|
[56] Jüngst gieng ich, nebst Fabricius,
Den, ohne Neid fast, selbst der Neid bewundern muß,
In einem zierlichen, am klaren Alster-Fluß
Belegnen, grossen Bluhmen-Garten,
Worin, von mehr als tausend Arten,
Viel hundert tausend Bluhmen stunden,
Die wir, durch ihre Meng', in solchem Glantze funden,
Daß durch den Ueberfluß der Lust,
Der uns fast mehr erfüllt' und drengt', als rührte,
Das Hertz in unsrer Beyder Brust
Sich gleichsam recht gedruckt, und sanft gepreßt verspürte.
Wir stutzten erst vor übermachter Freude,
Und, durch die bunte Gluht der Bluhmen angeflammt,
Gedachten wir mit Lust und Ehrfurcht alle Beyde
An den, aus dessen Kraft Luft, Erd' und Himmel stammt.
Es brach ein froh Gott Lob! aus beyder Hertz und Mund:
Gott Lob! Der sich bey uns in solcher Schönheit kund
Und gleichsam sichtbar macht!
Le Fevre, welcher sich zugleich bey uns befand,
Le Fevre, eine Zier von seiner Vater-Stadt,
Und der, zu meiner Ehr', mit mir verwandt,
Bewunderte nebst uns, und ehrt', in ihrer Pracht,
Die Gottheit ebenfalls. Als eben Böckelmann,
Des schönen Gartens Herr und Pfleger, zu uns trat;
Und, wie er uns sehr höflich angesprochen,
Auch für uns eine gute Zahl
Erles'ner Bluhmen abgebrochen,
Kam er von ungefehr auf seine Morgen-Zeit.[57]
Nicht auszudrücken ist die Lust, die ich verspüre,
Sprach er, wenn ich, schon früh' um viere,
Der Bluhmen ungezählte Zahl
Im von der frühen Sonnen-Strahl
Gefärbt- und gantz durchdrungnen Thau,
In einem himmlischen, nicht ird'schen, Firniß schau.
Ich fühle, wie so denn die allgemeine Stille,
Die dann die Welt beherrscht, auch mein Gemüth erfülle.
Dieß ist die schönste Zeit, dieß sind die schönsten Stunden!
Nur dauret mich, daß sie von Menschen auf der Erden
So wenig nur empfunden,
Und mehrentheils verschlafen werden.
Wir traureten und freuten uns mit ihm.
Hierauf kam man von ungefehr
Von neuem auf der Bluhmen Heer:
Man sprach: Bewunderns-wehrt ist, da der Bluhmen Pracht
In allen Farben glimmt, daß die Natur von ihnen
Doch keine grün gemacht.
Wir andern stimmten bey,
Und dachten, daß dem Laub' und Gras' allein, im Grünen
Zu gläntzen, vorbehalten sey.
Drauf gieng, mit sanften Schritten,
Herr Böckelmann von uns, kam aber bald hernach,
Mit ja so sanften Schritten, wieder;
Und, sonder daß er etwas sprach,
So legt' er in der Mitten,
Auf unsern Tisch drey grüne Bluhmen nieder,
Wodurch er, daß wir uns geirrt,
Uns überzeuglich überführte.
Wir sah'n einander an. Halb lächelnd, halb verwirrt,[58]
Gestunden wir, zu seiner Ehr',
Daß dieß die beste Art zu überzeugen wär.
Nachhero nahmen wir der grünen Bluhmen Pracht,
So ein' Anemone, Bewund'rungs-voll in acht,
Da jeder dann, nachdem wir sie recht wohl beschaut,
Gestand, daß auch das schönste Kraut
Kein schöner Grün fast zeigen kann.
Hierüber stimmten wir zuletzt der Meynung bey,
Daß alles, was in der Natur
Sowohl an Farben, als Figur,
Nur möglich auch vermuthlich wircklich sey.
HERR, meine Lust sind deine Wercke.
Ach, gib, daß mancher auch mit mir,
O aller Dinge Quell, sie, Dir
Zum Ruhm, mit Lust und Danck, bemercke!
Ausgewählte Ausgaben von
Irdisches Vergnügen in Gott
|
Buchempfehlung
»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro