Nur leise

[242] Sehr häufig traf Studiosus Döppe

Paulinen auf des Hauses Treppe,

Wenn sie als Witwe tugendsam

Des Morgens aus der Stube kam.


Da sie Besitzerin vom Haus,

So sprach sich Döppe schließlich aus

Und bat mit Liebe und Empfindung

Um eine dauernde Verbindung.


»Herr Döppe«, sprach Pauline kühl,

»Ich ehr und achte Ihr Gefühl,

Doch dies Gepolter auf der Treppe,

Fast jede Nacht, ist bös, Herr Döppe!«


Nur leise

Worauf denn Döppe fest beschwor,

Die Sache käme nicht mehr vor.
[242]

Nur leise

Dies Schwören sollte wenig nützen.

Nachts hat er wieder einen sitzen.

Er kommt nach Haus in später Stund

Mit Pfeife, Rausch und Pudelhund.


Nur leise

Behutsam zieht er auf dem Gang

Die Stiefel aus, die schwer und lang,


Nur leise

[243] Um auf den Socken, auf den weichen,

Geräuschlos sich emporzuschleichen.

Fast ist er schon dem Gipfel nah

Und denkt, der letzte Tritt ist da.


Nur leise

Dies denkt er aber ohne Grund.

Die Pfeife bohrt sich in den Schlund.
[244]

Nur leise

Die alte Treppe knackt und knirrt,

Die Pfeife löst sich auf und klirrt;


Nur leise

Erschrecklich tönt der Stiefel Krach,

Dumpf rumpelt Döppe hinten nach.


Nur leise

[245] Der Pudel heult und ist verletzt,

Weil Döppe seinen Schwanz besetzt.

Pauline kommt mit Kerzenlicht;


Nur leise

Beschämt verbirgt er sein Gesicht.

Man hört nichts weiter von Paulinen

Als: »Döppe, ich verachte Ihnen!«
[246]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 242-247.
Lizenz:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon