[87] Ich machte mir Gärten, und Lust-Gärten, und pflantzete allerley fruchtbare Bäume darein.
Ihr durch die Leidenschaft verführte Seelen, höret,
Wer Gott, durch Sein Geschöpf gerührt, mit Freuden ehret,
Und seine Lust mit Ernst in Gottes Wercken sucht;
Dem träget jede Bluhm, die er betrachtend schaut,
Dem träget jeder Baum, dem träget jedes Kraut,
Dem träget jedes Blatt der Freuden süsse Frucht.
Aria.
Eröffnet, ach öffnet die Augen, und seht,
Wie alles im Frühling verherrlichet steht,
Wie lieblich die gläntzenden Gärten beblühmet!
Eröffnet die Lippen, kommt, preiset und rühmet
Die Wunder des Schöpfers, durch welchen allein
Feld, Wälder und Gärten verherrlichet seyn!
Sonst ist an euch des Schöpfers Huld verlohren;
Ihr unterlasst den Zweck, zu welchem ihr gebohren.
Die Wolcken tröpfelten nicht mehr;
Der Himmel höret' auf zu weinen;
Der Creaturen Kron' und Ehr',
Die Sonne, fieng von neuem an zu scheinen,[88]
Bestrahl'te die beblühmten Hügel,
Bemal'te Wiesen, Wald und Feld;
Es wurden, in der annoch nassen Welt,
Auf jedem Blatt', aus jedem Tropfen, Spiegel.
Ein heller Glantz, ein mehr als güld'ner Schein,
Nahm Luft und Land bezaubernd ein,
Und reitzte mich, da Wald und Feld so schön,
Der Gärten Pracht und Anmuth anzusehn,
In welchen die Natur sich mit der Kunst verbindet,
Wo Fleiß, wo Nutz und Lust sich stets verschwistert findet;
Woselbst wir, in der Menschen Wercken,
Zugleich die wirckende Natur,
Und in derselbigen die helle Spur
Von unsers Schöpfers Macht und Gegenwart bemercken.
Aria.
1.
Mich deucht, wenn ich, voll Freude,
Hier Hertz und Augen weide,
Und bey den Bluhmen steh;
Daß ich zu Dir mich schwinge,
Und dich, Quell aller Dinge,
Allgegenwärt'ger Schöpfer, seh.
2.
Gerührt durch dieses Dencken,
Wünscht sich mein Hertz, zu lencken
Allein nach deinem Sinn.
Leib, Seele, Geist und Leben
Will ich nur Dir ergeben.
Nimm, gegenwärt'ger Gott, sie hin!
[89]
Nie haben Persische Tapeten so geschienen;
Es gläntzt kein güld'nes Tuch, wenn Perlen und Rubinen
Auch gleich darauf gestickt, so herrlich und so schön.
Ja was wohl auf der Welt am lieblichsten zu sehn,
Und mit geheimer Lust der Menschen Aug' erfüllt,
Ein' aufgeputzte Meng' von schönem Frauenzimmer,
In tausend-färbigen Dammast und Sammt gehüllt,
Mit Perlen, Silber, Gold besetzet und gestickt,
Mit Feder-Büschen, Band, Brocad und Moor geschmückt,
Scheint, funckelt, gläntzt und prangt nicht in so holdem Schimmer,
Als die, durchs Frühlings Hand, erneute Welt,
Als ein vom Sonnen-Glantz bestrahl't beblühmtes Feld.
Der Wunder-schön beaugte Pfauen-Schwantz.
Der Iris Farben-reicher Krantz,
Des hellen Abend-Sterns so lieblich-reiner Glantz,
Erquicken kaum so sehr das menschliche Gesicht,
Als das auf hundert tausend Arten
Gefärbet' und gebrochne Licht
Von einem bunten Bluhmen-Garten.
Jedwede Bluhme schien,
Mein Auge, mit Gewalt, auf sich zu ziehn.
Das helle, Silber-weisse Licht,
Das aus den Tuberosen bricht,
Die lieblich-schimmernden Jesminen,
So, weissen Sternen gleich, an Gröss' und Menge,
Auf vielen nach der Kunst geschor'nen Hecken,
Die sich, so weit man sieht, erstrecken,
Ein Milch-Weg von unabzuseh'nder Länge,
An einem grünen Himmel, schienen;
Die wirckten, zu des Schöpfers Ehre,
In meinem Hertzen diese Lehre:
[90] Aria.
Laß der Lilien und Jesminen
Unbefleckten Silber-Schein,
Seele, dir zur Folge dienen!
Suche, dich, von Lastern rein,
In der Unschuld weisse Seiden,
Voller Sanftmuth, einzukleiden.
Die dunckel-rothe Gluht der Amaranten,
Der bunte Mahn, worauf, wie Diamanten,
Der Tropfen Menge lag,
Samt der Peonien Blut-rothem Funckeln,
Convolvulen, Violen und Ranunckeln,
Die theils, wie Himmel-Blau und Silber, theils vergüldet,
Und theils in rothen Flammen glühn;
Der frischen Kräuter holdes Grün,
Das tausendfach gefärb't, das tausendfach gebildet,
Bemüheten sich gleichsam in die Wette,
Als, ob ein jedes Sinne hätte,
Durch ihrer Blätter Pracht und Schein,
Zu ihres Schöpfers Ruhm, ein Gegenwurf zu seyn.
Man kann in blauen Bluhmen hier,
In einer Sternen-förm'gen Zier,
Wie weisse Sterne dort am blauen,
Viel blaue Stern' am grünen, Himmel schauen.
Aria.
Der ungezählten Kräuter Menge,
Der Blätter Farben und Natur,
Der Säfte, Kräfte, der Figur
Von tausendfacher Breit' und Länge[91]
Bewund'rungs-werther Unterscheid
Zeigt dem, der auf dieß Wunder achtet,
Und ihres Schöpfers Macht betrachtet,
Sein' Allmacht und Unendlichkeit.
Der Perlen-Schmuck der weissen Blühte glimmet
Zuerst auf jedem Baum; die schwancken Zweige krümmet
Der Bluhmen süsse Last. Der Aepfel holde Blüht,
Die recht, wie Blut und Milch, in weisser Röthe glüht,
Von Schimmer, Glantz und Schönheit reich,
Sieht Rosen-Knospen gleich.
Auf allen Aesten scheint ein Wunder-Schnee zu liegen,
Der warm und trocken ist; die Silber-weisse Blühte
Ergetzt nicht nur das Aug', sie lab't auch das Gemüthe,
Durch den Geruch, zugleich. Viel tausend Bienen fliegen,
Und sammlen süssen Honig ein,
Mit schwärmendem Getös' und angenehmem Summen.
Es tön't, als wann Bassons, gedämpfet, sanfte brummen.
Beym zwitschernden Discant von manchem Vögelein,
Beym rauschenden Tenor der wallenden Krystallen,
Die über glatte Kiesel fallen,
Und bey dem hohen Alt, dem lispelnden Gezische
Der Bäum' und Büsche,
Scheint dieses murmelnde Geräusch der Baß zu seyn.
Auf, auf! mein Hertz, laß, GOTT zu Ehren,
Bey dieser Harmonie, auch deine Lieder hören!
Aria.
Singe, Seele, Gott zum Preise,
Der auf solche weise Weise
Alle Welt so herrlich schmückt!
Der uns durchs Gehör erquickt,[92]
Der uns durchs Gesicht entzückt,
Wenn Er Bäum' und Feld beblühmet,
Sey gepreiset, sey gerühmet!
Seele, laß ein helles Singen,
Deinem Gott zum Ruhm', erklingen,
Wenn dir, was du willt, geschicht:
Und, wofern dir was gebricht,
Murmle sanft, doch murre nicht!
Tiefe Seufzer laß erschallen!
Diese sinds, die Gott gefallen.
Betrachtet man die Obst-Bäum', Aepfel, Pfirschen,
Birn, Apricosen, Mandeln, Kirschen;
Gleicht ihrer Bluhmen lieblichs Prangen
Nicht Gärten, die in Lüften hangen?
Ist nicht der kleinste Zweig ein grosser Bluhmen-Strauß?
Haucht ihre Menge nicht den stärcksten Bisam aus?
Sie würtzen, durch so angenehme Düfte,
Die voller Amber und Ziebeth,
Die ausgespannten lauen Lüfte,
Daß ihre Balsam-Kraft uns recht ans Hertze geht.
Aria.
Seele, laß der Bäume Pracht
Dich zu ihrer Folge leiten!
Suche dich, auf allen Seiten
In Gedancken auszubreiten,
Und, auf den Betrachtungs-Zweigen,
Blätter deiner Lust zu zeugen![93]
Laß, durch dieses holde Grün,
Deiner Andacht Bluhmen blühn,
Und des Lobes Früchte bringen!
Auf! mit heller Stimm' und Saiten
Unsern Schöpfer zu besingen,
Der die Erde fröhlich macht!
Da Capo.
Wenn Zephirs flüchtiges Gesinde,
Die holden Frühlings-Winde,
Die lauen Fittigen bewegen;
Fällt von der Blüth' ein Silber-weisser Regen,
Der uns bedecket, doch nicht netzet,
Uns das Gesicht, Gefühl und den Geruch ergetzet.
Damit wir ihres Schmucks uns desto mehr erfreuen;
Will uns der Bäume Schaar mit Bluhmen überstreuen.
Es scheint der Blühte flüchtig's Schweben,
Indem sie fällt, die Lüfte zu beleben.
Die klare, grünlich-dunckle Fluht,
Die in des Teiches Ufers Schooß,
Bekräntzt mit Mooß,
An schlancker Bäume Wurtzeln ruht,
Auf deren eb'nen Fläch' ein kühler Schatten schwimmet,
Wird unvermuthet hell, und glimmet
In einer weissen Gluht.
Oft lässt es recht, als ob, uns doppelt zu ergetzen,
Die Blätter sich aufs neu zusammen setzen,
Wodurch sie denn noch mehr das dunckle Wasser zieren,
Und neue Bluhmen drauf formiren.
Es scheinen Wasser, Büsch' und Hecken,
Es scheinen Kräuter, Beeten, Gänge,[94]
Als wenn sie riechender Schnee-weisser Flocken Menge,
Und weisse Rosen-Blätter decken.
Aria.
Süsser Bluhmen Ambra-Flocken!
Euer Silber soll mich locken,
Dem zum Ruhm, Der euch gemacht,
Da ihr fall't; will ich mich schwingen
Himmel-wärts, und den besingen,
Der die Welt hervor gebracht.
Man darf kein Vogel-Haus von dünnem Stahl
In diesem holden Orte bauen,
Um schöne Vögel ohne Zahl
Um sich zu schauen.
Die Luft ist selbst ein weites Vogel-Haus,
Der Garten ihr freywill'ger Kercker,
Ein offenes Gebäu, wo dicht-geflocht'ne Aercker
Der Aest' und Blätter Menge schrenckt,
Woraus kein eintziger zu flieh'n gedenckt.
Aria.
Wenn ihr in den bekräntzten Steigen
Der Anmuth-reichen Gärten geht,
Und, zwischen den belaubten Zweigen,
Die kleinen bunten Sänger seht,
Und ihre süsse Stimmen höret:
So lob't mit ihnen, preis't und ehret
Den Gott, der über alles schätzt,
Wenn man sich, Ihm zur Ehr', ergetzt.
[95]
Des niedern Bux-Baums festes Laub,
Wodurch der Menschen Witz und Fleiß
Den leeren dunckel-braunen Staub
So künstlich einzuschrencken weis,
Daß schön're Züge, Laub-Werck, Bilder
Kein Mathematicus, kein Schilder,
Fast mit dem Pinsel malen kann,
Treibt mich, wie folgt, zu dencken an:
Ein Gärtner malet hier,
Ohn' Oel und Stafeleyen,
Ohn' Pinsel, ohn' Palet, lebend'ge Schildereyen.
Sein Spaten dienet ihm zum Reiß-Bley, sein Papier
Ist schwartz- und dunckel-braun, er schreibt gezog'ne Namen,
Zieht Laub-Werck, selbst von Laub, und fasst in grüne Ramen
Sein schön figürlich Werck, von mehr als hundert Arten,
Ja ohne Bux-Baum ist der Garten kaum ein Garten.
Arioso.
Wie groß, o GOTT, ist deiner Liebe Kraft,
Da Du so manche Wissenschaft
In deine Creatur gesencket!
Denn bilde dir doch, eitler Mensch, nicht ein,
Daß Künst' und Wissenschaften dein;
Sie sind dir nur, durch seine Huld, geschencket.
Es schmückt die bildende Natur
Das Form- und Bilder-leere Land,
Durch uns're Hand;
Wir sind, trotz unserm Stoltz, ihr Werckzeug nur.
Sprich, ob wir des Verstandes Gaben,
Wie alles, nicht empfangen haben?
[96] Aria.
Wer wird nicht sagen müssen,
Daß Menschen-Kunst und Wissen,
Wie alles, Gaben nur?
Was sind Vollkommenheiten?
Nichts, ohne Fähigkeiten,
Und diese kommen von Natur.
Wer, durch des Schöpfers Gunst,
Vom Weisheits-Feur entzündet,
Die Kunst erweg't, der findet
Natur auch in der grösten Kunst.
Hierauf ward ich, mit höchster Lust, gewahr,
Wie ein Orangen-Dach zur rechten Hand,
Auf Säulen-gleichen Stämmen, stand,
Die ein gespitztes Laub, das, wie Smaragden, gläntzet,
Mit hoch-erhab'nen Kronen kräntzet,
Wo, zwischen Silber-weisser Blüht,
Man güld'ne Früchte schimmern sieht.
Es nahm mir dieser holde Schein
Mein Aug' und Hertz, mein gantzes Wesen, ein.
Aria.
Verblend'te Sterblichen, ihr grabet
Das Gold und Geld aus finsterm Schacht,
Das einen kaum von allen Sinnen labet;
Seht, was ihr hier für and're Pracht
Auf Pomerantzen-Bäumen habet,[97]
Wofür ihr billig Gottes Güte,
In froher Ehrfurcht, preisen soll't:
Bebiesamt Silber ist die Blühte,
Die Frucht ein eß- und trinckbar Gold.
Es sind die, nach der Schnur gezog'nen, Gänge
Mit einer wunderbaren Menge
Von Bluhmen, Pflantzen, Blüht' verwunderlich geschmückt.
Es werden, durch viel tausend Früchte,
Die Zunge, der Geruch und das Gesichte
Zugleich erquickt.
Man mag, wohin man will, sich kehren, wenden, drehn:
So wird, auf einer jeden Stelle,
Man immer eine neue Quelle
Von Anmuth und Vergnügen sehn;
Man thut fast keinen Schritt, daß man den Fuß
Nicht auf was schönes setzen muß.
Aria.
1.
Kommt, schmecket und sehet,
Wie freundlich der Herr!
Es wird der Glorwürdigen herrlichen Wercke
Unzählige Menge, Macht, Weisheit und Stärcke,
Durch unser Vergnügen, am besten erhöhet.
Da Capo.
[98]
2.
Erkennet und fühlet,
Wie freundlich der Herr!
Als welcher, damit in den Wundern der Erde
Sein herrlicher Name verherrlichet werde,
Auf unser Vergnügen am meisten gezielet.
Da Capo.
So manches Kraut, so manche Bluhme
In Gärten, Feld- und Wäldern blüht;
So manches kleine Rauch-Faß glüht,
Dem grossen GOTT zum Preis' und Ruhme,
Das ein gelinder Wind, wodurch sich alles reget,
Mit sanftem Schütteln hin und her,
Damit es den Geruch vermehr',
Zu noch vermehrter Lust, beweget.
Aria.
Es opfern die Bluhmen bebiesamte Säfte;
Es dünsten die Kräuter erquickende Kräfte,
Dem grossen All zur Ehr' allein.
Ach trachtet, ihr Menschen, es wohl zu bemercken!
Bemüh't euch, in Andacht und guten Wercken,
Dem Schöpfer ein süsser Geruch zu seyn!
Ausgewählte Ausgaben von
Irdisches Vergnügen in Gott
|
Buchempfehlung
In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro