[513] Reue (mhd. riuwe, eigtl. Schmerz, Kummer) nennt man die Unlust, die man über einen begangenen Fehler empfindet und aus der der Wunsch entspringt, ihn nicht begangen zu haben, ihn künftig zu meiden und ihn wieder gutzumachen. Wir bereuen gewöhnlich, was uns Unheil gebracht hat; manches bereuen wir aber auch, trotzdem es uns keinen Schaden, ja vielleicht Vorteil gebracht hat, weil wir es als Unrecht erkennen. Die Reue gehört zu den peinigendsten Gefühlen. Weder Zerstreuung, noch Vernunftgründe, noch Askese helfen dagegen etwas; nur die Zeit und die emsige Arbeit lindern sie; doch bricht in tieferen Naturen die Reue immer wieder hervor. Es besser zu machen ist jedenfalls die beste Reue. Schopenhauer (1788 – 1860) lehrt, die Reue entspringe nie daraus, daß der Wille, sondern daraus, daß die Erkenntnis sich geändert habe. Wir bereuten deshalb nie, was wir gewollt, wohl aber, was wir getan hätten, weil wir, durch falsche Begriffe geleitet, etwas taten, das unserem Willen nicht gemäß war. Die Einsicht in diesen Irrtum sei die Reue. Immer sei sie die berichtigte Erkenntnis des Verhältnisses der Tat zur eigentlichen Absicht. Doch ist diese Auffassung Schopenhauers kaum haltbar; sie ist nur eine Konsequenz seiner metaphysischen Willenslehre und fällt zugleich mit dieser. – Gewissensangst dagegen ist nicht Reue, sondern Schmerz, welcher aus der [513] Erkenntnis unser selbst, unserer sittlichen Schwäche fließt. Vgl. Gewissen.