften bewandertste Diener des Königs Heinrich VIII. von demselben zum Reichskanzler erkoren wurde. Als aber der König, um die ehebrecherische Heirat mit Anna Boulein zu vollziehen, sich von der römischen Kirche lossagte, und die sogenannte Reformation annahm, gab Thomas die Siegel ab, und zog sich in's Privatleben zurück. Weit entfernt, ihn in seiner Zurückgezogenheit im Frieden zu lassen, nahm der König seine [546] Zuflucht zu allen Arten von Mitteln, um ihm den Eid der geistlichen Obergewalt abzudringen, den der Fürst von seinen Unterthanen forderte. Man warf ihn in's Gefängniß, man entzog ihm seine Bücher, man verstärkte die Härte seiner Gefangenschaft mit unmenschlichen Mißhandlungen. Seine Freunde, gerührt von seinem traurigen Schicksale und fürchtend für die Zukunft, stellten ihm vor, daß er ohne Bedenken sich der Ansicht des englischen Parlaments anschließen könne. »Wenn ich allein dastünde gegen das ganze Parlament«, erwiderte er, »so würde ich mir selbst mißtrauen; nun habe ich aber die ganze katholische Kirche für mich, dieses große Parlament der Christenheit.« Sein Weib beschwor ihn, sich seinen Kindern zu erhalten, deren einzige Stütze er sei. »Wie viel glaubt ihr,« fragte er sie, »daß ich noch Jahre zu leben habe?« »Mehr als 20 Jahre,« erwiederte sie. »O mein Weib! willst du also, daß ich die Ewigkeit gegen 20 Jahre dahingebe?« Als Heinrich VIII. ihn unerschütterlich sah, ließ er ihm den Kopf abschlagen, am 6. Juli 1535, da Morus 55 Jahre zählte. Er war jederzeit wahrhaft fromm gewesen; er widmete auch die Zeit, die zwischen seiner Verurtheilung und seinem Tode verstrich, dem Gebete. Am Abend vor seiner Hinrichtung schrieb er an Margareta, seine liebste Tochter, einen Brief, worin er ihr sagt, er brenne vor Verlangen, seinen Gott zu sehen, und es sei für ihn ein großes Glück, am nächsten Tage zu sterben, welcher die Octave des Apostelfürsten und das Fest der Translation des hl. Thomas von Canterbury, seines Patrons, sei. Dieser Brief war mit Kohle auf ein Stück Papier geschrieben, das er in seinem Gefängnisse gefunden hatte; denn man versagte ihm Alles, was seine Haft hätte erleichtern können. Als er die Stufe der Hinrichtbühne hinaufgestiegen war festen Schritts und ruhigen Angesichts, stimmte er das Miserere an und nahm das Volk zum Zeugen, daß er für den apostolischen, römisch-katholischen Glauben sterbe.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 546-547.
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