[Ich bin durch die Wüste gezogen]

[348] Ich bin durch die Wüste gezogen,

Des Sandes glühende Wogen

Verbrannten mir den Fuß.

Die Sonne sog mir im Zorne

Das Wasser aus jedem Borne,

Es folgte kein Regenguß.

Ich dürste, es bringen die Dorne

Mein siedendes Blut in Fluß.


Aus zog ich mit sieben Kamelen,

Es lechzen unsere Kehlen,

Wie rette ich Weib und Kind.

Wo finde ich frische Quellen,

Die Schätze von Gold und Juwelen

Begrub im Sande der Wind.

Soll uns das Leben nicht fehlen,

O Himmel, regne geschwind!


Ich wühlte mit glühendem Schwerte

Den Kindern ihr Grab in der Erde,[348]

Bis auf das letzte fürwahr!

Das ruht unterm Mutterherzen,

Bis sie es in Jammer und Schmerzen

Hinsterbend dem Tode gebar.

Es heult die Hyäne, doch erzen

Stellt mir sich das Schicksal dar.


Gern hätte ich Tränen getrunken,

Der Augen Quell ist versunken,

Oase wie liegst du so fern!

Vor Glut ist das Herz mir verglommen,

Das Ziel, ich fühl' es gekommen,

Ich rufe zum sinkenden Stern:

Der Herr hat gegeben, genommen,

Gelobt sei der Name des Herrn!


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 348-349.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ausgewählte Gedichte
Märchen / Ausgewählte Gedichte (Fischer Klassik)