[99] 1.
Fuhr uns, O Vatter! uns verführet
Der Satan, dein und unser Feind.
Ob er schon hier auf Erd regieret,
Du bist und bleibst doch unser Freund,
Du Gröster! er ist viel zu klein,
Daß er solt Gottes Meister seyn.
2.
Uns, die du hast zum Reich erschaffen,
Die er zu Slaven machen will,
Wolst du dir lassen nicht entraffen.
Er hab ihm seine Höllenpfül:
Ihm dieser Kercker ist bereit
Und uns das Erb der Seeligkeit.
3.
Nicht ist bei uns die Krafft zu finden,
Dem starcken Feind zu widerstehn.
Du wolst ihm seine Fäuste binden,
Mach seinen Schlingen uns entgehn.
Gib uns die Wacht der Engel zu,
So muß uns Satan lassen Ruh.
4.
In uns das freche Fleisch aufrühret.
Von ausen reizt die schnöde Welt
Und tobt, wan sie uns nicht verführet.
Ach! diese überwand der Held,
Dein Jesus, unser Fleisch und Bein:
Laß seinen Sieg auch unser seyn.
[99]
5.
Vergiß nicht unser, deiner Kinder.
Wir müßen ja geprobet seyn,
Doch laß uns nur nicht werden Sünder.
Ach! raum dem Feind zu viel nicht ein,
Daß er uns nicht zu streng befecht
Noch uns in seine Stricke flecht.
6.
Such, die er hat gefangen, wieder,
Laß ihm das deine nicht zur Beut.
Ach! denk, wir sind ja Jesu Brüder,
Von ihm so theur erlöste Leut.
Der Satan uns zur Hölle führt,
Da keine Zung dich loben wird.
7.
Un-Geist der Boßheit! fleuch von hinnen!
Hier ist der gute Gottes-Geist:
Du kanst doch dem nichts abgewinnen:
Immanuel mein Jesus heist.
Weich, Welt! weg, Satan! schweig, Begierd!
Bei Gott man bleibet unverführt.
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