Zehntes Kapitel

[260] Viele Madams, die ohne Sorgen,

In Sicherheit und wohlgeborgen,

Die denken: Pah! Es hat noch Zeit! –

Und bleiben ohne Frömmigkeit. –

Wie lobenswert ist da Helene!

Helene denkt nicht so wie jene. –

Nein, nein! Sie wandelt oft und gerne

Zur Kirche hin, obschon sie ferne.


Zehntes Kapitel

Und Jean, mit demutsvollem Blick,

Drei Schritte hinterwärts zurück,

Das Buch der Lieder in der Hand,

Folgt seiner Herrin unverwandt.

Doch ist Helene nicht allein

Nur auf sich selbst bedacht. – O nein! –[260]

Ein guter Mensch gibt gerne acht,

Ob auch der andre was Böses macht;

Und strebt durch häufige Belehrung

Nach seiner Bess'rung und Bekehrung.


Zehntes Kapitel

»Schang!« – sprach sie einstens – »Deine Taschen

Sind oft so dick! Schang! Tust du naschen?


Zehntes Kapitel

Ja, siehst du wohl! Ich dacht es gleich!

O Schang! Denk an das Himmelreich!«


Zehntes Kapitel

[261] Dies Wort drang ihm in die Natur,

So daß er schleunigst Bess'rung schwur.

Doch nicht durch Worte nur allein

Soll man den andern nützlich sein. –

Helene strickt die guten Jacken,

Die so erquicklich für den Nacken;

Denn draußen wehen rauhe Winde. –

Sie fertigt auch die warme Binde;

Denn diese ist für kalte Mägen

Zur Winterszeit ein wahrer Segen. –

Sie pflegt mit herzlichem Pläsier

Sogar den fränk'schen Offizier,

Der noch mit mehren dieses Jahr

Im Deutschen Reiche seßhaft war. –

Besonders aber tat ihr leid

Der armen Leute Bedürftigkeit. –

Und da der Arzt mit Ernst geraten,

Den Leib in warmem Wein zu baden,


Zehntes Kapitel

Zehntes Kapitel

[262] So tut sie's auch.

Oh, wie erfreut

Ist nun die Schar der armen Leut',

Die, sich recht innerlich zu laben,

Doch auch mal etwas Warmes haben.
[263]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 260-264.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Fromme Helene
Die fromme Helene auf Lateinisch
Die fromme Helene
Max und Moritz. Die fromme Helene. Hans Huckebein (insel taschenbuch)
Cassetten (Tonträger), Die fromme Helene, 1 Cassette u. Begleitbuch
Die fromme Helene auf Schwäbisch

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon