Glaube

[88] Glaube, die feste Ueberzeugung von einer Wahrheit, deren Gegenstand der unmittelbaren Untersuchung unserer Sinne und des Verstandes unzugänglich ist, dann das Fürwahrhalten der Aussage eines andern. Insofern alle Erkenntniß, die abstracteste Philosophie u. Mathematik nicht ausgenommen, von allgemeinen Thatsachen des Bewußtseins ausgeht, welche sich nicht beweisen lassen, beruht alles Wissen und alle Gewißheit auf G., natürlichem G. n. Dagegen läßt sich der G. als die unmittelbare Gewißheit von der Wahrheit der Ideen der Vernunft vom Wissen hinsichtlich des Ursprunges unterscheiden, insofern letzteres als die durch Sinnes- und Verstandesthätigkeit vermittelte Erkenntniß aufgefaßt wird. Im höheren Sinne bezeichnet G. den Inbegriff dessen, was in religiöser Beziehung geglaubt wird und im allgemeinen eben so gut auf Religion als auf Afterreligion, Unglaube und Aberglaube hinaus laufen kann. Der christl. G. ist die feste Ueberzeugung und das lebendige Durchdrungensein von der Wahrheit der göttl. Offenbarung in Christo und wird besonders im Sendschreiben an die Hebräer charakterisirt. Dieser G. ist eben so sehr ein Akt der erkennenden Vernunft u. der mitwirkenden Gnade Gottes als des freien Willens und deßhalb auch eine Tugend, welche mit der Liebe und Hoffnung die 3 sog. göttl. Tugenden ausmacht.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 88.
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