[240] Mel. von J.Fr. Reichardt.
Sie.
Wonne, Wonne still in Schauern
Dich umfangen, frische Luft,
Sinnend auf die Strahlen lauern
Spielend durch den Morgenduft.
Er.
Sonne, Sonne, dich belauern
Glühendroth im Morgenduft.
Sie.
Athmen, Athmen, nahend Leben,
Wellen in dem Ährenstrom,
Wie des Morgensterns Erheben
Sich verlieret im blauen Dom.
[240] Er.
Wie der Lerche laut Erheben
Sich verliert im blauen Dom.
Sie.
Flügel, Flügel der Gedanken
Heben mich zur Sonnenpracht;
Wie die Ströme silbern ranken,
Aus der Berge Mondennacht.
Er.
Enge sind des Mondes Schranken,
Weit, o weit die Sonne lacht.
Sie.
Blumen, Blumen, stille Wesen.
Fülle winkt im tiefen Grund,
Ihr zu Flammen auserlesen
Sinkt auf seinen rothen Mund.
Er.
Nieder müde Blüthen thauen,
Einen Strauß von ihrer Brust,
Durch die Gluthen sie zu schauen,
Wirft der Liebe Sonnenlust.
Sie.
Athmen, athmen, nahes Leben,
Bebend Herz im Blumenstaat,
Wie zwei Schmetterlinge schweben,
Mund auf Mund gelebet hat.
Er.
Wonne, Wonne, still in Schauern
Dich umfangen hell Gesicht,
Sonne, Sonne, soll es dauern,
Wie mein Auge taucht in Licht.
Buchempfehlung
Albert Brachvogel zeichnet in seinem Trauerspiel den Weg des schönen Sohnes des Flussgottes nach, der von beiden Geschlechtern umworben und begehrt wird, doch in seiner Selbstliebe allein seinem Spiegelbild verfällt.
68 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro