[528] Die gute Schwester Anna spricht
Zu Bruder Karl: »Ach, nasche nicht!«
Doch der will immer weiter lecken,
Da kommt die Mutter mit dem Stecken.
[528]
Er läuft bis vor das Hexenhaus,
Da baumelt eine Wurst heraus.
Schwipp! fängt ihn mit der Angel schlau
Die alte, böse Hexenfrau.
[529]
Dem Karl ist sonderbar zumute,
Die Hexe schwingt die Zauberrute
Und macht durch ihre Hexerein
[530] Aus Karl ein kleines Quiekeschwein.
Schon fängt der Hexe böser Mann
Das Messer scharf zu schleifen an.
[531] Da findet das treue Schwesterlein
Die Wunderblume mit lichtem Schein.
Und eben als die Bösen trachten,
Das Quiekeschwein sich abzuschlachten,
[532]
Da tritt herein das Ännchen. – Das Schwein quiekt und rennt;
Die Hexe fällt ins Messer, der böse Mann verbrennt.
Und Bruder Karl verliert auch bald
Die traurig-schweinerne Gestalt:
[533]
Da ist er froh
Und spricht: »Nie mach' ich's wieder so!«
Buchempfehlung
Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.
114 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro