Der Pudel

[149] Ich kenne eine ganz junge Person, die es sich vornahm, innerlich so zu sein wie ein weißer Pudel. Da sie hellblond ist, sage ich »weißer« Pudel. Denn auch die schwarzen Pudel haben »Pudeltreue«. Sie sind übrigens abgekommen, die Pudel, sie sind zu fad mit ihrer ewigen, gleichmäßigen, fast vergifteten Treue (nichts als treu, pfui!); man bevorzugt heute Affenpinscher (herzig-lieb, ach Gott!), Bullys (Gott, wie süß er ist, dreht sich um sich selbst vor Freude!), Dackel (er will nicht folgen, ist also edelrassig!), aber Pudel, die ewig gekränkt sind und treu, nein, das gehört einer früheren Generation an; welche Anregung bietet es, man weiß ja schon, daß er uns fanatisch lieb hat, und?! Was ist dabei Besonderes?![149] Sie, die junge blonde Dame, hatte es sich also vorgenommen, ganz so, innerlich nämlich, zu sein wie ein weißer Pudel. Treu, treu, treu, und treu. Das kann man sich nämlich gar nicht vornehmen, auch ein geborener Pudel kann es sich nicht vornehmen, sondern man ist es, oder man ist es nicht. Nun, sie war es zufällig. Was kam dabei heraus?! Gar nichts. Er sagte stets begeistert, in allen Tonarten: »Sie ist ein weißer Pudel!« Niemand glaubte es ihm, und die, die es ihm glaubten, dachten: »Na, und wenn schon?!« Infolgedessen sehnte er sich nach einem »Affenpinscher«, figürlich nämlich, nein, nicht figürlich natürlich. Endlich kam Einer, Eine. Der weiße Pudel war schrecklich gekränkt. Das hat man von dieser faden tragischen Pudeltreue. Da wird man doch lieber gleich ein Affenpinscher. Ja, wenn man sich Das nur so anschaffen könnte!?

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 149-150.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Mein Lebensabend
Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]