Siebenunddreißigstes Abenteuer.

[324] Wie Rüdiger erschlagen ward.


Die Heimatlosen hatten / am Morgen viel getan.

Der Gemahl Gotlindens / kam zu Hof heran

Und sah auf beiden Seiten / des großen Leids Beschwer:

Darüber weinte inniglich / der getreue Rüdiger.


»O weh, daß ich das Leben,« / sprach der Held, »gewann,

Und diesem großen Jammer / nun niemand wehren kann.

So gern ich Frieden schüfe, / der König gehts nicht ein,

Da ihm das Unheil stärker, / immer stärker bricht herein.«[324]


Zu Dietrichen sandte / der gute Rüdiger,

Ob sie's noch könnten wenden / von den Köngen hehr.

Da entbot ihm der von Berne: / »Wer möcht ihm widerstehn?

Es will der König Etzel / keine Sühne mehr sehn.«


Da sah ein Heunenrecke / Rüdigern da stehn

Mit weinenden Augen, / wie er ihn oft gesehn.

Er sprach zu der Königin: / »Nun seht, wie er da steht,

Den ihr und König Etzel / vor allen andern habt erhöht,


Und dem doch alles dienet, / die Leute wie das Land.

Wie sind so viel der Burgen / an Rüdigern gewandt,

Deren er so manche / von dem König haben mag!

Er schlug in diesen Stürmen / noch keinen löblichen Schlag.


Mich dünkt, ihn kümmert wenig, / was hier mit uns geschieht,

Wenn er nach seinem Willen / bei sich die Fülle sieht.

Man rühmt, er wäre kühner, / als jemand möge sein:

Das hat uns schlecht bewiesen / in dieser Not der Augenschein.«


Mit traurigem Mute / der vielgetreue Mann,

Den er so reden hörte, / den Heunen sah er an.

Er gedachte: »Des entgiltst du; / du sagst, ich sei verzagt:

Da hast du deine Mären / zu laut bei Hofe gesagt.«


Er zwang die Faust zusammen: / da lief er ihn an

Und schlug mit solchen Kräften / den heunischen Mann,

Daß er ihm vor die Füße / niederstürzte tot:

Da war gemehrt aufs neue / dem König Etzel die Not.


»Fahr hin, nichtswürdger Bösewicht,« / sprach da Rüdiger,

»Ich hatte doch des Leides / genug und der Beschwer.

Daß ich hier nicht fechte, / was rügst du mir das?

Wohl trüg auch ich den Gästen / mit Grunde feindlichen Haß,[325]


Und alles, was ich könnte, / tät ich ihnen an,

Hätt' ich nicht hierher geführt, / die Gunthern untertan.

Ich war ihr Geleite / in meines Herren Land:

Drum darf sie nicht bestreiten / meine unselge Hand.«


Da sprach zum Markgrafen / Etzel der König hehr:

»Wie habt ihr uns geholfen, / viel edler Rüdiger!

Wir hatten doch der Toten / so viel in diesem Land,

Daß wir nicht mehr bedurften: / mit Unrecht schlug ihn eure Hand.«


Da sprach der edle Ritter: / »Er beschwerte mir den Mut

Und hat mir bescholten / die Ehre wie das Gut,

Des ich aus deinen Händen / so große Gaben nahm,

Was nun dem Lügenbolde / übel auch zustatten kam.«


Da kam die Königstochter, / die hatt' es auch gesehn,

Was von des Helden Zorne / dem Heunen war geschehn.

Sie beklagt' es ungefüge, / ihre Augen wurden naß.

Sie sprach zu Rüdigeren: / »Wie verdienten wir das,


Daß ihr mir und dem König / noch mehrt unser Leid?

Ihr habt uns, edler Rüdiger, / verheißen allezeit,

Ihr wollet für uns wagen / die Ehre wie das Leben,

Auch hört ich viel der Recken / den Preis des Mutes euch geben.


Ich mahn euch nun der Treue, / die mir schwur eure Hand,

Da ihr mir zu Etzeln rietet, / Ritter auserkannt,

Daß ihr mir dienen wolltet / bis an unsern Tod.

Des war mir armem Weibe / noch niemals so bitter Not.«


»Das kann ich nicht leugnen, / ich schwur euch, Königin,

Die Ehre wie das Leben / gäb ich für euch dahin;

Die Seele zu verlieren / hab ich nicht geschworen.

Zu diesem Hofgelage / bracht ich die Fürsten wohlgeboren.«[326]


Sie sprach: »Gedenke, Rüdiger, / der hohen Eide dein

Von deiner steten Treue, / wie du den Schaden mein

Immer wolltest rächen / und wenden all mein Leid.«

Der Markgraf entgegnete: / »Ich war euch stets zu Dienst bereit.«


Etzel der reiche / hub auch zu flehen an.

Da warfen sie sich beide / zu Füßen vor den Mann.

Den guten Markgrafen / man da in Kummer sah;

Der vielgetreue Recke, / jammervoll begann er da:


»O weh mir Unselgem, / muß ich den Tag erleben!

Aller meiner Ehren / soll ich mich nun begeben,

Aller Zucht und Treue, / die Gott mir gebot;

O weh, Herr des Himmels, / daß mirs nicht wenden will der Tod!


Welches ich nun lasse, / das andre zu begehn,

So ist doch immer übel / und arg von mir geschehn.

Was ich tu und lasse, / so schilt mich alle Welt.

Nun möge mich erleuchten, / der mich dem Leben gesellt!«


Da baten ihn so dringend / der König und sein Weib,

Daß bald viel Degen mußten / Leben und Leib

Von Rüdgers Hand verlieren, / und selbst der Held erstarb.

Nun mögt ihr bald vernehmen, / welchen Jammer er erwarb.


Er wußte wohl, nur Schaden / und Leid sei sein Gewinn.

Er hätt' es auch dem König / und der Königin

Gern versagen wollen: / der Held besorgte sehr,

Erschlüg er ihrer einen, / daß er der Welt ein Greuel wär.


Da sprach zu dem Könige / dieser kühne Mann:

»Herr Etzel, nehmt zurücke, / was ich von euch gewann,

Das Land mit den Burgen; / bei mir soll nichts bestehn:

Ich will auf meinen Füßen / hinaus in das Elend gehn.[327]


Alles Gutes ledig / räum ich euer Land,

Mein Weib und meine Tochter / nehm ich an die Hand,

Eh ich so ohne Treue / entgegen geh dem Tod:

Das hieß' auf üble Weise / verdienen euer Gold so rot.«


Da sprach der König Etzel: / »Wer aber hülfe mir?

Mein Land mit den Leuten, / das alles geb ich dir,

Daß du mich rächest, Rüdiger, / an den Feinden mein:

Du sollst neben Etzeln / ein gewaltger König sein.«


Da sprach wieder Rüdiger: / »Wie dürft ich ihnen schaden?

Heim zu meinem Hause / hab ich sie geladen,

Trinken und Speise / ich ihnen gütlich bot,

Dazu meine Gabe; / und soll ich sie nun schlagen tot?


Die Leute mögen wähnen, / ich sei zu verzagt.

Keiner meiner Dienste / war ihnen je versagt:

Sollt ich sie nun bekämpfen, / das wär nicht wohlgetan.

So reute mich die Freundschaft, / die ich an ihnen gewann.


Geiselher dem Degen / gab ich die Tochter mein;

Sie konnt auf Erden nimmer / besser verwendet sein,

Seh ich auf Zucht und Ehre, / auf Treu oder Gut.

Nie ein so junger König / trug wohl tugendreichern Mut.«


Da sprach wieder Kriemhild: / »Viel edler Rüdiger,

Nun laß dich erbarmen / unsres Leids Beschwer,

Mein und auch des Königs; / gedenke wohl daran,

Daß nie ein Wirt auf Erden / so leide Gäste gewann.«


Da begann der Markgraf / zu der Königin hehr:

»Heut muß mit dem Leben / entgelten Rüdiger,

Was ihr und der König / mir Liebes habt getan:

Dafür muß ich sterben, / es steht nicht länger mehr an.[328]


Ich weiß, daß noch heute / meine Burgen und mein Land

Euch ledig werden müssen / von dieser Helden Hand.

So befehl ich euch auf Gnade / mein Weib und mein Kind

Und all die Heimatlosen, / die da zu Bechlaren sind.«


»Nun lohne Gott dir, Rüdiger!« / der König sprach da so;

Er und die Königin, / sie wurden beide froh;

»Uns seien wohlbefohlen / alle Leute dein;

Auch trau ich meinem Heile, / du selber werdest glücklich sein.«


Da setzt' er auf die Wage / die Seele wie den Leib.

Da begann zu weinen / König Etzels Weib.

Er sprach: »Ich muß euch halten / den Eid, den ich getan.

O weh meiner Freunde! / wie ungern greif ich sie an.«


Man sah ihn von dem König / hinweggehn trauriglich.

Da fand er seine Recken / nahe stehn bei sich:

Er sprach: »Ihr sollt euch waffnen, / ihr all in meinem Lehn:

Die kühnen Burgunden / muß ich nun leider bestehn.«


Nach den Gewaffen riefen / die Helden allzuhand:

Ob es Helm wäre / oder Schildesrand,

Von dem Ingesinde / ward es herbeigetragen.

Bald hörten leide Märe / die stolzen Fremdlinge sagen.


Gewaffnet ward da Rüdiger / mit fünfhundert Mann;

Darüber zwölf Recken / zu Hilf er sich gewann.

Sie wollten Preis erwerben / in des Sturmes Not;

Sie wußten nicht die Märe, / wie ihnen nahe der Tod.


Da sah man unterm Helme / den Markgrafen gehn;

Scharfe Schwerter trugen / die in Rüdgers Lehn,

Dazu vor den Händen / die lichten Schilde breit.

Das sah der Fiedelspieler; / dem war es ohne Maßen leid.[329]


Da sah der junge Geiselher / seinen Schwäher gehn

Mit aufgebundnem Helme. / Wie mocht er da verstehn,

Wie er damit es meine, / es sei denn treu und gut?

Da gewann der edle König / von Herzen fröhlichen Mut.


»Nun wohl mir solcher Freunde,« / sprach da Geiselher,

»Wie wir gewonnen haben / auf der Fahrt hierher.

Meines Weibes willen / ist uns Hilfe nah:

Lieb ist mir, meiner Treue, / daß diese Heirat geschah.«


»Wes ihr euch wohl tröstet!« / sprach der Fiedelmann:

»Wann saht ihr noch zur Sühne / so viel der Helden nahn

Mit aufgebundnen Helmen, / die Schwerter in der Hand?

Er will an uns verdienen / seine Burgen und sein Land.«


Eh der Fiedelspieler / die Rede sprach voll aus,

Den edeln Markgrafen / sah man schon vor dem Haus.

Seinen Schild, den guten, / setzt' er vor den Fuß:

Da mußt er seinen Freunden / versagen dienstlichen Gruß.


Rüdiger der edle / rief da in den Saal:

»Ihr kühnen Nibelungen, / nun wehrt euch allzumal.

Ihr solltet mein genießen, / ihr entgeltet leider mein;

Wir waren ehmals Freunde: / der Treue will ich ledig sein.«


Da erschraken dieser Märe / die Notbedrängten schwer:

Ihnen war der Trost entsunken, / den sie gewähnt vorher,

Da sie bestreiten wollte, / dem jeder Liebe trug.

Sie hatten von den Feinden / schon Leid erfahren genug.


»Das verhüte Gott vom Himmel!« / sprach Gunther der Degen,

»Daß ihr eurer Freundschaft / tätet so entgegen

Und der großen Treue, / darauf uns sann der Mut:

Ich will euch wohl vertrauen, / daß ihr das nimmermehr tut.«[330]


»Es ist nicht mehr zu wenden,« / sprach der kühne Mann:

»Ich muß mit euch streiten, / wie ich den Schwur getan.

Nun wehrt euch, kühne Degen, / wenn euch das Leben wert,

Da mir die Königstochter / nicht andre Willkür gewährt.«


»Ihr widersagt uns nun zu spät,« / sprach der König hehr.

»Nun mög euch Gott vergelten, / viel edler Rüdiger,

Die Treu und die Liebe, / die ihr uns habt getan,

Wenn ihr bis ans Ende / auch halten wolltet daran.


Wir wollen stets euch danken, / was ihr uns habt gegeben,

Ich und meine Freunde, / lasset ihr uns leben,

Die herrlichen Gaben, / als ihr uns brachtet her

In Etzels Land mit Treue: / des gedenket, edler Rüdiger.«


»Wie gern ich euch das gönnte,« / sprach Rüdiger der Degen,

»Daß ich euch meiner Gabe / die Fülle dürfte wägen

Nach meinem Wohlgefallen; / wie gerne tät ich das,

So es mir nicht erwürbe / der edlen Königin Haß!«


»Laßt ab, edler Rüdiger,« / sprach wieder Gernot,

»Nie ward ein Wirt gefunden, / der es den Gästen bot

So freundlich und so gütlich, / als uns von euch geschehn.

Des sollt ihr auch genießen, / so wir lebendig entgehn.«


»Das wollte Gott,« sprach Rüdiger, / »viel edler Gernot,

Daß ihr am Rheine wäret, / und ich wäre tot:

So rettet' ich die Ehre, / da ich euch soll bestehn!

Es ist noch nie an Degen / von Freunden übler geschehn.«


»Nun lohn euch Gott, Herr Rüdiger,« / sprach wieder Gernot,

»Eurer reichen Gabe. / Mich jammert euer Tod,

Soll an euch verderben / so tugendlicher Mut.

Hier trag ich eure Waffe, / die ihr mir gabet, Degen gut.[331]


Sie hat mir noch nie versagt / in all dieser Not;

Es fiel vor ihrer Schärfe / mancher Ritter tot.

Sie ist stark und lauter, / herrlich und gut:

Gewiß, so reiche Gabe / kein Recke je wieder tut.


Und wollt ihr es nicht meiden / und wollt ihr uns bestehn,

Erschlagt ihr mir die Freunde, / die hier noch bei mir stehn,

Mit euerm Schwerte nehm ich / Leben euch und Leib:

So reut ihr mich, Rüdiger, / und euer herrliches Weib.«


»Das wolle Gott, Herr Gernot, / und möcht es geschehn,

Daß hier nach euerm Willen / alles könnt ergehn,

Und euern Freunden bleiben / Leben möcht und Leib:

Euch sollten wohl vertrauen / meine Tochter und mein Weib.«


Da sprach von Burgunden / der schönen Ute Kind:

»Wie tut ihr so, Herr Rüdiger? / Die mit mir kommen sind,

Die sind euch all gewogen; / ihr greift übel zu:

Eure schöne Tochter / wollt ihr verwitwen allzufruh.


Wenn ihr und eure Recken / mich wollt im Streit bestehn,

Wie wär das unfreundlich, / wie wenig ließ' es sehn,

Daß ich euch vertraute / vor jedem andern Mann,

Als ich eure Tochter / mir zum Weibe gewann.«


»Gedenkt eurer Treue,« / sprach da Rüdiger,

»Und schickt euch Gott von hinnen, / viel edler König hehr,

So laßt es nicht entgelten / die liebe Tochter mein:

Bei aller Fürsten Tugend / geruht ihr gnädig zu sein.«


»So sollt ichs billig halten,« / sprach Geiselher das Kind;

»Doch meine hohen Freunde, / die noch im Saal hier sind,

Wenn die vor euch ersterben, / so muß geschieden sein

Diese stete Freundschaft / zu dir und der Tochter dein.«[332]


»Nun möge Gott uns gnaden,« / sprach der kühne Mann.

Da hoben sie die Schilde / und wollten nun hinan

Zu streiten mit den Gästen / in Kriemhildens Saal.

Laut rief da Hagen / von der Stiege her zutal:


»Verzieht noch eine Weile, / viel edler Rüdiger,«

Also sprach da Hagen: / »wir reden erst noch mehr,

Ich und meine Herren, / wie uns zwingt die Not.

Was hilft es Etzeln, finden / wir in der Fremde den Tod?«


»Ich steh in großen Sorgen,« / sprach wieder Hagen,

»Der Schild, den Frau Gotlind / mir gab zu tragen,

Den haben mir die Heunen / zerhauen vor der Hand;

Ich bracht ihn doch in Treuen / her in König Etzels Land.


Daß es Gott vom Himmel / vergönnen wollte,

Daß ich so guten Schildrand / noch tragen sollte,

Als du hast vor den Händen, / viel edler Rüdiger:

So bedürft ich in dem Sturme / keiner Halsberge mehr.«


»Wie gern wollt ich dir dienen / mit meinem Schilde,

Dürft ich dir ihn bieten / vor Kriemhilde.

Doch nimm ihn hin, Hagen, / und trag ihn an der Hand:

Hei! dürftest du ihn führen / heim in der Burgunden Land!«


Als er den Schild so willig / zu geben sich erbot,

Die Augen wurden vielen / von heißen Tränen rot.

Es war die letzte Gabe: / es durft hinfort nicht mehr

Einem Degen Gabe bieten / von Bechlaren Rüdiger.


Wie grimmig auch Hagen, / wie hart war auch sein Mut,

Ihn erbarmte doch die Gabe, / die der Degen gut

So nah seinem Ende / noch hatt' an ihn getan.

Mancher edle Ritter / mit ihm zu trauern begann.[333]


»Nun lohn euch Gott im Himmel, / viel edler Rüdiger.

Es wird euresgleichen / gefunden nimmermehr,

Der heimatlosen Degen / so milde Gabe gebe.

So möge Gott gebieten, / daß eure Milde immer lebe.«


»O weh mir dieser Märe,« / sprach wieder Hagen.

»Wir hatten Herzensschwere / schon so viel zu tragen;

Das müsse Gott erbarmen, / gilts uns mit Freunden Streit!«

Da sprach der Markgraf wieder: / »Das ist mir inniglich leid.«


»Nun lohn ich euch die Gabe, / viel edler Rüdiger:

Was euch auch widerfahre / von diesen Recken hehr,

Es soll euch nicht berühren / im Streit meine Hand,

Ob ihr sie all erschlüget, / die von der Burgunden Land.«


Da neigte sich ihm dankend / der gute Rüdiger.

Die Leute weinten alle: / daß nicht zu wenden mehr

Dieser Herzensjammer, / das war zu große Not.

Der Vater aller Tugend / fand an Rüdiger den Tod.


Da sprach von der Stiege / Volker, der Fiedelmann:

»Da mein Geselle Hagen / euch trug den Frieden an,

So biet ich auch so steten / euch von meiner Hand.

Das habt ihr wohl verdient an uns, / da wir kamen in das Land.«


»Viel edler Markgraf, / mein Bote werdet hier:

Diese roten Spangen / gab Frau Gotlinde mir,

Daß ich sie tragen sollte / bei dieser Lustbarkeit:

Ich tu es, schauet selber, / daß ihr des mein Zeuge seid.«


»Wollt es Gott vom Himmel,« / sprach da Rüdiger,

»Daß euch die Markgräfin / noch geben dürfte mehr.

Die Märe sag ich gerne / der lieben Trauten mein,

Seh ich gesund sie wieder: / des sollt ihr außer Zweifel sein.«[334]


Nach diesem Angeloben / den Schild hob Rüdiger,

Sein Mut begann zu toben: / nicht länger säumt' er mehr,

Auch lief er zu den Gästen / wohl einem Recken gleich.

Viel kraftvolle Schläge / schlug da dieser Markgraf reich.


Volker und Hagen / traten beiseit,

Wie ihm verheißen hatten / die Degen allbereit.

Noch traf er bei den Türen / so manchen Kühnen an,

Daß Rüdiger die Feindschaft / mit großen Sorgen begann.


Aus Mordbegierde ließen / ihn ins Haus hinein

Gernot und Gunther; / das mochten Helden sein.

Zurück wich da Geiselher: / fürwahr, es war ihm leid;

Er versah sich noch des Lebens, / drum mied er Rüdigern im Streit.


Da sprangen zu den Feinden / die in Rüdgers Lehn.

Hinter ihrem Herren / sah man sie kühnlich gehn;

Schneidende Waffen / trugen sie an der Hand:

Da zerbrachen viel der Helme / und mancher herrliche Rand.


Da schlugen auch die Müden / noch manchen schnellen Schlag

Auf die von Bechlaren, / der tief und eben brach

Durch die festen Panzer / und drang bis auf das Blut.

Sie frommten in dem Sturme / viel Wunder herrlich und gut.


Das edle Heergesinde / war alle nun im Saal.

Volker und Hagen, / die sprangen hin zumal;

Sie gaben niemand Frieden / als dem einen Mann.

Das Blut von ihren Hieben / von den Helmen niederrann.


Wie da der Schwerter Tosen / so grimmig erklang,

Daß unter ihren Schlägen / das Schildgespänge sprang;

Die Schildsteine rieselten / getroffen in das Blut.

Da fochten sie so grimmig, / wie man es nie wieder tut.[335]


Der Vogt von Bechlaren / schuf hin und her sich Bahn

Wie einer, der mit Ungestüm / im Sturme werben kann.

Des Tages ward an Rüdiger / herrlich offenbar,

Daß er ein Recke wäre / kühn und ohne Tadel gar.


Hier standen diese Recken, / Gunther und Gernot:

Sie schlugen in dem Streite / viel der Helden tot.

Geiselhern und Dankwart / am Heile wenig lag:

Da brachten sie noch manchen / hin zu seinem jüngsten Tag.


Wohl erwies auch Rüdiger, / daß er stark war genug,

Kühn und wohl gewaffnet: / hei, was er Helden schlug!

Das sah ein Burgunde, / da schuf der Zorn ihm Not:

Davon begann zu nahen / des edeln Rüdiger Tod.


Gernot der starke / rief den Helden an.

Er sprach zum Markgrafen: / »Ihr wollt mir keinen Mann

Der Meinen leben lassen, / viel edler Rüdiger.

Das schmerzt mich ohne Maßen; / ich ertrag es nicht länger mehr.


Nun mag euch eure Gabe / wohl zu unstatten kommen,

Da ihr mir der Freunde / habt so viel benommen.

Nun bietet mir die Stirne, / ihr edler kühner Mann:

So verdien' ich eure Gabe, / so gut ich immer nur kann.«


Bevor da der Markgraf / zu ihm gedrungen war,

Ward noch getrübt vom Blute / manch lichter Harnisch klar.

Da liefen sich einander / die Ehrbegiergen an:

Jedweder sich zu schirmen / vor starken Wunden begann.


Doch schnitten ihre Schwerter, / es schützte nichts dagegen.

Da schlug den König Gernot / Rüdiger der Degen

Durch den steinharten Helm, / das niederfloß das Blut;

Das vergalt alsbald ihm / dieser Ritter kühn und gut.[336]


Hoch schwang er Rüdgers Gabe, / die in der Hand ihm lag,

Wie wund er war zum Tode, / er schlug ihm einen Schlag

Auf des Helmes Bänder / und durch den festen Schild,

Davon ersterben mußte / der gute Rüdiger mild.


So reicher Gabe übler / gelohnt ward nimmermehr.

Da fielen beid erschlagen, / Gernot und Rüdiger,

Im Sturm gleichermaßen / von beider Kämpfer Hand.

Da erst ergrimmte Hagen, / als er den großen Schaden fand.


Da sprach der Held von Tronje: / »Es ist uns schlimm bekommen.

So großen Schaden haben wir / an den zwein genommen,

Daß wir ihn nie verwinden, / ihr Volk noch ihr Land.

Uns Heimatlosen bleiben / nun Rüdgers Helden zu Pfand.«


Da wollte keiner weiter / dem andern was vertragen:

Mancher ward danieder / unverletzt geschlagen,

Der wohl noch wär genesen: / ob ihm war solcher Drang,

Wie heil er sonst gewesen, / daß er im Blute doch ertrank.


»Weh mir um den Bruder, / der fiel hier in den Tod!

Was mir zu allen Stunden / für leide Märe droht!

Auch muß ich mich immer reuen / mein Schwäher Rüdiger:

Der Schad ist beidenthalben / und großen Jammers Beschwer.«


Als der junge Geiselher / sah seinen Bruder tot,

Die noch im Saale waren, / die mußten leiden Not.

Der Tod suchte eifrig, / wo sein Gesinde wär:

Deren von Bechelaren / entging kein einziger mehr.


Gunther und Hagen / und auch Geiselher,

Dankwart und Volker, / die guten Degen hehr,

Die gingen zu der Stelle, / wo man sie liegen fand.

Wie jämmerlich da weinten / diese Helden auserkannt![337]


»Der Tod beraubt uns übel,« / sprach Geiselher das Kind.

»Nun laßt euer Weinen, / und gehn wir an den Wind,

Daß sich die Panzer kühlen / uns streitmüden Degen:

Es will nicht Gott vom Himmel, / das wir länger leben mögen.«


Den sitzen, den sich lehnen / sah man manchen Mann.

Sie waren wieder müßig. / Die Rüdgern untertan,

Waren all erlegen; / verhallt war das Getos.

So lange blieb es stille, / daß es Etzeln verdroß.


»O weh dieses Leides!« / sprach die Königin.

»Sie sprechen allzulange: / unsre Feinde drin

Mögen wohl heil verbleiben / von Rüdigers Hand:

Er will sie wiederbringen / heim in der Burgunden Land.


Was hilfts, König Etzel, / daß wir an ihn vertan,

Was er nur begehrte? / Er tat nicht wohl daran:

Der uns rächen sollte, / der will der Sühne pflegen.«

Da gab ihr Volker Antwort, / dieser zierliche Degen:


»Dem ist nicht also leider, / viel edel Königsweib.

Und dürft ich Lügen strafen / ein so hehres Weib,

So hättet ihr recht teuflisch / Rüdigern verlogen:

Er und seine Degen / sind um die Sühne gar betrogen.


So williglich vollbracht er, / was ihm sein Herr gebot,

Daß er und sein Gesinde / hier fielen in den Tod.

Nun seht euch um, Frau Kriemhild, / wem ihr gebieten wollt:

Euch war bis an sein Ende / Rüdiger getreu und hold.


Wollt ihr mir nicht glauben, / so schaut es selber an.«

Zu ihrem Herzeleide / ward es da getan:

Man trug ihn hin erschlagen, / wo ihn der König sah.

König Etzels Mannen / wohl nimmer leider geschah.[338]


Da sie den Markgrafen / tot sahn vor sich tragen,

Da vermöcht euch kein Schreiber / zu schildern noch zu sagen

Die ungebärdge Klage / so von Weib als Mann,

Die sich aus Herzensjammer / da zu erzeigen begann.


König Etzels Jammern / war so stark und voll,

Wie eines Löwen Stimme / dem reichen König scholl

Der Wehruf der Klage; / auch ihr schufs große Not.

Sie weinten übermäßig / um des guten Rüdger Tod.

Quelle:
Das Nibelungenlied. Stuttgart 1954, S. 324-339.
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