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[214] 1421. An Grete Meyer
Mechtshausen 28ten Nov. 1903.
Liebe Grete!
Sei bedankt für den angenehmen Brief, der mir sagt, daß du gesund, vergnügt und äußerst betriebsam bist.
Die Zeit, die ideale, radelt weiter derweil. Neulich, als ich von Frankfurt zurück kehrte, zog noch der Dampf der letzten Kartoffelfeuer über die Gegend hin. Es waren die berühmten schönen Octobertage. Deshalb konnten auch die Gartenstücke rechts unten von der Kirschenallee hübsch trocken rigolt werden. Ferner kriegten die Obstbäume, zu Schutz und Trutz gegen das böse Geziefer, weißes Unterzeug und schwarze Leibbinden, jenes aus Kalk, diese von Pechpapier. Allmählig aber kehrte uns der Herbst die kältere Seite zu. Erst kam Tobesturm und Regen, dann Reif. Die Rosen wurden schleunig mit Sand bedeckt. Und jetzt, sieheda, übernacht ist Schnee gefallen. Zur Lust den Kindern. Sie waren schon ohnedies sehr freudig erregt letzther, denn in der Nachbarschaft blühte das "Wostewark". Der Appetit scheint gut zu sein. Notabene, dein Patchen, die Anneliese, sucht mittags aus dem Weißkohl den Kümmel heraus. Die Tugenden der Gevatterinnen färben also doch ab. Oder hält sie's nur für kleine kümmelähnliche Unanständigkeiten, die man schweigend beiseite schiebt? Übrigens macht sie Fortschritte im Sprechen. Sie sagt nicht mehr Schiff für Fisch, aber leider noch Schretschen statt Zwetschen.
Leb wohl, liebe Grete! Wir Pfarrbewohner, groß und klein, denken gern an euch. Alle laßen euch grüßen.
Vor allen sei du selbst recht herzlich gegrüßt von deinem alten
Onkel Wilhelm.