Lureley

[115] Zu Bacharach am Rheine,

Wohnt eine Zauberin,

Die war so schön und feine

Und riß viel Herzen hin,


Und machte viel zuschanden

Der Männer rings umher,

Aus ihren Liebesbanden

War keine Rettung mehr.


Der Bischof ließ sie laden

Vor geistliche Gewalt,

Und mußte sie begnaden,

So schön war ihr' Gestalt.


Er sprach zu ihr gerühret,

»Du arme Lore Lay.

Wer hat dich dann verführet

Zu böser Zauberei.«[115]


»Herr Bischof laßt mich sterben,

Ich bin des Lebens müd,

Weil jeder muß verderben

Der meine Augen sieht.


Die Augen sind zwei Flammen,

Mein Arm ein Zauberstab,

O schickt mich in die Flammen,

O brechet mir den Stab.«


»Den Stab kann ich nicht brechen,

Du schöne Lore Lay,

Ich müßte dann zerbrechen,

Mein eigen Herz entzwei.


Ich kann dich nicht verdammen,

Bis du mir erst bekennt

Warum in deinen Flammen

Mein eignes Herz schon brennt.«


»Herr Bischof mit mir Armen

Treibt nicht so bösen Spott,

Und bittet um Erbarmen

Für mich den lieben Gott,


Ich darf nicht länger leben,

Ich lieb' kein Leben mehr,

Den Tod sollt ihr mir geben,

Drum kam ich zu euch her.


Ein Mann hat mich betrogen,

Hat sich von mir gewandt,

Ist fort von mir gezogen

Fort in ein andres Land.


Die Blicke sanft und wilde,

Die Wangen rot und weiß,

Die Worte still und milde,

Die sind mein Zauberkreis.[116]


Ich selbst muß drin verderben,

Das Herz tut mir so weh,

Vor Jammer möcht' ich sterben,

Wenn ich zum Spiegel seh'.


Drum laßt mein Recht mich finden,

Mich sterben, wie ein Christ,

Denn alles muß verschwinden

Weil er mir treulos ist.«


Drei Ritter ließ er holen:

»Bringt sie ins Kloster hin,

Geh Lore! Gott befohlen,

Sei dein berückter Sinn.


Du sollst ein Nönnchen werden,

Ein Nönnchen schwarz und weiß.

Bereite dich auf Erden

Zum Tod mit Gottes Preis.«


Zum Kloster sie nun ritten

Die Ritter alle drei,

Und traurig in der Mitten

Die schöne Lore Lay.


»O Ritter laßt mich gehen,

Auf diesen Felsen groß,

Ich will noch einmal sehen,

Nach meines Buhlen Schloß,


Ich will noch einmal sehen

Wohl in den tiefen Rhein,

Und dann ins Kloster gehen,

Und Gottes Jungfrau sein.«


Der Felsen ist so jähe,

So steil ist seine Wand,

Sie klimmen in die Höhe,

Da tritt sie an den Rand,[117]


Und sprach: »Willkomm, da wehet

Ein Segel auf dem Rhein,

Der in dem Schifflein stehet,

Der soll mein Liebster sein.


Mein Herz wird mir so munter,

Er muß der Liebste sein,«

Da lehnt sie sich hinunter

Und stürzet in den Rhein.


Es fuhr mit Kreuz und Fahne

Das Schifflein an das Land,

Der Bischof saß im Kahne,

Sie hat ihn wohl erkannt.


Daß er das Schwert gelassen,

Dem Zauber zu entgehn,

Daß er zum Kreuz tät fassen,

Das konnt' sie nicht verstehn.


Wer hat dies Lied gesungen

Ein Priester auf dem Rhein

Und immer hat's geklungen,

Vom hohen Felsenstein


Lureley

Lureley

Lureley.


Als wären es meiner drei!


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 115-118.
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