Bewußtsein

[522] Bewußtsein äußert sich als Macht der Seele, sich von Allem zu unterscheiden, was nicht in ihr selbst ist, d.h. von der Außenwelt, zu der auch der eigene Leib gehört. Bei den Thieren steigert sich das B. vom Gemeingefühl der niedersten und pflanzenähnlichen bis zur bedingten Wahlfreiheit der vornehmsten Säugethiere, welche Einbildung, Gedächtniß und Erinnerung voraussetzt. Vom Thiere unterscheidet sich der Mensch zunächst, indem sich sein B. zum Selbstbewußtsein steigert, vermöge dessen er 1. die Außenwelt von sich selbst; 2. die Vorstellungen der Dinge von diesen [522] unterscheidet, 3. als deren Urheber sich erkennt und so sich selbst zum Gegenstande seiner Betrachtung machen kann. Weil der Mensch Selbstbewußtsein hat, ist er Geist, Persönlichkeit. Die Ausdrücke politisches, kirchliches, künstlerisches B. u.s.w. bezeichnen ungenau das Verhältniß des Menschen zur Politik. Kirche, Kunst u.s.w. und ähnliche können auf alle Lebensbeziehungen angewendet werden. – In der Ohnmacht, in gewissen Krankheiten, büßen Thiere u. Menschen ihr B. ein, vielleicht auch im Schlafe, aber in Trunkenheit und noch mehr im Traumleben wird nur das Selbstbewußtsein mehr oder minder verdunkelt.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 522-523.
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