Dritte Scene.

[109] Unweit des Klosters; freie Uferstelle.


FAUST tritt auf; an einer Cypresse sich lagernd.

Was hält mich länger noch in diesem Thale?

Darf ich denn theilen diese Himmelsruh?

Ist denn geleert schon, Faust, die Höllenschale?

Verwirkter Geist, was willst im Frieden du?

Auch ohne ihn, von dem du losgewunden,

Auch frei von dem beschwornen Lügengeist,

Bleibst du verloren und an ihn gebunden,

Wenn dich der Hund auch sichtbar nicht umkreist!

So weit zwar bin ich, los bin ich der Lüge;

O wär' ich nur auch so der Wahrheit los,

Die eingrub meiner Stirn die Flammenzüge,

Daß ich vom Leben nur das Gift genoß,

Den Tod des Daseins nur und nie das Leben.

Nie? nie? Bianca! Doch – Bianca's Bild

Seh' ich vor mir wie einen Leitstern schweben

In der Erinn'rung Nacht, die mich umhüllt![109]

Und hab' ich Alles, ja mich selbst verloren,

Bianca, das mit dir erblühte Glück

War Glück – und war es teuflisch auch beschworen,

Und nur mit Sehnsucht denk' ich dran zurück!

Wo weilst du jetzt, o wem erglänzt die Wonne

Nun deines Blickes, unvergeßlich Weib?

Du flohst, verschwandst, mit dir sank meine Sonne,

Und seelenlos treibt sich umher mein Leid.

O könnt' ich dieses Flusses Wellen fragen,

Tiefunten, wo du weilst! Bianca, du?

Die Wellen würden mich zum Meere tragen,

Bianca, dir nicht – nicht dem Himmel zu.

MEPHISTOPHELES unsichtbar.

Mir also? Mir! Bin ich auch nicht bei dir!

O schäme, Faust, dich solcher Schwäche,

Da starrst du in des Flusses Spiegelfläche,

Willst unten sein und oben, dort und hier.

Heb' auf den Bann,

Durch den du mich von dir geschieden,

Genieße, was ich dir kann bieten;

Komm, sei ein Mann;

Denn sage selbst, was hilft's, daß du

Von mir dich trenntest, wie von bösem Weibe,

Wenn du mir zugethan mit Seel' und Leibe?

Das ist fruchtlos und abgeschmackt dazu.

Ich legte nie dir eine Falle;[110]

Mich rief aus tiefer Einsamkeit –

Doch, du vergaßest wol der Zeit,

Besinne dich, nur deine Galle, –

Nachdem du Hab' und Gut verschwendet,

Die Kunst und Wissenschaft in Staub getreten

Und selbst von ihm, zu dem die Sünder beten,

Dich frevelnd ab- und frech mir zugewendet.

Was soll die Narrheit, mich von dir zu scheiden?

That ich so ganz und gar denn nichts für dich?

Der Teufel ist der Mann nicht, das zu leiden,

Glaub', er entschädigt sich. –

FAUST.

Was störst du, Gaukler, mich in der Betrachtung,

Bin ich nicht dein?

Wie, oder kränkt dich die Verachtung,

Und hättest du mir Qualen nur gegeben?

Ich fodere nichts weiter mehr fürs Leben,

Und will zur Zeit mein Wort doch lösen ein.

Du sollst mich achten, wie ich dich verachte,

Du kupplerischer Wicht,

Und zwäng' ich dich mir nochmal vors Gesicht,

Wär's nur, daß ich ins Antlitz dich verlachte.

MEPHISTOPHELES.

Faust, zittere!

FAUST.

Vor dir? Mit nichten.[111]

Nach unten magst du deine Drohung richten,

Knecht –

MEPHISTOPHELES.

Wehe!

FAUST.

Diene!

MEPHISTOPHELES.

Wehe! Wehe!

FAUST.

Und wenn ich auch zu Grunde gehe,

Dir hab' ich nie mich ganz und gar ergeben!

Fort, Heuchler, fort, denn meine Pulse beben,

Sonst stampf' ich dich in deinen tiefsten Schlund.

AUS DER FERNE.

Wehe! Wehe! Wehe!

FAUST lehnt sich ermattet an die Cypresse.


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 109-112.
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