Weihelied zum Ziel und End

[400] Herr Gott, dich will ich preisen,

So lang mein Odem weht,

O hör' auf meine Weisen,

O sieh auf mein Gebet.[400]

Bin ich im Himmel oben,

Da lern' ich andern Sang,

Da will ich hoch dich loben

Mein ewig Leben lang.

Jetzt laß dir wohlgefallen

Mein treu einfältig Lied,

Muß doch ein Kindlein lallen,

Wann es die Mutter sieht,

Nun hab' ich auch gesehen,

Wie du so väterlich,

Will nun nichts mehr verstehen,

Als dich, mein Vater, dich!

Ich saß in meiner Kammer,

Sah trüb ins Leben hin,

Die Seele rang in Jammer,

Voll Sorge war mein Sinn,

Da floß ein heilig Sehnen

Mir in das öde Herz,

Da brach mein Blick in Tränen

Und schaute himmelwärts.

Da war dein Himmel offen,

Stern traf in Augenstern,

Mein Glauben, Lieben, Hoffen

Fand Gnade vor dem Herrn.

Das Lied, das ich verschwiegen,

Das Lied, das leis ich sang,

Sah ich die Engel wiegen

In Davids Harfenklang.

Und sah, den ich gerühret

Mit meinem Lerchensang,

Zum Herrn von mir geführet

Auf einem Dornengang;

Er sang mit mir zusammen

Mit sel'gem Flug und Fall

In Gottes Liebesflammen

Trotz Lerch', trotz Nachtigall!


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 400-401.
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