Korvei, Neucorbie

[645] Korvei, Neucorbie, lat. Cerbeja, die einst weltberühmte, 1803 säcularisirte Benedictinerabtei, liegt 1/2 Stunde von Höxter im westfälischen Reg.-Bez. Minden, mit schöner Kirche. – In Sachsen ein Kloster nach dem Muster von Corbie an der Somme in der Picardie zu gründen, war ein Lieblingsgedanke Karls d. Gr. Doch erst 815 verwirklichte Adelhard der jüngere diesen Gedanken durch Erbauung eines Klosters K. im Solingerwald, wo jetzt das braunschweigʼsche Jagdschloß Neustadt steht; Adelhard der ältere verlegte das Kloster in den Bezirk der königlichen Villa Huxera oder Huxori an der Weser (Höxter) u. 822 ward es eingeweiht. Ludwig der Fromme und die Kaiserin Judith statteten die neue Stiftung reichlich aus, allmälig wurde dieselbe unermeßlich reich, später gefürstete Abtei u. noch 1794 Bisthum. Die Klosterschule war Jahrhunderte lang eine wahre Sonne der Bildung für Sachsen und ganz Nordeuropa; gleich anfangs lehrte man hier neben der Theologie alte Sprachen, Mathematik, Astronomie, Medicin. Die Bibliothek wurde eine Zufluchtsstätte alter Handschriften, wie man z.B. die verloren geglaubten ersten 5 Bücher des Tacitus in K. auffand. Am heilsamsten aber wirkte K. durch seine Missionäre, die unablässig bis zum äußersten Norden drangen, nachdem schon 959 Kaiser Otto d. Gr. den Adelbert, den spätern Erzbischof von Magdeburg, nach Rußland entsandt hatte. Mönche von K. hatten fast ununterbrochen die Bischofstühle von Bremen und Hamburg inne und manche damit genügend zu thun, die Thaten ihrer Mitbrüder aufzuzeichnen (Chronicon Corbejense). Seit Luthers Auftreten erging es dem uralten Stifte begreiflicherweise nicht allzu gut, im 30jährigen Kriege wurde auch die kostbare Bibliothek ein Raub der Plünderung u. der Flammen, 1648 gab der Abt die unfruchtbaren Ansprüche von K. auf den Besitz der Insel Rügen auf. Durch die Säcularisation, zu welcher Zeit K. ein Gebiet [645] von etwa 3 Meil. Länge und 2 Meil. Breite mit 10–11000 Einw. hatte, wurde es zunächst den »Entschädigungen« des Fürsten von Nassau und Oranien beigefügt, 1807 westfäl., 1815 preuß., von Preußen den Landgrafen von Hessen-Rotenburg überlassen u. zu einem Mediatfürstenthum gemacht 1822; seit 1834 ist K. im Besitze des Fürsten von Hohenlohe-Schillingsfürst. – Vgl. P. Wigandʼs »Geschichte der gefürsteten Reichsabtei Corvey« Höxter 1819; dann »die korveischen Geschichtsquellen« Lpzg. 1841, worin er den 1712 gest. Geschichtschreiber Paullini als den Verfasser des 1823 von Wedekind hrsggb. Chronicon Corbejense nachzuweisen suchte.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 645-646.
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