Francke [1]

[747] Francke, August Hermann, der durch werkthätige Christusliebe ausgezeichnete Stifter des Halleʼschen Waisenhauses, geb. 1663 zu Lübeck, studierte in Kiel und Leipzig Philosophie und Theologie und schloß sich in Dresden an Spener an, welcher die Lehre der Orthodoxen von der Rechtfertigung allein durch den Glauben mit den Waffen des Gemüthes bekämpfte. F. wurde 1684 Magister in Leipzig und hielt vielbesuchte practische Vorlesungen über die Bibel, aber der Haß der Orthodoxen trieb ihn trotz der warmen Vertheidigung des Thomasius 1690 nach Erfurt, wo er als Diakon an der Augustinerkirche predigte, bis er im Herbst 1691 die Stadt binnen 24 Stunden für immer verlassen mußte. Aber 1692 ward er nach Halle berufen, half die junge Universität organisiren, wurde Professor und zugleich Pfarrer des nahen Glaucha. Der arg verwilderte Zustand der Pfarrgemeinde nahm F.s ganzes Gottesvertrauen und ganze Menschenliebe in Anspruch u. die geringe Fruchtbarkeit aller Ermahnungen [747] und Unterstützung der Einzelnen reiste den Gedanken seiner Stiftung, welche aus winzigen Anfängen und mit großen Hindernissen erwuchs u. bei seinem Tode 1727 bereits den großartigsten Umfang hatte. Mit dem Waisenhause, wozu F. den Grundstein 1698 legte, wurden eine Armenschule, eine latein. Schule, eine Bürgerschule und ein Lehrerseminar verbunden, worin 134 Waisen Erziehung, 2207 Schüler meist unentgeldlichen Unterricht, einige 100 arme Schüler u. 255 arme Studenten auch Kost dazu fanden. Die Bibliothek zählte 1721 schon 18000 Bände, die Buchdruckerei begann mit einer Predigt F.s, mit ihr verband F.s Freund, der Freiherr von Canstein, die nach ihm benannte Bibelanstalt, welche von 1715 bis 1795 über 1 etc. Million Bibeln, 800000 neue Testamente, 100000 Liederbücher für Soldaten u. eine Unzahl Psalter lieferte. Auch eine Apotheke, Werkstätten, wissenschaftl. Sammlungen fehlten nicht. F. sandte 1705 auch die ersten Missionäre nach Malabar, half bei Errichtung einer malabar. Druckerei, ordnete 1710 die noch heute fortdauernde Veröffentlichung der Missionsnachrichten an und wirkte als Prediger und theolog. Schriftsteller, dessen Predigten und Werke durch ihr biblisch-practisches Gepräge sich auszeichnen. Noch heute zählt das Waisenhaus bei 800 Bewohner, die jährlichen Einkünfte werden auf 190000 Thaler berechnet; 1827 wurde der 100jähr. Todestag des Stifters gefeiert und ihm in der Anstalt 1829 ein entsprechendes Denkmal gesetzt.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 747-748.
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