Beispiel

[92] Beispiel (exemplum) heißt der einzelne aus der Erfahrung geschöpfte konkrete Fall, insofern er dazu dient, einen Begriff oder Satz durch eine Anschauung zu beleuchten oder eine allgemeine Regel durch eine einzelne Tatsache zu bestätigen. Das einzelne Beispiel beweist positiv wenig; es kann aber negativ beweisen, daß eine für allgemein gehaltene Regel auch Ausnahmen hat. Andrerseits haben viele Beispiele zusammen eine Beweiskraft (Induktion), mit der man sich auf manchen Gebieten begnügen muß. Besonders auf dem Gebiete des Lebens, des Unterrichts, des Rechtes, der Kunst und der Wissenschaft haben Beispiele große Bedeutung, weil sie sowohl die Ausführbarkeit einer Vorschrift beweisen, als auch zur Nacheiferung anspornen. Jedoch beweisen noch so viele Beispiele der Unsittlichkeit nichts gegen die Gültigkeit der Moralgesetze, wenn diese in unserer Vernunft begründet sind. Im allgemeinen gilt von den Beispielen die Regel: exempla illustrant, non probant. (Beispiele erläutern, aber beweisen nicht).

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 92.
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