[735] Witz (von wissen), früher gleichbedeutend mit Verstand, Scharfsinn, Einsicht; heutzutage versteht man unter W. die schnell wie ein unmittelbares Gefühl wirkende Fähigkeit, die Aehnlichkeiten, Unähnlichkeiten u. überhaupt die wechselseitigen Beziehungen der Gegenstände, selbst der verschiedenartigsten, zu entdecken und aufzufassen, namentlich die Fähigkeit, durch überraschende Vergleichungen und Beziehungen Lachen zu erregen. Der W. soll nicht absichtlich u. gesucht sein, sonst wird er leicht schaal [735] und läppisch; er soll nicht auf Aehnlichkeiten gerichtet sein, welche die Einbildungskraft nicht interessiren, sonst verfehlt er seine Wirkung; endlich soll er die Gränzen des Sittlichen u. Heiligen niemals überschreiten, sonst wird er gemein und frivol. Uebrigens entscheiden in Sachen des W.es die Seelenstimmung, die Bildungsstufe und Gesinnung der Zuhörer oder Leser soviel, daß ein und derselbe W. dem einen als ein kostbarer Einfall, seinem Nachbar als eine erbärmliche Plattheit erscheint, ja daß ein und derselbe W. ein und denselben Menschen je nach seiner Gemüthsverfassung heute zum Lachen bringt, morgen anwidert, ja ärgert und empört. Eine befriedigende Erklärung über das Wesen des W.es hat uns noch kein Philosoph und kein W. bold gegeben, vielleicht könnte man den W. am passendsten Humor und Satire des Augenblicks nennen. Daß die Franzosen ein witziges Volk sind, ist bekannt, ebenso daß der Humor der Deutschen sich keineswegs vorzugsweise in W. worten, witzigen Einfällen u.s.f. äußert; wie selten letztere in Deutschland gelingen, dafür liefern sog. witzige Blätter z.B. der Kladderadatsch mit seinen forcirten Berlinerwitzen in jeder Nummer Belege, nicht minder »Knallerbsen«, »Du sollst und mußt dich todtlachen« und Machwerke mit ähnlichen Titeln.